Kritik an Top-Absolventen

High Potentials überschätzen sich

28.02.2012 von Andrea König
Firmen im Dilemma: Einerseits tun sie sich schwer, Talente zu gewinnen, andererseits vermissen sie laut Kienbaum bei High Potentials ein Quäntchen Selbstkritik.
Entscheidet sich ein Talent für einen Arbeitgeber, bleibt es meist für einige Jahre.
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Personalleiter beklagen die Selbstüberschätzung von Absolventen. In einer Umfrage der Managementberatung Kienbaum unter teilnehmenden HR-Leitern hielt sich eine einhellige Meinung: 94 Prozent der HR-Leiter glauben, dass High Potentials in Deutschland an ihrer Selbstüberschätzung scheitern. 89 Prozent vermissen bei den Talenten die Fähigkeit zur Selbstkritik.

Doch auch wenn die fehlenden Soft Skills kritisiert werden, sind High Potentials sehr begehrt. 74 Prozent der befragten Personalleiter aus deutschen Unternehmen berichten, dass sie rund ein Viertel ihrer Wunschkandidaten nicht für sich gewinnen konnten. In Österreich sind es nur 60 Prozent, in der Schweiz sogar 85 Prozent der Unternehmen, die jeden vierten Wunschkandidaten nicht an sich binden können. "Diese Zahl hat sich im Vergleich zur Studie aus dem vergangenen Jahr noch einmal erhöht", sagt Erik Bethkenhagen, Geschäftsführer von Kienbaum Communications. Die Unternehmen hätten erhebliche Schwierigkeiten, diejenigen Talente an sich zu binden, die ihre Ansprüche voll und ganz erfüllten, und müssten deshalb oft Kompromisse eingehen, so Bethkenhagen.

High Potentials bleiben Firmen mindestens drei Jahre treu

Ein Großteil der Umfrageteilnehmer hat Bedarf an High Potentials. Laut der Kienbaum-Umfrage planen 74 Prozent der deutschen, 87 Prozent der österreichischen und 67 Prozent der schweizerischen Unternehmen, im kommenden Jahr bis zu 15 High Potentials einzustellen. Besonders in den Bereichen IT, Forschung & Entwicklung und in der Produktion berichten die Umfrageteilnehmer von Schwierigkeiten, geeignete Kandidaten für die zu besetzenden Stellen zu rekrutieren.

Die Kienbaum-Umfrage zeigt, dass High Potentials - sind sie einmal bei einem Arbeitgeber - in der Regel auch eine gewisse Zeit dort bleiben. 78 Prozent aller High Potentials in Deutschland, 75 Prozent derjenigen in Österreich und sogar 100 Prozent der Talente in der Schweiz sind mindestens drei Jahre im selben Unternehmen beschäftigt. Kein einziges der befragten Unternehmen berichtete von High Potentials, die weniger als ein Jahr beim Arbeitgeber blieben.

Trifft ein High Potential die Entscheidung für einen Jobwechsel, hat das oft private Gründe. Mit 86 Prozent beziehungsweise 73 Prozent wechselt die Mehrheit der deutschen und österreichischen High Potentials aus persönlichen Motiven den Arbeitgeber. Lediglich in der Schweiz steht nicht das Private an erster Stelle. Dort wechseln 85 Prozent der Top-Talente, weil ihnen ein lukratives Angebot von einem Wettbewerber vorliegt.

Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung

Damit ein solches Angebot gar nicht erst zur Verlockung wird, setzen die befragten Unternehmen vielfältige Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung ein. Fast alle Umfrageteilnehmer geben an, dass sie Talente mit herausfordernden Aufgaben, viel Eigenverantwortung, einer attraktiven Unternehmenskultur und Weiterbildungen halten wollen. Neun von zehn deutschen und österreichischen Unternehmen bauen zur Bindung ihrer Talente außerdem ein attraktives Unternehmensimage auf, in der Schweiz sind es 76 Prozent. Work-Life-Balance ist in 74 Prozent aller deutschen Unternehmen ein Thema zum Binden von Talenten, in Österreich und in der Schweiz bei jedem zweiten Arbeitgeber.

Laut Kienbaum haben in Deutschland High Potentials mit Diplom die besten Karriereaussichten: 99 Prozent der deutschen Unternehmen schätzen Absolventen mit einem Diplom-Zeugnis. Bei der Vergütung gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Abschlüssen: Absolventen mit einer Promotion erhalten in Deutschland ein durchschnittliches Jahresbruttogehalt von 52.200 Euro. Auf Platz zwei folgen in diesem Ranking der Einstiegsgehälter die Master-Absolventen mit Universitätsabschluss (46.500 Euro) vor den Diplom-Studenten (44.400 Euro) und den Bachelor-Absolventen mit Universitätsabschluss (44.000 Euro). In Österreich sind die Jahresgehälter um durchschnittlich 10.000 Euro niedriger als in Deutschland.

Für die "High Potentials Studie 2011/2012" der Managementberatung Kienbaum wurden Personalleiter aus 460 Unternehmen aller Größen in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt.