Lohnt es sich, die SAP-Business-Suite für eine Filiale mit wenigen Mitarbeitern zu installieren? Sicher nicht, sagt der Experte: "Die Business Suite ist nicht beliebig nach unten skalierbar. Zu den hohen Quasi-Fixkosten für die Einführung kommt noch ein erheblicher Schulungsaufwand für die Mitarbeiter - für kleinere Organisationen rechnet sich das nicht", erklärt Martin Petry, CIO des Spezialisten für Werkzeugmaschinen und Befestigungstechnik Hilti.
Viele Konzerne haben ein Problem, wenn es darum geht, kleinere Niederlassungen an die zentrale ERP-Lösung anzuschließen. Kleinere Systeme verschiedener Hersteller oder selbst geschriebene ERP-Lösungen sind keine Alternative. Sie verhindern zentrale Administration und Wartung, erschweren Anpassungen und sind auf lokalen Support angewiesen. CIO Petry verwendet Hiltis SAP-Suite am Hauptsitz in Liechtenstein, in allen acht Hilti-Werken und in 50 Vertriebsniederlassungen mit insgesamt 28 Sprachen - nicht immer mit einem guten Gefühl. Zwar hält er das SAP-System für große Organisationen nach wie vor für die erste Wahl. "Aber wenn es eine gute Alternative gegeben hätte, hätten wir uns bei kleineren Auslandstöchtern in dem einen oder anderen Fall anders entschieden", sagt Petry.
Inzwischen hat er diese Alternative gefunden: Künftig werden Hiltis "kleine" nationalen Vertriebsgesellschaften mit dem On-Demand-ERP-System Business ByDesign (ByD), ebenfalls von SAP, ausgestattet. Zwar ist Business ByDesign schon seit 2007 auf dem Markt, wurde von den Walldorfern aber anfänglich ausschließlich als ERP / CRM-Komplettlösung für kleine und mittlere Unternehmen angeboten. Zudem, so bemängelten Analysten, trieb SAP den Ausbau der SaaS-Lösung allzu verhalten voran und bot nur wenige Sprach- und Länderversionen der Software an. Nicht zuletzt vermuteten sie dahinter ein nur halbherziges Bekenntnis zum Cloud Computing des im Lizenzgeschäft groß gewordenen ERP-Marktführers.
Erst auf der Sapphire in Orlando Ende 2011 positionierte SAP sein Cloud-ERP-System gezielt für das sogenannte zweistufige ERP-Modell (Two-Tier-ERP) - also für Szenarien mit zentralem ERP-System und ByD für nationale und regionale Niederlassungen. Daran, dass Cloud Computing in der Strategie von SAP eine zentrale Rolle spielt, gibt es unterdessen kaum noch Zweifel: Spätestens die Übernahme des Cloud-basierten HCM-Anbieters (Human Capital Management) Success Factors und das Angebot mehrerer Business-Suite-Erweiterungen im Cloud-Modell zeigen einen klaren Trend Richtung Cloud. Auch sein jüngstes und liebstes Kind - die In-Memory-Datenbank Hana - hat SAP samt Entwicklungs-Tools schon in die Cloud gehoben.
Bei Hilti wurden die ersten ByD-Systeme bereits in der zweiten Jahreshälfte 2012 live geschaltet: Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und Albanien sind jetzt per Cloud-ERP mit der zentralen Unternehmens-IT verbunden. Die lokalen Organisationen nutzen vor allem die CRM-, Marketing- und Vertriebsfunktionen der Software. Petry lobt die schnelle Installation und die nahtlose Integration mit dem zentralen ERP-System: Die Architektur beider Lösungen ist von der Struktur und den Datenformaten bis hin zum Austauschformat IDoc identisch, sodass Konvertierungen und die Programmierung von Schnittstellen weitgehend entfallen.
Als Nächstes kommt Kasachstan
Zudem freut er sich über die Benutzerfreundlichkeit der Lösung, die zu einem merklich geringeren Schulungsaufwand führt. Während er bei der Business-Suite mit einer bis zu vierwöchigen Schulung für Vollnutzer kalkuliert, dauert die Einführung der Mitarbeiter in das Cloud-System nur wenige Tage. In den nächsten Monaten ist die Installation von ByD in Kasachstan, Ukraine und in der Golfregion geplant. Insgesamt stehen bei Hilti für 2013 weitere 15 Ländereinführungen auf der Agenda.
Dass es sich bei ByD um eine Cloud-Lösung handelt, erwies sich bei der Einführung gleichzeitig als Fluch und Segen: "Wir sind froh, dass uns auf der technischen Seite der gesamte Aufwand für Betrieb, Wartung und Upgrades abgenommen wird", sagt Martin Nemetz, ByD-Projektleiter bei Hilti. Gerade bei kleinen Auslands-Dependancen ohne lokale IT-Mitarbeiter wäre der technische Support eines On-Premise-Systems ungleich aufwendiger. Auf der rechtlichen Seite waren bei den vertraglichen Regelungen einige Schwierigkeiten zu überwinden.
Denn in den einzelnen Ländern ist die Gesetzeslage im Hinblick auf Datensicherheit und -schutz jeweils unterschiedlich. Weil das System im SAP-Rechenzentrum in Deutschland läuft und die Daten auch dort verarbeitet werden, waren umfangreiche Anpassungen der Verträge notwendig: "Wir haben sehr intensiv mit SAP an der Vertragsgestaltung gearbeitet - und wir haben letztlich in allen Punkten Einigkeit erzielt und in allen für uns relevanten Ländern einen gesetzeskonformen Umgang mit den Daten sichergestellt", sagt CIO Petry.
15 offizielle Länderversionen
Gerade in den kleinen südosteuropäischen Ländern leistet Hilti damit praktisch Pionierarbeit - und das nicht nur im Hinblick auf den Datenschutz. Zwar ist ByD bisher in 15 Länderversionen erhältlich (darunter USA, China, Kanada, Australien, Frankreich, Spanien), und weitere fünf (darunter Japan, Singapur und Südkorea) sind für das nächste Jahr angekündigt. Die kleinen und wirtschaftlich weniger gewichtigen Länder Südosteuropas sind aber nicht dabei.
Da eine - zumindest minimale - Anpassung an die landesspezifischen Gegebenheiten unerlässlich ist, arbeiten Hilti und SAP in einem "Co-Innovation-Projekt" gemeinsam an der sogenannten "Lokalisierung" der Software. Das Minimum: Das System muss an die Landeswährung und den örtlichen Mehrwertsteuersatz angepasst werden, und die wichtigsten Formulare, Briefe und Anschreiben müssen in der Landessprache vorliegen. "Wir sind ganz froh, wenn wir es bei dieser quasi Lokalisierung light belassen und ansonsten das System in Englisch betreiben können", sagt Projektleiter Nemetz, "aber das hängt natürlich von den jeweiligen Gegebenheiten und Anforderungen vor Ort ab." Eine tiefer gehende Lokalisierung betrifft dann vor allem die Anpassung der Finanz-, Lohn- und Gehaltsbuchhaltung an die landesspezifischen Regelungen.
Aus dieser Zusammenarbeit könnten dann auch Länderversionen entstehen, die SAP künftig für ByD anbietet. Ob das so kommt, ist allerdings nicht sicher: "Ob wir eine eigene Version für ein Land anbieten, hängt natürlich auch von der Nachfrage ab", sagt Rainer Zinow, der bei SAP für das strategische Management der On-Demand-Lösungen zuständig ist. Weil die kleinen südosteuropäischen Länder nicht unbedingt zu den aufstrebenden Wirtschaftsmächten gehören, dürfte sich die Nachfrage vorerst wohl in Grenzen halten.
Sicher ist, dass ByD im nächsten Jahr mit weiteren ERP-Funktionen sowie Integrationsszenarien für Niederlassungen ausgestattet und auf die Hana-Datenbank gehoben werden soll. Das Cloud-System soll so auch für den gehobenen Mittelstand bis hin zu einigen tausend Benutzern attraktiv werden. In der Ursprungsversion für maximal etwa 200 Benutzer konzipiert, verleiht die In-Memory-Datenbank Hana dem On-Demand-System zusätzliche Leistungskraft. So meldet SAP, dass der australische Bundesstaat New South Wales im nächsten Januar die größte ByD-Installation weltweit mit 8500 Benutzern in Betrieb nehmen wird.
Für Hilti-CIO Petry spielt das vorerst keine Rolle. Seine Zielarchitektur ist klar umrissen: die SAP-Business-Suite On-Premise im Headquarter, den Hilti-Werken und "großen" Niederlassungen, Business ByDesign für kleine bis mittlere Auslandstöchter. Wo genau die Grenze zwischen der Cloud-Software und der Business-Suite verläuft, wird im Einzelfall und unter Berücksichtigung der jeweiligen Prozessanforderungen entschieden. Sie werde aber wohl um die 200 bis 300 Mitarbeiter liegen.
Die Unternehmensdaten von Hilti
Unternehmen |
Hilti |
Hauptsitz |
Liechtenstein |
Standorte |
vier Milliarden Schweizer Franken 2011 |
Mitarbeiter |
21.000 in 120 Ländern |
CIO |
Martin Petry (seit 2005) |
IT-Projekt |
SAP ByD in Auslandsfilialen |
Ziel |
Einführung von SAP Business ByDesign in 21 Ländern, in Südosteuropa, der Golfregion, Kasachstan und Ukraine |
Laufzeit |
April 2012 bis Ende 2013 |
Aufwand |
30 Tage Aufwand pro Land (bei kleineren Organisationen) |