LKW-Maut

Hoffen und bangen

02.06.2003 von Johannes Klostermeier
Die Autobahngebühr für schwere Lkw wird am 30.August eingeführt - oder auch nicht. Das Projekt ist ein Paradebeispiel dafür, wie schwierig IT-Großprojekte im politischen Raum zu managen sind.

Die LKW-Maut kommt - da ist sich das Konsortium Toll Collect sicher. Die Frage ist nur, wann. "Wir haben pünktlich am 15. April mit der Registrierung der am automatischen Verfahren teilnehmenden Speditionen begonnen, zum 1. Mai die Software auf die Servicegeräte gespielt und den Einbaustart vollzogen", versichert Toll-Collect-Sprecher Hans-Christian Maaß. Projektnahe Kritiker bezweifeln den Start zum 30. August, 0.00 Uhr. Und auch beim Konsortium heißt es zumindest intern: "Es wäre gut, wenn wir noch mehr Zeit hätten und erst am 1. Januar 2004 starten würden." Doch die Politik wolle auf die Mautgebühr - immerhin geplante 300 Millionen Euro monatlich - nicht verzichten.

Unterdessen geht das Trommelfeuer der Kritiker gegen das Bündnis aus Deutscher Telekom, Daimler Chrysler Services und dem französischen Autobahnbetreiber Cofiroute weiter: "Toll Collect hätte den Auftrag nie erhalten dürfen; es spricht ja ohnehin eine ganze Menge dafür, dass dies eine sehr politische Entscheidung war", sagt einer von ihnen. "Das Konzept ist nicht durchdacht und offenbar von Leuten ohne Erfahrung." Ein Beispiel: Der Datenaustausch zwischen Toll Collect und dem auch beteiligten Konsortium Ages sei zu Beginn via E-Mail erfolgt - mit Daten im simplen CSV-Format, bei dem die einzelnen Elemente nur durch Kommata getrennt sind; eine Abstimmung findet nicht statt. Ein spezifischeres Format sei in sechs Monaten nicht implementierbar gewesen.

Systemtechnisch, so heißt es, sei es ein großer Fehler von Toll Collect gewesen, das Telekom-Abrechnungssystem für Telefonrechnungen, basierend auf einem Massenkontokorrent-Modul von SAP, zu verwenden und das Ganze auf Sun-Systeme aufzusetzen; auf anderen Rechnern würden die Anwendungen nicht funktionieren. Der Kritiker: "Sun haben denen die Entwickler aufgeschwatzt."

Abrechnung nur per Lastschrift

Das Konsortium argumentiert: Wenn einmal im Monat abgerechnet werde, sei die älteste Fahrt 30 Kalendertage alt, also im Schnitt 20 Werktage. Wenn man an dieser ältesten Fahrt das Zahlungsziel ausrichte, sei der Vertrag erfüllt, weil ja nach der monatlichen Abrechnung das Geld ein paar Tage später da ist. 30 Kalendertage plus rund fünf bis zehn Kalendertage Bankabwicklung würden so ausreichen, um 30 Werktage abzubilden. Der Kritiker: "Dass Toll Collect dabei die zweitälteste Fahrt aber schon einen Tag zu früh bezahlt, die drittälteste Fahrt zwei Tage zu früh, ist ihnen egal." Im Grunde habe das Konsortium auf diese Weise jedoch dem Bund gegenüber das durchschnittliche Zahlungsziel um die Hälfte verkürzt und so die eigenen Erträge gemindert.

Dilemma Zahlungsziel

Als durch die Einigung mit dem Konkurrenz-Konsortium Ages die Tankkartenaussteller beteiligt werden mussten, hätten diese täglich abrechenbare Daten verlangt, um sie in ihre Abrechnungssysteme einspielen und den Kunden gegenüber abrechnen zu können. Das und ein Zahlungsziel von 30 Werktagen sei im Kooperationsvertrag mit Ages ebenfalls vereinbart worden, so der Insider. Toll Collect sei allerdings weiterhin davon ausgegangen, dass eine Rechnung pro Monat reiche, die dann binnen Tagen bezahlt werde. Als Toll Collect bemerkte, dass das nicht möglich sei, habe man versucht, mit täglichen Abschlagsdaten, die dann von den Kartenausstellern nach 15 Werktagen bezahlt würden, aus dem Dilemma mit dem Zahlungsziel herauszukommen; diese hätten jedoch auf den 30 Tagen beharrt. Problem für Toll Collect: Die unterschiedliche Betrachtung der Zahlungsziele und der zu zahlenden Beträge hätte für das Konsortium eine Vorfinanzierung von rund 200 Millionen Euro bedeutet. Deshalb verhandele Toll Collect seit Monaten über eine Änderung der entsprechenden Passage. Statt "Jede Fahrt muss nach 30 Werktagen bezahlt werden" soll es nun heißen: "Jede Fahrt muss durchschnittlich nach 30 Werktagen bezahlt werden." Auf diesem Weg könnte das durchschnittliche Zahlungsziel verlängert werden.

Inzwischen hat Toll Collect der Berliner Filiale der größten deutschen PR-Agentur ECC Kohtes Klewes einen Beratungsauftrag erteilt, um die Lkw-Maut positiver darzustellen; die Hamburger Multimedia-Agentur Sinner-Schrader kümmert sich um einen zeitgemäßen Internetauftritt. Externe Kritiker mäkeln indes auch daran herum: "Wenn Sie sich in die Lage eines Fuhrunternehmers versetzen, laufen Sie beim neuen Webauftritt immer in den Wald, wenn Sie einen interessanten Link anklicken."