SAP-Berater sind weiterhin eine äußerst begehrte Spezies. Der Bedarf an SAP-Expertise lässt sich auf Seiten von SAP-Anwenderunternehmen und Systemhäusern kaum decken. Qualifizierte Bewerber erreichen daher sehr attraktive Gehälter und haben mittlerweile auch mehr Chancen, flexible Arbeitszeiten oder andere Konditionen durchzusetzen, welche es vereinfachen, das Privat- und Berufsleben miteinander zu verbinden.
Zugleich steigen aber auch die Erwartungen von Arbeitgebern weiter an: Es reicht schon lange nicht mehr aus, ERP-Systeme oder bestimmte SAP-Module installieren und anpassen zu können. Immer wichtiger wird ein umfassendes Prozesswissen, Beratungsfähigkeiten und die Kompetenz für Themen wie Cloud, Big Data, Industrie 4.0 - und in diesem Zusammenhang auch HANA.
Laut Thomas Biber, Geschäftsführer bei der SAP-Personalberatung Biber & Associates, ist die Auftragslage bei SAP-Beratungshäusern weiterhin gut. Sie würden derzeit jeden qualifizierten Bewerber einstellen: "Im Gegensatz zur Situation vor anderthalb Jahren gibt es keine guten Berater, die auf der Bank sitzen und auf die Einwechslung warten." Laut Dieter Schoon, Executive Vice President Head of Global Human Resources bei der itelligence AG, hat sein Unternehmen im Jahr 2015 alleine in Deutschland rund 200 Mitarbeiter eingestellt. Unverändert fehlt es an Nachwuchs: "Den Absolventen der Informatik und Wirtschaftsinformatik stehen alle Türen offen", sagt Sarah Lenger, Personalreferentin bei der innobis AG.
Dies gilt laut den befragten Experten für alle Industriezweige. Für den Zielmarkt seines Beratungshauses, die Bankenbranche, nimmt Jörg Petersen, Vorstand der innobis AG, zum Beispiel eine "kontinuierliche, wenn auch in den letzten Jahren nicht mehr exponentiell steigende Nachfrage nach SAP-Experten" wahr. Befürchtungen in der Branche, dass SaaS-Angebote anderer Hersteller wie Salesforce, die zum Teil von Fachabteilungen gekauft werden, für eine geringere Nachfrage nach SAP-Fachkräften oder -Expertise sorgen könnten, haben sich bisher nicht als zutreffend erwiesen.
100.000 bis 120.000 Euro Jahresgehalt in Beratungshäusern
Entsprechend dieser Marktlage beobachtet Thomas Biber am Markt auch steigende Gehälter: "Nach einer Zeit, in der das Reallohnniveau stagnierte, gibt es heute wieder eine leichte Tendenz nach oben." Sehr gute Berater, die uneingeschränkt reisebereit sind, könnten in Beratungshäusern auf 100.000 bis sogar 120.000 Euro Jahresgehalt kommen. Und da die für SAP-Systeme verantwortlichen Teams wachsen, seien auch Teamleiter gesucht. Auf dieser Ebene seien, je nach Teamgröße, 100.000 bis 140.000 Euro Jahresgehalt realistisch, in Einzelfällen auch mehr. Inhouse komme man als Senior-Berater mit acht bis zehn Jahren Berufserfahrung auch in einem kleineren Unternehmen auf rund 85.000 Euro Jahresgehalt.
Was die verschiedenen SAP-Module betrifft, gibt es keine großen Verschiebungen. Erfahrung mit SAP-Kernthemen wie FI (Financial Accounting), CO (Controlling), SD (Sales and Distribution), MM (Materials Management), WM (Warehouse Management), PP (Production Planning and Control), BW (Business Information Warehouse) sowie mit Personalwirtschaftsmodulen sind laut Thomas Biber weiter stark nachgefragt. Jörg Petersen beobachtet zudem eine hohe Nachfrage in den Spezial- und Querschnittsbereichen Regulatorik und Meldewesen.
Bestimmte ABAP-Entwicklungsthemen werden zwar laut Thomas Biber mit Offshoring ausgelagert - in der Regel aber nur "in Bereichen mit geringerer Kritikalität für den Geschäftsbetrieb", so Petersen, der zugleich steigende Anforderungen an die Entwickler hinsichtlich Architektur, Methodik und Technologien bemerkt. Insgesamt bleibt bei Biber & Associates die Nachfrage nach ABAP-Entwicklern größer als das Angebot.
Das Thema HANA wird dagegen im Markt weniger als Recruiting-, denn als Weiterbildungsherausforderung gesehen. Den Löwenanteil des SAP-Marktes macht nach wie vor das ERP-Geschäft aus. Schoon: "Die Nachfrage nach HANA-Experten und dort insbesondere nach S/4HANA steigt zwar stetig, ist bei uns heute aber noch nicht unbedingt höher als nach anderen SAP-Fachkräften." Sein Unternehmen forciert aber bereits die interne Fortbildung, genauso wie das von Petersen: "Wir bereiten unsere Berater aktuell mit konkreten Ausbildungsmaßnahmen und internen Forschungsprojekten auf kommende Kundenanfragen vor. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist dabei die Verfügbarkeit eigener Forschungssysteme, um inhouse möglichst realistische Kundenszenarien durchspielen zu können."
Prozesswissen wichtiger als Modul-Spezialisierung?
Die steigende Bedeutung von HANA ist aber allenfalls die Spitze des Eisbergs dessen, was sich gerade im SAP-Arbeitsmarkt hinsichtlich der gefragten Qualifikationen ändert. Dieter Schoon: "Wir durchleben eine Zeit des Umbruchs. Die digitale Revolution und Industrie 4.0 verändert alles." Für die Berater liege die große Herausforderung angesichts der zahllosen Cloud- und Digitalisierungssysteme darin, die beste Lösung für die Kunden zu finden. "Wichtiger als die Spezialisierungen sind Überblick, übergreifendes Wissen und Prozess-Know-how." Auch etablierte Berater müssten, wie auch die Beratungshäuser, das Gesicht zur Zukunft gewandt halten und Veränderungsfähigkeit und -willigkeit mitbringen: "Wir schulen unsere Spezialisten intern intensiv zu HANA-, Cloud- und Digitalisierungsthemen."
Die itelligence AG suche "Persönlichkeiten, Advisors - also Leute, die den Kunden zuhören und sie verstehen, die als Berater mit einer hohen Sensibilität für Prozesse Lösungswege aufzeigen." Die innobis AG legt derzeit besonderen Wert auf Kommunikations- und Teamfähigkeit, Organisationsagilität und Managementqualitäten, Methoden- und Toolnutzungskompetenz.
Biber rät Bewerbern, vor allem in den ersten Berufsjahren zu hoher Flexibilität: "Reisebereitschaft, Umzugsbereitschaft, Offenheit für neue Themen und Aufgaben sind die besten Voraussetzung zum Start einer spannenden SAP-Karriere." Wer mit Fortbildungen punkten wolle, solle sich derzeit auf HANA konzentrieren. "Das ist derzeit der einzige Bereich, in dem Aus- und Weiterbildungen etwas zählen, ansonsten geht es nur um die Praxiserfahrung."
Attraktive Unternehmen stellen sich auf Generation Y ein
Und was ist Unternehmen zu raten, die im Jahr 2015 nach SAP-Expertise suchen? Sie müssen sich ebenfalls mit sehr hohen Ansprüchen der Bewerber an ihre Arbeitgeber auseinandersetzen. Sarah Lenger weiß: "Wie erfolgreich das Werben um SAP-Berater ist, entscheidet die Attraktivität des Arbeitgebers. Gerade für suchende Unternehmen im Mittelstand ist es wichtig, sich als attraktiver Arbeitgeber durch finanzielle Zusatzleistungen, aber insbesondere auch durch Work-Life-Balance hervorzuheben. Das heißt unter anderem flexible Arbeitszeiten, Home-Office, insgesamt gute Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben und Familienfreundlichkeit."
Schoon stellt auch eine starke kulturelle Veränderung fest: "Jüngere Bewerber wollen mitreden und gehört werden. Sie wollen das Unternehmen verstehen, interessieren sich für dessen soziales Engagement. Da müssen auch Führungskräfte noch dazulernen. Heute ist manchen in der Generation Y das Geld nicht mehr so wichtig. Die gute, nachhaltige Unternehmensstory wird immer wichtiger."
Und Biber rät Unternehmen außerhalb der großen Ballungsräume risikobereiter zu werden. "Diese Unternehmen haben kaum Chancen, wenn Sie jemand aus Frankfurt oder München rekrutieren wollen, selbst wenn sie ansonsten Top-Bedingungen bieten." Da lohne sich im Einzelfall doch die Überlegung, jemanden aus Osteuropa anzuwerben oder einen technisch hochqualifizierten Mitarbeiter aus Indien zu suchen. Der spreche zwar dann kein Deutsch, für ihn sei der Job aber die Chance seines Lebens.
Neue Schwerpunkte in Stellenanzeigen
Der Haupttrend im SAP-Arbeitsmarkt scheint aber zu sein, dass weder Arbeitgeber noch Bewerber derzeit zu großen Kompromissen bereit sind, sondern sich gegenseitig das Äußerste abverlangen. Das muss nicht von Schaden sein. Schoon ist sich sicher, dass die neue Generation unter dem Strich genau so viel wie die früheren Generationen leistet: "Die Kollegen sind eng vernetzt und im passenden Arbeitsumfeld hochmotiviert. Das Faszinierende: Sie erzielen teilweise extrem schnell Ergebnisse."
Und wie sehr sich der SAP-Arbeitsmarkt inhaltlich verändert, schlägt sich bei seinem Unternehmen demnächst sogar in den Stellenanzeigen nieder: "Statt einfach nach 'SAP-Beratern' zu suchen, stellen wir in Zukunft die Fähigkeit in den Vordergrund, die Kunden zu beraten, gemeinsam mit Ihnen die richtigen Schritte durch die digitale Transformation hindurch zu finden."