Rechtliche Grundlagen

Home-Office ist kein rechtsfreier Raum

19.05.2020 von Armin Weiler
Wo es die Umstände und der Arbeitgeber zulassen, arbeiten viele Mitarbeiter von zuhause aus. Dafür gibt es allerdings auch juristische Rahmenbedingungen. Wir haben dazu mit dem Fachanwalt für Arbeitsrecht, Klaus Thönißen, gesprochen.

Wer dazu in der Lage ist, arbeitet im Home Office. Viele Arbeitgeber, die dem Konzept bisher noch skeptisch gegenüberstanden, werden nach der Bedrohungslage durch das Coronavirus offener bei der Einrichtung flexibler Arbeitsmodelle sein, das glauben zumindest die Experten der IT-Branche. Die Politik ist ebenfalls dabei, im Eilverfahren eine bis März 2021 befristete Home-Office-Pflicht einzuführen. Andere Poliker fordern ein "Recht auf Home Office".

Auch im Home Office gelten Grundlagen des Arbeitsrechts und Arbeitsschutzbestimmungen. Dabei spielt auch eine Rolle, in welchem Umfang von zuhause aus gearbeitet wird und wer dies angeordnet hat.
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In Deutschland arbeiten nach Berechnungen des Bitkom-Verbands derzeit etwa 45 Prozent aller Berufstätigen im Home Office. 10,5 Millionen sind ausschließlich im heimischen Büro tätig, während 8,3 Millionen zumindest zeitweise von Daheim aus arbeiten. Der Verband geht davon aus, dass auch nach Ende der Coronoa-Krise noch 35 Prozent der Berufstätigen im Home Office arbeiten. Vor Beginn der Pandemie waren es 18 Prozent.

Das Home-Office-Potenzial ist nach Ansicht des Bitkom-Verbands damit noch nicht ausgeschöpft: 55 Prozent der befragten Berufstätigen halten ihre Tätigkeit für grundsätzlich geeignet (davon 21 Prozent ausschließlich, 34 Prozent teilweise). 43 Prozent sagten, ihre Tätigkeit sei nicht für Home Office geeignet.

Auch nach dem Ende der Coronoa-Pandemie werden weit mehr Menschen im Home Office tätig sein als vor ihrem Beginn.
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Einen allgemeinen gesetzlichen Anspruch auf die Arbeit im Home Office oder auf mobiles Arbeiten gibt es derzeit aber noch nicht, bis auf einige Ausnahmen im öffentlichen Sektor. Das Bundesarbeitsministerium erarbeitete nun einen Gesetzentwurf, um Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen. "Jeder, der möchte und bei dem es der Arbeitsplatz zulässt, soll im Home Office arbeiten können - auch wenn die Corona-Pandemie wieder vorbei ist", fordert Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

"Inhaltlich ist zu erwarten, dass Mitarbeiter - so wie bei Brücken- oder Teilzeit - einen Wunsch auf mobiles Arbeiten drei Monate im Vorfeld gelten machen können. Der Arbeitgeber wird diesen Wunsch mit dem Mitarbeiter erörtern müssen, um gemeinsam eine Einigung zu finden", beschreibt Klaus Thönißen, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, das mögliche Prozedere. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf keinen gemeinsamen Nenner kommen, dann könnte der Arbeitgeber den Wunsch aber begründet ablehnen. "Wie die Begründung im Detail aussehen muss, bleibt abzuwarten", sagt Thönißen weiter.

Auch die Arbeitgeber sind skeptisch, wenn es um die neue Verordnung geht. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger bezeichnete sie gegenüber der neuen Osnabrücker Zeitung als "bürokratischen Aktionismus", mit dem nicht viel erreicht werden würde. Nach Ansicht von Dulger ist es stattdessen "die Aufgabe von Betrieben und Beschäftigten, sich zu überlegen, wie man mobile Arbeitsformen umsetzen kann". Es gebe im Übrigen auch sehr viele Beschäftigte, die eben nicht einfach mal ins Home Office gehen könnten, da es der Betriebsablauf nicht zulasse.

Bislang ist Home Office eigentlich nur möglich, wenn es arbeitsvertraglich in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag geregelt ist.
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Corona-Pandemie ist eine Ausnahmesituation

Bislang ist Home Office eigentlich nur möglich, wenn es arbeitsvertraglich in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag geregelt ist. Daneben können sich Ansprüche aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz oder betrieblicher Übung ergeben. "Im Grundsatz heißt es: weder der Mitarbeiter hat Anspruch auf die Tätigkeit im Home Office noch kann der Arbeitgeber einseitig Home Office anordnen", betont Thönißen.

Ratgeber: Die typischen Kosten für die Ersteinrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes

In der durch das Coronavirus hervorgerufenen Ausnahmesituation sind für den Juristen aber Ausnahmen denkbar: "Ein Anspruch des Mitarbeiters kann aus praktischer Sicht dann bestehen, wenn ihm die Tätigkeit im Betrieb nicht mehr zumutbar ist. Dies wäre gegeben, wenn der Arbeitgeber keine geeigneten Maßnahmen zum Gesundheitsschutz trifft", präzisiert er. Andererseits könnte der Arbeitgeber im Einzelfall berechtigt sein, mobiles Arbeiten mit Blick auf das Gebot der Rücksichtnahme und Treuepflichten, beispielsweise zum Schutz der Gesundheit des Mitarbeiters und anderer Mitarbeiter, anzuordnen. Eine solche Anordnung setzt natürlich voraus, dass dem Mitarbeiter das auch tatsächlich möglich ist.

"Weder der Mitarbeiter hat Anspruch auf die Tätigkeit im Home Office noch kann der Arbeitgeber einseitig Homeoffice anordnen", erklärt Klaus Thönißen, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft.
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"Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist."

Die so in der Arbeitsstättenverordnung beschriebenen Voraussetzungen treffen also eher auf eine permanente Tätigkeit im Home Office zu. "Dabei muss es eine vertragliche Vereinbarung geben und der Arbeitgeber muss den Arbeitsplatz eingerichtet haben", erklärt der Rechtanwalt. Wenn ein Mitarbeiter nur ab und zu mit seinem Laptop von zuhause aus arbeitet, dann ist das kein Telearbeitsplatz im Sinne der Arbeitsstättenverordnung.

Allgemeine Schutzvorschriften müssen eingehalten werden

Die Art und Weise der Tätigkeit hat Auswirkungen darauf, wie Arbeitsschutzauflagen umgesetzt werden müssen. Ungeachtet dessen muss ein Arbeitgeber die allgemeinen Schutzvorschriften nach den §§ 3 und 4 des Arbeitsschutzgesetzes in jedem Fall einhalten. "Dem Grunde nach ist bei einem regelmäßigen Tätigwerden von zuhause oder einem anderen Ort auch eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz durchzuführen. Dies insbesondere dann, wenn es eine explizite Regelung wie im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag gibt", betont Thönißen.

CIOs im Home Office
Thomas Zimmerer, Interim Manager CIO/CDO
Für Zimmerer (derzeit für einen Konzern im Nahen Osten tätig) und sein Team ist insbesondere Microsoft Teams aktuell das Tool, das vor allem für Chat, Videokonferenzen, Shared Sessions am PC, Notebook, iPad und iPhone den ganzen Tag im Einsatz ist.
Thomas Zimmerer, Interim Manager CIO/CDO
Sein Tipp für geplante Tages-Workshops: Spaltet man diese in mehrere kleinere Videokonferenzen von 1-2 Stunden auf, ist dies sogar effektiver, da die Teilnehmer nicht so sehr ermüden und man zwischen den Terminen die Ergebnisse bereits einbauen kann.
Thomas Siekmann, VP IT & Digitalization Senvion Deutschland GmbH
Siekmann bietet den Senvion-Mitarbeitern im Homeoffice einen „doppelten“ Zugang zu den Ressourcen: Genutzt werden VPN-Zugänge und - parallel für viele Nutzer - VDIs auf Basis von VMWare.
Thomas Siekmann im Home Office
Er selbst setzt im Home-Office ebenfalls auf redundante Zugänge: Alle Geräte sind neben dem Wifi-Zugang auch LTE-fähig.
Dirk Altgassen, CIO bei der Etex Group
Neben der Office-365-basierten Arbeitsumgebung und diversen IT-Tools unterstützen Altgassen und sein Team das Business auch bei einem neuen „way of working“, wie zum Beispiel dem Aufsetzen „virtueller Kaffeeküchen“, in denen man sich zwischendurch trifft.
Dirk Altgassen im Home Office
Das Lieblings-Gadget des Etex-CIOs im Home Office ist sein „Jabra“.
Christian Ammer, CIO und Head of Digital Transformation bei der Kanzlei Noerr
Für Ammer hat sich im Homeoffice die Arbeit an zwei Rechnern am besten bewährt: Cloud-Tools und Remote-Apps wie Office 365 (vor allem Microsoft Teams), Dokumentenbearbeitung- und -Sharing (via Nextcloud) und den Großteil der Kommunikation (Audio und Video-Konferenzen) kann er über den eigenen Heim-PC durchführen. Über das Firmen-Notebook (per VPN oder mit Virtual Desktop) läuft nur noch ein Teil der Kommunikation via E-Mail/Outlook.
Christian Ammer im Home-Office
Sein Top-Tipp (neben einer 2-Geräte-Strategie): Audio möglichst nur per Freisprechung. Das macht die Dinge schneller, einfacher und unkomplizierter als mit Headsets und Kopfhörern zu hantieren.

Die zusätzlichen Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung müssen also auf jeden Fall dann beachtet werden, wenn ein Telearbeitsplatz im Sinne der Verordnung eingerichtet ist. Zudem müssen auch die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes oder des Datenschutzes, unabhängig vom Arbeitsort, berücksichtigt werden.

Geht die Initiative aber eher vom Mitarbeiter aus, sieht die Rechtslage etwas anders aus. "Dieser Kostenerstattungsanspruch besteht jedoch nicht, wenn der Mitarbeiter ein überwiegendes Interesse an der Tätigkeit von zuhause aus hat", schränkt Thönißen ein. Wenn also der Arbeitgeber ein Büro am Dienstsitz zur Verfügung stellt und es mit Mitarbeiter jederzeit frei steht, am Dienstsitz zu arbeiten, besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung nur, wenn dies zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter vereinbart oder Bestandteil einer kollektivrechtlichen Regelung ist. "Aus Gründen der IT-Sicherheit sollte erforderliche Hardware ohnehin nur durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden", merkt der Anwalt abschließend an.