Mit dem TouchPad bringt HP ein Gerät auf den Markt, dass sich explizit an Business-User wendet und sich damit bereits fundamental von iPad und Android-Tablets unterscheidet. Angesichts des offenkundigen Misserfolgs des Playbooks von RIM platziert sich HP im Business damit durchaus exklusiv.
Zudem lassen sowohl das iPad als auch Android-Geräte aufgrund mangelhafter oder fehlender Funktionen durchaus Platz für Phantasien nach besseren Tablet-PCs zu. Ob solche Träume sowie der Anspruch von HP der Wirklichkeit und einem Vergleich mit dem faktischen Unternehmensstandard iPad standhalten, klärt der nachfolgende Test.
Die Hardware im Vergleich
Zunächst einmal zu den Gemeinsamkeiten von HP TouchPad und iPad: Beide Geräte sind mit einer Bildschirmdiagonale von 9,7 Zoll exakt gleich groß. Auch die Bildschirmauflösung der beiden Multitouch-Geräte ist mit 1024x768 Pixeln identisch. Selbst Breite und Höhe der Geräte unterscheiden sich nur im Millimeterbereich. Allerdings ist das TouchPad mit 13,7 mm deutlich dicker als das iPad (8,8 mm) und mit 740 Gramm Lebendgewicht auch deutlich schwerer (iPad: 601 Gramm). Gerade im Dauerbetrieb fallen diese 140 Gramm durchaus "ins Gewicht", denn dann merkt man den Unterschied durchaus in den Armen.
Beide Geräte gibt es in unterschiedlichen Varianten mit WiFi und 3G-Verbindungen. Das TouchPad ist derzeit allerdings nur in der WLAN-Ausführung erhältlich.
Anders als das iPad verfügt das TouchPad über nur eine (Front-) Kamera mit einer bescheidenen Auflösung von 1,3 Megapixel. Aber damit toppt das Gerät die beiden Kameras des iPad 2 dennoch locker: Hier bietet die Frontkamera ganze 0,3 Megapixel, die Rückkamera auch nur 1,0 Megapixel. Diesen Wettstreit von Not gegen Elend gewinnt also der Herausforderer. Unverständlich ist, dass weder HP noch Apple die wesentlich besseren Kameras aus ihren Smartphones in die Tablets verbauen. Da wurde offenbar am falschen Ende gespart.
Ähnlichkeiten sind unübersehbar
Beim Prozessor liegt das TouchPad mit dem Qualcomm Snapdragon Dual-CPU und einer Taktfrequenz von 1,2 GHz leicht vor dem iPad-Herzstück, einem 1 GHz Dual-Core Apple A5 SOC (System-on-a-Chip). Beim Speicher gibt es wiederum Gleichstand: Beide Geräte gibt es sowohl mit 16 als auch mit 32 Gbyte.
Augenfälligster, weil programmatischer Unterschied bei der Hardware sind die Kommunikationsanschlüsse der Geräte. Das TouchPad kommt mit einem Micro-USB-2.0-Stecker, während das iPad auf den proprietären 30-poligen Dockanschluss setzt.
TouchPad mit USB-Anschluss leicht vorne
Das TouchPad lässt sich via USB bei jedem beliebigen Rechner als USB-Laufwerk einbinden, was den Datentransfer sehr erleichtert. Das iPad fordert immer iTunes als für den schnellen Datenaustausch gänzlich ungeeignetes Host-Programm. Damit ist das TouchPad in dieser Frage deutlich im Vorteil.
Zwischenfazit: Bei der Hardware unterscheiden sich beide Geräte nur minimal, so dass hier niemand einen echten Vorteil herausspielen kann. Bei Apple ist eine schwachbrüstige Kamera mehr an Bord, dafür zeigt sich das TouchPad wesentlich kommunikationsfreudiger im Datenverkehr. Bis hierher unentschieden.
Die Software im Vergleich
Bei der Software gibt es allerdings große Unterschiede zwischen WebOS von HP und dem iOS von Apple. WebOS hat HP im vergangenen Jahr von Palm übernommen und nun für eine ganze Reihe von Geräten angekündigt. Das System ist schon auf Smartphones und Tablet-PCs zu finden, soll aber auch auf PCs portiert werden.
iOS ist ebenfalls für Smartphones und Tablet-PCs entwickelt worden. Mit dem neuen Desktop-Betriebssystem Lion geht Apple einen ähnlichen Weg: Auch hier werden Bedien- und Funktionskonzepte vom mobilen System übernommen.
Auf den ersten Blick ist die Benutzeroberfläche der beiden Geräte nahezu identisch: Unten gibt es eine Leiste mit Standardapplikationen. Beim iPad lässt sich die ganz einfach mit weiteren Apps ergänzen. Beim TouchPad passen nur fünf Apps in die Leiste, daher muss man erst eine Anwendung von dort entfernen, bevor eine neue hineinpasst.
Die einzelnen Bildschirme sind beim iPad für die Apps reserviert. Beim TouchPad ist die Organisation etwas anders: Hier gibt es je einen Screen für Anwendungen, Downloads, Favoriten und Einstellungen. Ordner zum Platz sparenden Sortieren von Anwendungen gibt es im Unterschied zum iPad nicht.
Echtes Multitasking beim TouchPad
Bei beiden Geräten öffnen sich die Anwendungen grundsätzlich im Fullscreen-Modus. Sowohl beim TouchPad als auch beim iPad lassen sich die Apps mit Druck auf die Home-Taste schließen. Dabei gibt es dann aber den augenfälligsten Unterschied zu sehen: Beim iPad schließt man die Anwendungen über den Knopf, während man beim TouchPad die Anwendungen nur verkleinert. Das TouchPad bietet nämlich uneingeschränktes Multitasking. Mit Wischgesten kann man leicht zwischen den aktiven Anwendungen hin- und herschalten. Das iPad bietet auch so etwas wie Multitasking, allerdings längst nicht so elegant und funktional wie das HP-Gerät. Leider lassen sich aber auch beim HP TouchPad keine Daten per Drag&Drop zwischen offenen Apps hin- und herschieben. Um eine Anwendung zu beenden, schießt man sie einfach wie einen Pfeil nach oben ab.
Die Einstellungsmöglichkeiten beider Geräte sind weitgehend identisch, wenngleich mit unterschiedlichen Bedienkonzepten: Beim iPad nimmt man die Einstellungen der Apps zentral vor, beim TouchPad direkt in der Anwendung selber. Beides ist OK, und man gewöhnt sich schnell daran.
Grundausstattung reicht für wichtigste Anwendungen aus
Zur Grundausstattung gehören bei beiden Geräten ein im Vergleich zu Desktop-Programmen nur eingeschränkt nutzbarer Webbrowser (beim iPad der Apple Safari, beim TouchPad ein unbekanntes Programm). Anders als Safari beherrscht der HP-Browser Flash, was viele Seiten zugänglich macht, die iPad-Nutzern versperrt bleiben. Dazu gehören Apps für E-Mail, Kontakte, Kalender, Karten sowie Musik und Foto/Video. Die wichtigsten Anwendungen sind also bei beiden Geräten ab Werk verfügbar.
Dahinter sieht es dann allerdings sehr unterschiedlich aus: Während für das iPad nativ mehr als 100.000 und zusammen mit den iPhone-Apps sogar rund 400.000 Apps erhältlich sind, bietet der TouchPad-Store im Moment ganze 300 Apps für den Tablet-PC. Und bei dieser Zahl fehlen keine Nullen. Wenn man das mit den 70 Prozent WebOS-Apps für Smartphones auffüllt, die auf dem TouchPad laufen, kommen ein paar tausend dazu. Mit dem Überangebot an Anwendungen anderer Geräte - auch Android liegt hier weit vor WebOS - kann das TouchPad also nicht annähernd mithalten.
Und wo iPad und TouchPad nach einem Blick auf die Hardware, das Betriebssystem und die Grundausstattung noch auf Augenhöhe lagen, gerät das HP-Gerät hier deutlich ins Hintertreffen. Es wird sicherlich einer der erfolgskritischen Faktoren für das TouchPad sein, wie schnell HP und Partner hier ein repräsentatives Produktportfolio werden anbieten können.
Besonderheiten von WebOS
HP verspricht mit WebOS eine nahtlose Integration unterschiedlicher Geräte. Bei Smartphones und Tablet-PCs etwa ist es möglich, eine Bluetooth-Datenverbindung herzustellen, indem man beide Geräte aufeinander legt. Dann können zum Beispiel Bilder, URLs oder Kurznachrichten von einem Gerät auf das andere übertragen werden. In Verbundung mit einem Smartphone von HP lässt sich das TouchPad auch als Telefonzentrale inklusive Freisprecheinrichtung verwenden. Auch das zeigt, wie eng WebOS-Geräte miteinander kommunizieren. Wenn HP demnächst dann noch PCs mit WebOS auf den Markt bringt, kann man auf eine enge Integration der unterschiedlichen stationären und mobilen Geräte hoffen.
Das TouchPad im Firmenumfeld
Der CEO von HP, Léo Apotheker, hat in einer Keynote im Juni dieses Jahres erklärt, das TouchPad sei explizit mit dem Gedanken an Unternehmen im Hinterkopf entwickelt worden. Das allein unterscheidet das HP-Tablet vom iPad, denn Apple hat immer erklärt, sein Gerät sei ein "Consumer-Device". Android sei ein System für beide Welten, ohne sich namentlich als Business-Gerät zu platzieren und RIM habe genug damit zu tun, das Geschäft wieder ans Laufen zu bringen.
Für den Unternehmenseinsatz lässt das TouchPad durchaus gängige Sicherheitseinstellungen zu. Das Gerät lässt sich per PIN und zusätzlich per Passwort vor unbefugtem Zugriff schützen. Bei Verlust oder Diebstahl ist es möglich, die Daten im Gerät aus der Ferne zu löschen.
Ungefragt sichert HP Daten des TouchPads in der Cloud: "Ihr WebOS-Konto und andere persönliche Daten (einschließlich potenziell vertraulicher Daten, die bei der Verwendung des Geräts und seiner Funktionen erfasst werden) werden automatisch jeden Tag gesichert", heißt es dazu bei HP. "Diese Daten werden auf sicheren Servern gespeichert und ausschließlich zu Wiederherstellungszwecken genutzt." Mit der Unterstützung von Microsoft Exchange ActiveSync, VPN2 und Wi-Fi3 ermöglicht das TouchPad einen sicheren Zugriff auf Firmendaten und -dienste.
Da es mit dem Citrix Receiver auch ein Tool für den Fernzugriff auf Unternehmensanwendungen und -daten aus virtuellen Umgebungen gibt, kann man dem HP TouchPad wenigstens handelsübliche Sicherheitsstandards bescheinigen.
Zentrales Administrationstool fehlt
Allerdings gibt es ebensowenig wie beim iPad von Apple bisher eine zentrale Anwendung für den firmenweiten Roll-out oder die Administration der Geräte. Da genau dieser Punkt aus der Sicht der IT-Abteilungen einer der größten Hindernisse auf dem Weg zum Business-Einsatz ist, sollte HP hier dringend nachbessern.
HP TouchPad liegt mit iPad auf Augenhöhe
Neue Geräte im Tablet-PC-Markt müssen sich - zumindest im Moment noch - zwangsläufig am Marktführer messen lassen. Das TouchPad von HP liegt in vielen Dingen mit dem iPad von Apple durchaus auf Augenhöhe: Die Hardware ist in weiten Teilen identisch oder zumindest sehr ähnlich, ohne dass einer der beiden hier deutliche Vorteile für sich in Anspruch nehmen könnte. Allerdings liegt HP mit der offenen USB-Schnittstelle leicht vorne, weil sie den Datentransfer zu anderen Geräten sehr erleichtert.
Auch beim Betriebssystem kann HP mit dem echten Multitasking durchaus punkten, ohne daraus aber echtes Kapital schlagen zu können. Bei den Sicherheitsfunktionen sind beide Geräte wiederum weitgehend identisch und leiden gleichermaßen darunter, dass zentrale Administrationswerkzeuge bisher fehlen.
Einen entscheidenden Rückstand hat das HP TouchPad aber bei den Anwendungen. In Zeiten, in denen Hardware immer mehr zur Commodity wird - und das gilt auch für mobile Geräte - werden Vielzahl und -falt der Anwendungen über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Und hier muss HP dringend nachlegen, um die um den Faktor 300 höhere Zahl von Apps beim iPad schnell einholen zu können.