Oracle ist abgesprungen, andere Server-Hersteller sind nie richtig aufgesprungen. Bei Hewlett-Packard (HP) hält man aber nach außen an der einmal eingeschlagenen Linie fest: Anwendern wird für ihre business-kritischen Anwendungen mit Itanium eine eigene Plattform auf Basis von Intel-Prozessoren angeboten.
Doch die Euphorie von einst ist längst verflogen. Die Itanium-Server besetzen inzwischen nur noch eine Nische. Offiziell sollen es etwa 100.000 HP-Kunden sein, die dieser Technologie vertrauen. Die meisten von ihnen bleiben Itanium treu, weil sie Wert auf Investitionsschutz legen. Itanium-Server garantieren ihnen als Teil einer Converged-Infrastructure-Strategie von HP weiterhin Verfügbarkeit und schnelle Zugriffszeiten für Applikationen, die auf Alt-Betriebssystemen wie HP-UX, HP NonStop und OpenVMS laufen.
HP bietet dieser Klientel mit der neusten Version von Itanium-Prozessoren der Integrity-Serie 9500 Transaktionen, die laut Hersteller drei Mal schneller laufen als bisher. Dabei sollen sie 21 Prozent weniger Strom verbrauchen und den Kunden laut HP Einsparungen bei den TCO (Total Cost of Ownership) von 33 Prozent bringen. Für den Analysten Thomas Meyer von IDC sind das gute Gründe, an Itanium festzuhalten. Viele Anwender sähen derzeit keine Alternative.
So liefert das Integrity-Flaggschiff HP Superdome 2 neue Blade-Systeme, die aufgrund der Prozessorleistung und der internen Netzwerkverbindungen bisherige Hochverfügbarkeitsleistungen deutlich übertreffen. Und im Unterschied zu software-gestützter Aufteilung in virtuelle Maschinen sind sie nach wie vor in der Lage, hardware-gestützte – und damit von Haus aus sichere – Partitionierung wie zu Unix-Zeiten zu bieten.
Für solche Hochverfügbarkeitslösungen und ihre verbesserten Features gibt es zweifelsohne eine Nachfrage von Bestandskunden. Diese wollen ihre eingespielten Systeme nur dann erneuern, wenn es gar nicht mehr anders geht – eine mit IBMs Mainframe vergleichbare Situation: Auch dort steigen nur wenige aus. Zumindest solange sich der Hersteller "pro-aktiv“ um seine Basis kümmert: Neue Versionen, Erweiterungen hier und dort stehen bei Mainframe- wie bei Itanium-Systemen immer wieder auf der Tagesordnung.
HP-Manager: "Zu x86-basierter Welt wechseln"
Was hinter verschlossenen Türen gedacht und geplant wird, ist eine andere Sache. In die Zukunft blickende Strategen der Hersteller sehen durchaus, was Sache ist: Nachdem AS/400- und klassische Unix-Server angesichts der x86-Revolution zu Auslaufmodellen mutiert sind, bereitet man mancherorts still und leise radikale Veränderungen vor.
So äußerte sich der HP-Manager Scott Farrand (Vice President of Industry Standard Servers and Software) im Sommer 2012 folgendermaßen zu der Zukunft von Itanium: "Unsere zukünftige Strategie für geschäftskritische Systeme sieht vor, zu einer x86-basierten Welt zu wechseln. Es ist kein Zufall, dass sich viele Firmen von Itanium abgewendet haben, besonders Oracle.“ Erklärtes Ziel von HP, so Farrand, sei es, die bewährten Business-Critical-Funktionen der Highend-Systeme wie Itanium auf x86-Server "runterzubringen“.
Laut Farrand sollen die Highend-Systeme von Itanium-Superdome durch neue x86-Server mit Red Hat Enterprise Linux 6 als Betriebssystem abgelöst werden – der Code-Name für diese Projekt ist „Dragon Hawk“.
HP gab sich auf einer Pressekonferenz am 9. November 2012 in London betont kundenbewusst und sprach neben der Präsentation neuer "Features & Functions" für Itanium viel davon, den (Bestands-)Kunden die Wahl zu lassen, für welche Plattform sie sich letztendlich entscheiden.
Von CIO.de im Interview auf die klaren Worte von Farrand angesprochen, tat der HP-Sprecher in London zunächst so, als wüsste er von dessen Aussagen nichts. Erst als wir insistierten, meinte Mark Payne, Vice President Business Critical Systems (BCS) EMEA, man hätte seinen Kollegen falsch zitiert und die andere Seite seines Statements weggelassen: Seine Worte seien „aus dem Zusammenhang gerissen“ worden. (Wer sich selbst überzeugen will: Den O-Ton von Farrand gibt es hier.)
Wiederholte Aussage, man wolle Kunden "die Wahl lassen"
Paynes Reaktion bestätigt allerdings nur den Eindruck, den die Londoner PR-Show hinterließ: HP verschanzt sich derzeit in Sachen Itanium hinter der endlos wiederholten Aussage, man wolle den Kunden "die Wahl lassen“. Im Klartext: Man befürchtet das vorzeitige Abspringen von Unternehmen, sobald sie für ihre geschäftskritischen Anwendungen eine langfristige Alternative auf x86-Basis sehen.
Vielleicht sollte HP statt des Versteckspiels die Katze aus dem Sack lassen und die Kunden offen darüber informieren, wie weit die Transformationsüberlegungen von Itanium zu x86 schon sind.