Analysten-Kolumne

HR BPO: Mehr Angebot als Nachfrage

09.11.2005 von Katharina Grimme
Das Potenzial bei der Auslagerung von Geschäftsprozessen im Personalwesen wird von den Anbietern solcher Dienste in schillernden Farben dargestellt. Auf der Kundenseite herrscht jedoch noch viel Unklarheit und Unsicherheit über die Möglichkeiten und den Nutzen dieser innovativen Dienstleistung.

Lang etabliert, auch in Deutschland, ist die Auslagerung Gehaltsabrechnung, allerdings handelt es sich hierbei eher um einfache Bürodienste und nur selten um die Übergabe der Verantwortung (auf Basis festgelegter Service Levels) für einen gesamten Geschäftsprozess an einen externen Dienstleister. Im Falle der Datev, zum Beispiel, liegt die Prozessverantwortung beim Steuerberater, d.h. dem Kunden der Datev.

Die nebenstehende Grafik verdeutlicht, wo BPO angesiedelt ist. Allerdings sind die Grenzen schwer definierbar. Viele Anbieter schließen alle Bereiche in ihre Definition von BPO mit ein. Dies vergrößert das BPO Marktvolumen, aber erklärt sich auch dadurch, daß Basisdienste wie Gehaltsabrechnung den Anbietern als erster Einstieg beim Kunden dienen, auf dessen Basis dann höherwertigere Dienste angeboten werden. So betrieb z.B. TDS seit Januar 2003 die Gehaltsabrechnung für die Bankgesellschaft Berlin. Im Oktober 2003 wurde dieser Vertrag um Dienste wie Personalverwaltung, Rekrutierung, Beurteilung, Fortbildung und personalwirtschaftliche Beratung erweitert.

Ein kleiner, aber rasch wachsender Markt

Der Markt für die Auslagerung von Geschäftsprozessen im Personalwesen (HR BPO) ist nicht mehr brandneu, doch er erfährt gerade eine Renaissance, weil er sich nach und nach auf weitere, höherwertigere Geschäftsprozesse ausweitet – jedenfalls wenn es nach dem Willen der Anbieter geht. Tatsächlich sind erst wenige solcher umfassenden HR BPO Deals zustandegekommen.

Richtungsweisend in Deutschland sind zwei Deals: EDS-Infineon (Oktober 2003) und TDS-Bankgesellschaft Berlin (Oktober 2004). Beide umfaßen nicht nur die Gehaltsabrechnung, sondern auch Personalverwaltung und Rekrutierung für 20.000 bzw. 8.600 Mitarbeiter. Hier zeigt sich, dass eine großangelegte Auslagerung von HR Prozessen auch in einem Land mit starken Gewerkschaften und strenger Arbeitsmarktregulierung möglich ist. Der EDS Vertrag beinhaltet sogar Nearshore Komponenten: Die Gehaltsabrechnung für Infineon wird im EDS BPO Center in Ungarn ausgeführt.

Solche Referenzdeals dienen nicht allein als Katalysator für verstärktes HR BPO Wachstum, aber sie sind ein Indikator dafür, dass HR BPO auch hierzulande machbar ist – trotz der weithin als unüberwindbar wahrgenommenen Barrieren.

Nach Ovums oben aufgezeigter Definition hatte der europäische HR BPO Markt im Jahre 2004 ein Volumen von "nur“ etwa zwei Milliarden Euro. Bezeichnend ist auch die Tatsache, daß etwa zwei Drittel dieser Umsätze auf dem viel weiter entwickelten britischen Markt generiert werden. Im Gesamtkontext des Outsourcing-Marktes sind dies kleine Zahlen, jedoch wäre es ein Fehler, diesen Markt zu ignorieren, denn das langfristige Wachstums- und Kostensenkungspotenzial ist signifikant.

Ovum prognostiziert, daß der europäische HR BPO Markt in den kommenden Jahren zweistellige Wachstumsraten aufweisen wird. Während die schon etablierte Gehaltsabrechnung im einstelligen Bereich wachsen wird, werden neuere Dienste, wie die Verwaltung von Zu- und Abgängern, Mitarbeiterbewertung oder Fortbildung überdurchschnittlich wachsen.

Worin liegt der Nutzen für die Kunden?

In Zeiten der Diskussion um Kostensenkung und Fokussierung auf Kernkompetenzen steigt der Druck in vielen Unternehmensbereichen, sich mit der Möglichkeit des Auslagerns von Aktivitäten, die nicht dem Kerngeschäft zuzuordnen sind, auseinander zu setzen. Dazu gehört natürlich auch das Personalwesen.

Das meist aufgeführte Argument für HR BPO sind Kostensenkungen, die durch Automatisierung und Konsolidierung oftmals fragmentierter Systeme erreicht werden können. Einsparungen von durchschnittlich 20 Prozent können erreicht werden. Nicht zu vernachlässigen ist aber auch die Tatsache, daß HR Mitarbeiter durch die Freistellung von zeitintensiven, administrativen Tätigkeiten mehr Zeit bekommen, sich auf strategische Themen, wie Personalstrategie oder Nachfolgeplanung, zu konzentrieren.

Die nebenstehende Grafik zeigt exemplarisch, welche Prozesse sich zur Auslagerung eignen, obwohl solche Entscheidungen natürlich immer unternehmensspezifisch bewertet werden müssen. Administrative Tätigkeiten, die leicht definierbar und weitgehend standardisiert sind, können von externen Spezialisten zu niedrigeren Kosten und oft sogar mit höherer Qualität erbracht werden. Das Auslagern operativer Aktivitäten erfordert klare Definitionen, sowie eine enge, partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Outsourcer.

Strategische Prozesse bleiben in der Regel dem Inhouse Team vorbehalten, das in diesen Bereichen den Mehrwert für das Unternehmen individuell erbringt. Die Auslagerung nicht-strategischer Aktivitäten bedeutet aber mehr Zeit für diesen Bereich und somit höhere Wertschöpfung und oft auch höhere Mitarbeiterzufriedenheit.

Der Anbieterwettbewerb zieht an

Genauso wie einen potenziellen Kundenstamm braucht ein wachstumsträchtiger HR BPO Markt aber auch einen gut positionierten, fokussierten Anbietermarkt. In diesem Jahr zeigt sich, daß HR BPO ein Bereich ist, in den sowohl die großen IT Dienstleister, wie auch kleinere Spezialisten, verstärkt investieren.

SBS ist ein prominentes Beispiel. Im März 2004 schloß der Siemens IT Dienstleister eine strategische Allianz mit PwC Human Resource Services und Recruitment-Spezialist Alexander Mann, um die HR Beratung und Auslagerung in Großbritannien und Deutschland anzugehen. Bis jetzt hat diese Kooperation zwar nur wenige Früchte getragen, aber die Positionierung ist klar. Gleichermaßen setzen Wettbewerber wie Accenture, IBM, T-Systems und EDS, HR BPO auf ihre Prioritätenliste.

Wer kein HR Know-How hat, kauft dieses ein. So übernahme der US Gigant Hewitt Associates im Juni 2004 den BPO Spezialisten Exult für 900 Millionen Euro. Ziel dieser Übernahme ist es, als globaler Serviceanbieter die Gesamtpalette von der strategischen Beratung auf höchster Unternehmensebene bis zum Komplett-Outsourcing weiter Teile der Personalabteilung anbieten zu können. Hierzu zählen z.B. die Prozesse bei Gehaltsabrechnung, Rentenauszahlungen, Krankenversicherung, Weiterbildung, sowie Change Management. Ceridian, Firstdata und ADP haben ähnliche Ambitionen. Eine weitere Konsolidierung ist wahrscheinlich.

In Deutschland haben sich TDS (durch die Akquisitionen von BFD und G.o.D.) und HP (durch die Übernahme der Triaton) in führende Positionen katapultiert. Diese Entwicklungen zeigen, daß jede Nachfrage nach HR BPO von vielen Anbietern umkämpft werden wird. Das Angebot übersteigt derzeit noch die Nachfrage – und potenzielle Kunden können dies zu ihrem Vorteil nutzen.

Dr. Katharina Grimme ist die Leiterin der deutschen Ovum-Niederlassung und spezialisiert sich auf Analyse und strategische Beratung zum deutschen IT-Services/Outsourcing Markt.