Die Wogen schlagen hoch, immer noch: Von "Skandalbank" ist die Rede, vom "ramponierten Ruf", wenn es um die HSH Nordbank geht. Die Hamburger Bank hatte sich mit ausländischen Wertpapieren verspekuliert und musste 2008 infolge der Finanzkrise Belastungen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro verkraften. Daher brauchte das Geldinstitut Hilfe aus dem deutschen Finanzmarktstabilisierungsfonds.
Rund zweieinhalb Jahre später spricht Ulrich Voß vergleichsweise entspannt über die Umstrukturierung der IT. Voß kam Ende 2009 als neuer IT-Chef zu den Hamburgern, zuvor leitete er als verantwortlicher Partner die Banking Operations & IT Group bei McKinsey. Der Abschied seines Vorgängers war dramatisch: Frank Roth war im April 2009 von der HSH Nordbank angezeigt worden. Geheimnisverrat, so lautete der Vorwurf gegen den damaligen IT-Vorstand. Als die Staatsanwälte dafür keine Beweise fanden und das Verfahren gegen Roth einstellten, musste sich die Bank entschuldigen.
Voß, der anders als sein Vorgänger nicht im Vorstand sitzt, sondern als Chief Operating Officer (COO) und Generalbevollmächtigter fungiert, will sich dazu nicht äußern. Lieber spricht der 45-jährige Wirtschaftsingenieur über das aktuelle Mega-Projekt: den kompletten Umbau der IT.
Denn die HSH Nordbank will wieder eine normale Landesbank für Hamburg und Schleswig-Holstein werden. Offiziell heißt das, man wolle sich "wieder auf die Kernkompetenzen konzentrieren". Auslandsaktivitäten und bestimmte Kapitalmarktgeschäfte gibt das Institut auf. Die HSH Nordbank will sich stattdessen wieder in der Region verankern, als Partner der dortigen Wirtschaft arbeiten und sich beispielsweise in Schifffahrt und Energiebranche engagieren. Konkret bedeutet das: Das Geldinstitut wird die Bilanzsumme um etwa die Hälfte verringern.
Nach unten skalieren
Für Voß heißt das: Die IT der HSH Nordbank arbeitet parallel an zwei Aufgaben, der Restrukturierung der System- und Prozesslandschaft durch Konsolidierung und Rückbau einerseits und der Anpassung der System- und Prozesslandschaft an das neue Geschäftsmodell der Bank andererseits. Über allem schwebt stets der Rotstift des Controllers, oder, wie Voß sagt: "Business und IT haben das gemeinsame Verständnis einer strengen Kostendisziplin."
Eine eigens gegründete Restructuring Unit, die laut Plan bis 2015 tätig sein soll, erarbeitet den Fahrplan für die Verkleinerung der Bank. Zwar sitzt in dieser Unit kein IT-ler, doch Ulrich Voß hat Ansprechpartner. "Es gibt zum Beispiel ein klar definiertes Anforderungs-Management", sagt er. Die Kooperation zwischen Business und der nach wie vor zentral organisierten IT funktioniere.
2011 wird die Bank vier Produktsysteme im Kapitalmarktbereich sowie ein vollständiges Kreditsystem abschalten. Zählte die IT vor etwa zwei Jahren noch rund 460 Mitarbeiter, sind es jetzt etwa 340. Auch bei dieser Zahl wird es nicht bleiben. „Den bisherigen Abbau haben wir sozialverträglich geregelt“, betont der COO. Was noch kommt, sollte sich seiner Einschätzung nach weitgehend durch natürliche Fluktuation ergeben.
Beim Umbau der IT kommt Voß zugute, dass die HSH Nordbank Ende vorigen Jahres auf eine neue Kernbankplattform migriert ist. Über das Kernbankensystem laufen alle Basisfunktionalitäten, wie Konten oder Kredite. Die HSH Nordbank arbeitet mit einer SAP-Banking-Plattform. "Ich glaube, wir haben jetzt die umfangreichste SAP-Implementierung im Bankenbereich", sagt Voß. Er nutze jetzt die Vorteile von Standardsoftware.
"Weiter als die Deutsche Bank"
Durchaus ungewöhnlich in dieser Branche - Banken haben nicht selten Legacy-Systeme, die 30 Jahre alt sind. Laut der Studie "Softwareeinsatz bei Banken" des Münchener Marktforschers PAC vom Sommer vorigen Jahres kommt bisher nur gut jede dritte Bank (34 Prozent) ohne Eigenentwicklungen aus. In rund jedem fünften Institut (22 Prozent) beträgt der Anteil der Eigenentwicklungen mehr als 50 Prozent. Nicht ohne Stolz sagt denn auch der HSH-Nordbank-COO: "In dieser Hinsicht sind wir weiter als die Deutsche Bank." Das Geldinstitut aus Frankfurt/M. hat Ende vorigen Jahres beschlossen, ein Kernbankensystem des indischen Dienstleisters Tata Consultancy Services einzuführen.
Von der Arbeit mit SAP profitieren laut Voß auch die IT-ler, die Aufhebungsverträge mit Abfindungsregelungen unterschrieben haben. "Wer sich mit SAP-Banking auskennt, braucht sich um einen neuen Job keine Sorgen zu machen", sagt er. Seiner Erfahrung nach sind Informatiker ohnehin Leute, die mit Veränderungen klarkommen. Was nicht heißt, dass bei solchen Mega-Projekten auf ein Change-Management verzichtet werden könnte.
Bei der HSH Nordbank treffen sich jeweils zwölf bis 20 Beschäftigte zu Teamentwicklungssitzungen, in denen der Fahrplan besprochen wird. Jeder soll wissen, was von ihm erwartet wird und in welche Richtung sich die Bank entwickelt. In diesen Sitzungen können die Mitarbeiter Fragen stellen und eigene Vorschläge machen. Laut Voß besteht zudem ein guter Dialog zwischen den Spitzen aus IT und Business. Wichtig seien auch hier klare Absprachen: "Es gibt gut definierte Prozesse und ein gut definiertes Projektportfolio-Management", betont der COO.
Neuanfang mit Paul Lerbinger
Im Nachhinein kann Voß dem Schock nach der Finanzkrise durchaus heilsame Seiten abgewinnen. 2010 ist die Bank nach zwei Jahren mit Milliardenverlusten wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt. Seit März hat das Institut mit Paul Lerbinger einen neuen Vorstand. Der soll in wenigen Wochen als Nachfolger des umstrittenen Dirk Jens Nonnenmacher den Vorsitz übernehmen. Der 55-jährige Lerbinger, unbelastet von der Vorgeschichte um die Fehler der Bank, geriert sich nicht als Kapitän Holzbein. Gegenüber der Presse sagt er schon mal: "Die HSH Nordbank soll eine langweilige Bank werden." Nach den hohen Wogen der vergangenen Jahre wollen die Hanseaten jetzt wieder in ruhiges Fahrwasser.