Früher hatte Microsoft notorisch die Nase vorn, wenn es um Softwareinnovationen ging. Das ist im Zeitalter von Apple-Revolutionen und Social Media nicht mehr unbedingt der Fall. Auch nicht bei der sogenannten Social Software, die Funktionen aus dem Web 2.0 in die Mainstream-Plattformen der Anwender integriert. Die IT-Berater von Acando prüfen in einem Whitepaper die drei nach Einschätzung der Analysten von Gartner derzeit führenden Angebote in diesem Segment auf Herz und Nieren.
Der Gigant aus Redmond ist demnach lediglich Nachzügler - oder positiv formuliert: erster Verfolger des etwa gleichauf liegenden Führungsduos. "IBM und Jive führen mit Activity Streams und Social Analytics für User Generated Content einen technologischen Trend an, den Microsoft mit SharePoint 2010 bislang noch etwas verschlafen hat", fasst Studienautor Michael Kaiser seinen Befund zusammen.
Alles in allem habe Social Software ihre Pionierphase überwunden, so der Acando-Consultant weiter. Die Implementierung in Unternehmen verlaufe jedoch oft kritisch. "Gerade für kleine und mittelständische Firmen ist die Technologieentscheidung essenziell", berichtet Kaiser. "Die Lösung muss ohne viel Support aus der IT schnell einsetzbar sein und einen erkennbaren Mehrwert für die Mitarbeiter darstellen." Um Anwendern hier den Überblick zu erleichtern, hat der IT-Berater drei derzeit aktuelle Lösungen verglichen: IBM Connections 3.0.1, Jive Social Business Software 5.0 und Microsoft SharePoint Server 2010.
In den wesentlichen Basisfunktionen unterscheidet sich das Trio nur partiell. Aktualisierungen von Inhalten und Personen laufen bei SharePoint über Newsfeed, bei IBM Connections und Jive SBM via Activity Stream. E-Mail-Benachrichtigungen und die Bereitstellung von RSS Feeds sind Standard. Profile, Communities, Komponenten, Volltextsuche, gemerkte Inhalte und Tags sind in der Regel vorhanden und permanent verfügbar. Lediglich bei Microsoft ist dies teilweise von der Navigation abhängig oder eingeschränkt.
Aufbau und Teilen von Wissen in Blogs, Wikis, Lesezeichen und Dateien dürfen als ebenso selbstverständliche Kernkomponenten gelten wie das Diskutieren und Organisieren von Arbeitsabläufen. Mediengalerie, Microblog und Org-Chart bieten alle drei Lösungen als ergänzende Tools an. Bei der IBM-Software gibt es allerdings weder einen Gemeinschaftskalender noch Umfragen; bei der Anwendung von Microsoft fehlt ein Ideen-Management-Tool, bei Jive SBS gibt es das lediglich als Modul.
Zwei wichtige Unterschiede
"Auf den ersten Blick bieten die Hersteller verschiedener Lösungen jeweils ähnliche Funktionen an", heißt es zusammenfassend. Die entscheidenden Unterschiede liegen somit nicht in diesen Basisfunktionen, sondern anderswo. Autor Kaiser hebt hier vor allem Social Analytics und Activity Streams hervor. "Social Analytics werden benötigt, um der wachsenden Datenmenge Herr zu bleiben und Benutzer nicht mit für sie irrelevanten Informationen zu überfrachten", erläutert der Consultant. "Activity Streams schlagen die Brücke zwischen sozialer Zusammenarbeit und alltäglichen Arbeitsprozessen im Unternehmen."
In diesen beiden Bereichen schneidet Jive besonders gut ab. "Als Social Software sticht im direkten Vergleich Jive SBS hervor", heißt es. Mit "Jive What Matters" bei den Activity Streams und mit "Jive Genius" bei Social Analytics seien dem Anbieter besonders gute Umsetzungen von Social-Software-Funktionalitäten gelungen. Außerdem biete Jive das größte Set an integrierten Web-2.0-Komponenten. Aber bekanntlich kein Licht ohne Schatten: "Gleichwohl weist Jive eine Lücke im Umgang mit wiederkehrenden Prozessen und dynamisch zu organisierenden Aufgaben auf."
Für ein Enterprise-Umfeld hat deshalb am Ende doch IBM knapp die Nase vorn, weil Connections bessere Integrationsmöglichkeiten in bestehende Arbeitsab-läufe biete. Zudem erlaubten ausgeprägte Recherche-funktionen das schnelle Durchforsten wachsender Datenmengen ohne signifikante Einschränkungen der Produktivität. Attraktiv für Anwender ist Connections laut Acando auch wegen der Agenda, die IBM aufzeigt. Ein nächstes Release soll bald folgen, mit dem "Projekt Vulcan" ist die Vision eines Ausbaus der Analysefunktionen und einer Prozessintegration über verschiedene Systeme hinweg zudem formuliert.
Im Hinblick auf diese Perspektiven geraten Kaisers Formulierungen geradezu hymnisch. "Wirft man einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen des IBM Social Business Toolkit, lässt sich erahnen, wie Social Software in naher Zukunft den Arbeitsplatz der Benutzer revolutionieren kann", schwärmt der Consultant. Passend zu den Meldungen lassen sich Gadgets an den Activity Stream übergeben. Plötzlich sei beispielsweise denkbar: Ein Vertriebsmitarbeiter erhalte in der Übersichtsseite seiner Social Software die Meldung, dass sein Kunde soeben im Online-Shop ein bestimmtes Produkt gekauft hat; der Mitarbeiter könne nun an Ort und Stelle einen CRM-Prozess oder einen Workflow anstoßen.
Arbeitsmittel |
IBM |
Jive |
Microsoft SharePoint |
E-Mail-Clients |
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Office-Pakete |
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Windows Explorer |
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Instant Messenger |
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Content-Management -Systeme |
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Enterprise-Portale |
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Bei SharePoint fehlt noch einiges
Derart als Taktgeber kann Microsoft zurzeit nicht auftreten. Fairerweise muss man daran erinnern, dass SharePoint seit Jahren seine Kernfunktionen erfüllt und nur schrittweise mit Web-2.0-Funktionen angereichert wird. "Mit Version 2010 hat Microsoft SharePoint in die Liga der Social-Software-Plattformen gehoben", sagt Kaiser. SharePoint sei allerdings weiterhin in erster Linie ein horizontales Portal mit integriertem Content- und Dokumenten-Management, in dem soziale Funktionen noch eine untergeordnete Rolle spielen. So finde sich keine vergleichbare Implementierung eines Activity Streams im Produkt wieder. Auch die Social-Analytics-Funktionen seien nur schwach umgesetzt.
Hier stellt sich indes die Frage, ob jeder Anwender unbedingt die Avantgarde-Lösung braucht. Technisch haben nach Einschätzung Acandos vor allem IBM, aber in Teilen auch Jive die Nase vorn. In der Praxis sind die Infrastruktur, Back-End-Systeme und die Mobile-Strategie eines Unternehmens ebenso gewichtige Faktoren. Wer traditionell stark auf Microsoft-Lösungen setzt, fährt möglicherweise mit SharePoint am besten. "Wem SharePoint als Social Software nicht ausreicht, der kann seine bestehende Plattform mit Jive SBS oder IBM Connections aufwerten und so die Stärken von SharePoint mit denen einer ausgewachsenen Software koppeln", beruhigt hierzu Studienautor Kaiser. Für Java-Anwender bieten sich laut Acando indes IBM und Jive an. Auch die Unternehmensgröße und damit die zu verarbeitende Datenmenge spielten eine Rolle.
Zusammenfassend bewertet Acando die Lösungen hinsichtlich der Implementierung mit Schulnoten. Bei Benutzerfreundlichkeit erhalten IBM und Jive die Zensur "gut", Microsoft "befriedigend". Der Schulungsaufwand für Anwender sei bei IBM "sehr gering", bei Jive "gering" und bei Microsoft "mittel". Als Social Software betrachtet, bekommt Jive eine Eins, IBM eine Zwei und Microsoft nur eine Vier. Als Enterprise-Social-Software ist IBM hingegen der Primus mit der Note "sehr gut", Jive folgt mit "gut", und Microsoft kommt mit einer mittelmäßigen Drei daher.
"Neben organisatorischen Voraussetzungen und einer offenen Unternehmenskultur ist letztlich die Akzeptanz durch die Benutzer ausschlaggebend für den Erfolg einer Social-Software-Initiative", schreibt Acando. "Eine einfach verständliche Software und handliche Werkzeuge sollen ein angenehmes Nutzungserlebnis ermöglichen."
Arbeitsmittel |
IBM |
Jive |
Microsoft SharePoint |
|
|||
Übersichtsseite / Nachrichtenkanal |
Activity Stream |
Activity Stream |
Activity Stream Newsfeed |
E-Mail-Benachrichtigungen |
ja |
ja |
ja |
RSS Feeds bereitstellen |
ja |
ja |
ja |
Organisation und Zugriffe |
|||
Profile |
permanent verfügbar auf alle Kernkomponenten |
permanent verfügbar auf alle Kernkomponenten |
permanent verfügbar eingeschränkter Zugriff auf |
Communities / Subcommunities |
permanent verfügbar |
permanent verfügbar |
von Navigation abhängig |
Komponenten |
permanent verfügbar |
permanent verfügbar |
von Navigation abhängig |
Volltextsuche |
ja |
ja |
ja |
Gemerkte Inhalte |
ja |
ja |
Workaround über private Tags |
Tags |
ja |
ja, + Gruppierungen |
ja |
Kernkomponenten |
|||
Wissen aufbauen und teilen, Wikis, Lesezeichen, Dateien |
ja |
ja |
ja |
Diskussionen führen |
ja |
ja |
ja |
Arbeitsabläufe organisieren |
ja |
Aufgaben/To-Dos |
Aufgaben/To-Dos |
Ergänzende Tools |
|||
Gemeinschaftskalender |
nein |
ja |
ja |
Ideen-Management |
ja |
als Modul |
nein |
Mediengalerie |
ja |
ja |
ja |
Microblog |
ja |
ja |
ja |
Org-Chart |
ja |
ja |
ja |
Umfragen |
nein |
ja |
ja |
Social Features |
|||
Social Tagging |
ja, + Profile von Kollegen |
ja |
ja |
Änderungen/Neuigkeiten verfolgen |
Inhalte, Personen |
Inhalte, Personen |
Inhalte, Personen |
Kommentieren, empfehlen, bewerten |
kommentieren, empfehlen |
Kommentieren, empfehlen, bewerten |
kommentieren, Workaround für Empfehlungen |
Social Analytics |
ja |
ja |
rudimentär vorhanden |
Gesamtbewertung der Social-Software-Lösungen
Kategorie |
IBM |
Jive |
Microsoft SharePoint |
Benutzerfreundlichkeit |
gut |
gut |
befriedigend |
Schulungsaufwand für Endanwender |
sehr gering |
gering |
mittel |
Umsetzung als Social Software |
gut |
sehr gut |
ausreichend |
Umsetzung als Enterprise Social Software |
sehr gut |
gut |
befriedigend |