Gartner: Mobile Device Management

IBM und SAP nur zweite Geige

21.06.2012 von Werner Kurzlechner
Gartner sieht derzeit Anbieter wie MobileIron ganz vorne. Die Schwergewichte der Software- und Mobile-Branche lauern noch im Hintergrund.
MDM-Lösungen werden bald um Dokumentenmanagement ergänzt. Das meint Phillip Redman, Gartner-Analyst und Mitautor der Studie.
Foto: Gartner

Beim Mobile Device Management (MDM) ist es wie manchmal zu Beginn einer Fußballsaison, wenn unverbrauchte Überraschungsmannschaften plötzlich ganz oben in der Tabelle stehen. Der aktuelle Magic Quadrant von Gartner benennt als Top-Anbieter hinsichtlich strategischer Vision und derzeitigem Angebot durchweg wenig prominente Namen: MobileIron, AirWatch und Fiberlink rangieren ganz oben, gefolgt von Zenprise und Good Technology. Diese fünf Firmen machen die Analysten Phillip Redman, John Girard und Monica Basso als die momentanen MDM-Spitzenanbieter aus.

Klangvoller wird es erst dahinter. Als Herausforderer mit schlagkräftiger Handlungsfähigkeit ordnet Gartner SAP und Symantec ein. Als Visionäre mit kompletter Strategie machen die Analysten BoxTone und IBM aus. Überhaupt nicht mischen mit in dieser Liga Research in Motion (RIM), Microsoft, Google und BMC – zumindest noch nicht.

Allein diese Gemengelage zeigt an, dass der MDM-Markt ein recht frisch beackertes Gelände ist – mit einigen Besonderheiten, wie Gartner herausarbeitet. Dank des Smartphone- und Tablet-Booms sowie der hohen Priorität, die Mobile IT derzeit in den meisten Unternehmen hat, sind die Wachstumsraten in diesem Segment enorm. Getrieben von der Verschiebung vom sicheren Blackberry-Umfeld hin zu den beliebten iPhones und iPad beobachten die Analysten hinsichtlich Umsatz und auch Kundeninteresse die fulminantesten Zuwächse, die es bisher bei Enterprise Mobile Software gab.

20 MDM-Anbieter für den Magic Quadrant

Für MDM-Lizenzen werden in diesem Jahr laut Gartner-Prognose mehr als 500 Millionen US-Dollar weltweit ausgeben werden; 2011 waren es 350 Millionen, 2010 200 Millionen. Es lässt sich also aus Anbietersicht üppig Geld verdienen. Entsprechend drängen neue Firmen ebenso wie Software-Schwergewichte in den Markt. Mehr als 100 Anbieter tummeln sich laut Gartner mittlerweile in diesem Feld. 20 davon genügten den strengen Kriterien für den Magic Quadrant. Beispielsweise verkauften sie mehr als 75.000 Lizenzen und erwirtschafteten mindestens 1,5 Millionen Dollar allein mit MDM.

Immer mehr verschiedene Endgeräte für immer mehr Menschen: Die wachsende Heterogenität treibt den MDM-Markt derzeit massiv.
Foto: Kaspersky Lab

Treiber dieser Dynamik ist vor allem der Wandel in den mobilen Strategien der Anwender. In einem Jahr werden laut Gartner 58 Prozent der Firmen vorrangig auf iOS setzen. Nur ein Fünftel bleibe Blackberry treu, 9 Prozent spielten die Karte Android. Vorherrschend ist allerdings der Trend zur Heterogenität, also zum Support für verschiedene Betriebssysteme – umso mehr, je stärker auch Microsoft mit Windows 8 in den Mobility-Markt drängt. Die Steuerung des benötigten vielschichtigen Supports für die mobilen Endgeräte alleine via Exchange ActiveSync genügt nicht mehr wirklich den gestiegenen Ansprüchen, was logischerweise einen entscheidenden Wachstumsimpuls für MDM bedeutet.

Differenzierung für Anbieter schwierig

Dennoch ist der Markt für die Anbieter keineswegs unproblematisch, wie Gartner herausarbeitet. Und rascher Wandel ist auf mehreren Ebenen vorgezeichnet. Die Differenzierung der Anbieter werde schon alleine durch die Vorgaben der Provider mobiler Betriebssysteme erschwert, so Gartner. Apple etwa gebe strenge Richtlinien für den Device-Support vor. „Letztlich managt jeder Anbieter Apple-Geräte auf die gleiche Weise“, heißt es in der Studie. Google sei bei Android ebenso restriktiv im Vergleich zu den generösen Zeiten der RIM-Vorherrschaft.

Noch ist der MDM-Markt zu 85 Prozent auf On-Premise-Software basiert. Gartner rechnet hier mit einer wachsenden Konkurrenz durch SaaS- beziehungsweise Cloud-Angebote. Es sei zu erwarten, dass die jährlichen Kosten von derzeit schätzungsweise 60 Dollar pro Nutzer in den kommenden Jahren auf 40 Dollar sinken.

Sprunghaft verändern sich auch sonst die Ansprüche, denen MDM-Lösungen genügen müssen. Ursprünglich konnten sich die Anbieter vor allem durch Nutzerfreundlichkeit und Interface-Design positionieren, so Gartner. 2011 habe der Fokus auf der grundlegenden Sicherheit privater Endgeräte und der Durchsetzung von unternehmensinternen Regeln gelegen.

Anreicherung mit Enterprise Document Management

Neben einem Ausbau der Security-Funktionalitäten sei das aktuelle Paradigma die Anreicherung der Lösungen mit irgendeiner Form von Enterprise Document Management mit dem Ziel, das sichere Speichern und Transferieren von Firmendaten zu unterstützen.

„Je mehr mobile Endgeräte klassische PCs verdrängen, umso mehr verlangen Unternehmen von ihren MDM-Systemen Support für immer mehr Geräte, Unternehmensapplikationen und Daten – mobile Dokumentenmanagement-Systeme“, heißt es in der Studie. „Während der kommenden beiden Jahre werden wir beobachten können, wie sich MDM-Plattformen ausweiten zu Enterprise Mobile Management-Systemen (EMMS), die über die bloßen Geräte hinausgehen.“

MobileIron vorn - RIM, Microsoft, Google und BMC noch ohne Angebot

Das jedoch ist momentan noch Zukunftsmusik. Aktuell munkelt man zwar, dass RIM, Microsoft, Google und BMC die MDM-Bühne in absehbarer Zeit betreten könnten. Wie das jedoch geschehen wird, ist unklar.

Noch führt den Gartner-Quadrant mit MobileIron ein erst 2009 von Risikokapital-Investoren in Leben gerufenes Unternehmen an, das seinen Umsatz im vergangenen Jahr vervierfachen konnte. MobileIron sei gänzlich auf Enterprise Mobility Management fokussiert, so Gartner – mit dem On-Premise-Produkt Virtual Smartphone Platform (VSP) und dem Cloud-Service Connected Cloud.

Gartner lobt an MobileIron unter anderem die starken Reporting- und Dashboard-Fähigkeiten. Symptomatisch für den jungen Markt ist allerdings, dass die Analysten selbst beim Spitzenreiter massive Schwächen feststellen. Beispielsweise sei es mit den Lösungen nicht möglich, auf einem Geräte Firmenbereich und Privates zu trennen. „Im Rahmen von Bring-your-own-Device kann das die Freiheit der Nutzer einschränken, Applikationen für den privaten Gebrauch wie Dropbox herunterzuladen und auszuführen“, so Gartner.

Die StudieMagic Quadrant for Mobile Device Management Software“ ist bei Gartner erhältlich.