Sie haben noch kein Smart Meter? Sie wissen noch nicht einmal, was das ist? Wenn es nach der Bundesregierung geht, wird sich das bald ändern. Ende dieses Jahrzehnts sollen 80 Prozent der deutschen Haushalte ein Smart Meter, also einen intelligenten Stromzähler installiert haben. Doch das Ziel scheint in weiter Ferne.
Smart Meter sind Geräte, die messen, wie viel Strom im Haushalt verbraucht wird. Die Klein-Computer können künftig das durch den Zubau der erneuerbaren Energien immer stärker schwankende Stromangebot mit der Nachfrage ausbalancieren. Etwa, indem die Geräte die Waschmaschine oder den Trockner starten, wenn die Windräder oder Solaranlagen gerade viel Strom erzeugen oder der Verbrauch niedrig ist. Irgendwann sorgen sie vielleicht auch dafür, dass das Elektroauto in der Garage aufgeladen wird.
Zudem schärfen die intelligenten Zähler das Bewusstsein der Verbraucher für den Stromverbrauch und zeigen, wo im Haushalt Stromfresser stehen. Denn der Verbraucher kann minutengenau auf seinem Computer sehen, wie viel Strom er gerade verbraucht und dementsprechend sein Verhalten anpassen. Laut einer aktuellen Studie der Deutschen Energieagentur (Dena) könnte der CO2-Ausstoß durch eine Steigerung der Energieeffizienz bis 2020 um 72 Prozent reduziert werden. Damit hätte diese Maßnahme einen weit größeren Effekt als etwa der Ausbau der erneuerbaren Energien. Zudem würde man bis 2020 auf diese Weise 128 Milliarden Euro sparen.
Wegen dieses enormen Potenzials ist seit 2010 jeder Häuslebauer dazu verpflichtet, ein solches Gerät zu installieren. Doch die Politik hat die Ausarbeitung von Sicherheitsstandards verschlafen. Erst in den nächsten Wochen, mehr als zwei Jahre nach Einführung der Installationsverpflichtung, legt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ein ausgearbeitetes Schutzprofil vor, das von der EU abgesegnet werden muss.
Die wichtigsten Antworten zu Smart Metern
Was sind Smart Meter?
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Für wen sind die Smart Meter Pflicht?
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Wo liegen die Gefahren?
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Was kann alles abgelesen werden?
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Wie sieht es in anderen Ländern aus?
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Ich weiß, was du gestern im Fernsehen geschaut hast
Der Verbraucherschützer Peter Kafke sieht intelligente Stromzähler grundsätzlich positiv. "Aus Verbrauchersicht sind Smart Meter eine kluge Sache. Sie helfen, etwas über die eigenen Verbräuche zu erfahren", sagt er Handelsblatt Online. Doch der Energieexperte bei der Verbraucherzentrale Bundesverband beklagt: "Die Einführung von intelligenten Stromzählern ist ein gutes Beispiel für schlechte Politik. Smart Meter wurden per Verordnung vorgeschrieben, bevor es einen technischen Standard gab. Damit verbrennt man in der Öffentlichkeit eine solche Technologie."
Die Gefahren, die von Smart Metern ausgehen, sind nicht zu unterschätzen. Der IT-Experte Ulrich Greveler forscht seit vielen Jahren zu diesem Thema, inzwischen an der Hochschule Rhein-Waal. Im Jahr 2011 veröffentlichte er eine Aufsehen erregende Studie zur Sicherheit von Smart Metern. Greveler testete mit seinem Team an der FH Münster ein Gerät der Firma Discovergy. Es erfasste sekundengenau den Stromverbrauch - und bot damit erschreckende Möglichkeiten, den Nutzer zu überwachen.
Greveler konnte anhand der Aufzeichnungen etwa feststellen, was der Nutzer im Fernsehen schaut und ob er möglicherweise einen geklauten Film auf seinem DVD-Rekorder abspielte. Der Zugriff war wegen unzureichend gesicherter Kanäle sogar von außen möglich. Diese Sicherheitslücke hat Discovergy inzwischen zwar geschlossen. Und mit den am meisten verbreiteten Geräten ist das Ablesen des Fernsehprogramms nun auch nicht mehr möglich, da sie nur im 15-Minuten-Takt und nicht im Sekundentakt messen.
Doch auch mit diesen Geräten kann der Tagesablauf sehr exakt nachgezeichnet werden. Zum Beispiel, wann man am Morgen geduscht hat. Oder dass es am Montag beim Treffen mit Freunden etwas später geworden ist und man erst um 5 Uhr in der Früh nach Hause gekommen ist.
Im Umgang mit den diesen Daten gibt es bisher keine konkreten Regelungen. Experten kritisieren seit langem, dass die Gesetze zum Datenschutz nicht mehr der Realität gerecht werden.
Riesiges Geschäftspotenzial
"Die Hersteller haben auf Grund ihrer Wettbewerbssituation kein großes Interesse an gemeinsamen Sicherheitsstandards. Da muss die Politik eingreifen Das hätte man schon längst machen können", sagt Greveler. Mit dieser Vorgehensweise werde die Einführung des Geräts verzögert, da die Verbraucher verunsichert sind. Diese Vermutung bestätigen auch Umfragen, etwa der Ludwigs-Maximilians-Universität München (LMU). 60 Prozent der mehr als "700 überwiegend jungen und technikaffinen" Teilnehmern befürchten, dass "ihre Verbrauchsdaten nicht gänzlich vor unauthorisierten Zugriffen geschützt sind".
Tatsächlich gibt es in Deutschland bis auf wenige Pilotprojekte wie etwa "Mühlheim zählt" des Energieversorgers RWE kaum Haushalte, die einen intelligenten Strommesser installiert haben.
"Der Vorschlag des BSI ist seit 18 Monaten fertig", kritisiert Greveler. "seitdem streiten sich die verschiedenen Interessensgruppen, vor allem Energieversorger. Denen ist auf der einen Seite natürlich an hohen Sicherheitsstandards gelegen, aber auf der anderen Seite wollen sie verständlicherweise nicht, dass zu viele technische Vorgaben die Geräte verteuern".
Am 21. Dezember hat das BSI die Sicherheitsstandards zum letzten Mal den Betroffenen vorgelegt - selbst zu diesem Anlass trafen laut der Behörde noch 3.000 Kommentare ein. Dass die meisten Anmerkungen oder Einwände von den Energieversorgern kamen, lasse sich jedoch "pauschal nicht sagen", heißt es vom BSI.
Während die Interessengruppen um die Details streiten, liegen nicht nur wertvolle Sparpotenziale im Energiebereich brach. Auch den Unternehmen geht durch die Verzögerung seitens der Politik ein riesiges Geschäft durch die Lappen. Laut Bundeswirtschaftsministerium gibt es 48 Millionen Zähler in Deutschland, deren Umrüstung auf Smart Meter kostet bis zu 100 Euro. Hinzu kommen Wartungs- und Servicegebühren.
Telekommunikationsdienstleister und Energieversorger haben sich längst in Stellung gebracht, erst im Mai kündigte Vodafone an, auf dem Markt mitspielen zu wollen, die Telekom mischt ebenfalls mit. Doch solange das Vertrauen der Verbraucher fehlt, bleibt das Geschäft in der Nische.
(Quelle: Handelsblatt)