Zwei Jahre dauerte die Schonfrist: Im Sommer 2006 verkaufte der Konsumgüterkonzern Unilever die Birds Eye Iglo Gruppe an den britischen Finanzinvestor Permira. Für 24 Monate sollte die IT weiterhin von Unilever betrieben werden. Danach musste die IT des neu geschaffenen Unternehmens auf eigenen Füßen stehen. Das Management rief das Projekt "Pioneer" aus.
Der Zustand zum Zeitpunkt des Verkaufs darf als heterogen bezeichnet werden: Die IT-Landschaften der acht Länder unterstützten unterschiedliche Prozessmodelle, gekennzeichnet durch länderspezifische SAP-Systeme, die über Jahre gewachsen waren. Die Ziele von Pioneer waren ehrgeizig:
• eine Reduktion der IT-Kosten um 40 Prozent bei gleichzeitiger Erhöhung der Systemleistung,
• eine Harmonisierung und Vereinfachung der Prozesse,
• ein einheitliches SAP-System zur Unterstützung der Geschäftsprozesse in den acht Vertriebsgesellschaften der Länder, den drei Fabriken in Europa und des zentralen Supply Chain Managements,
• ein tagesaktuelles Reporting zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen und
• eine fertige Plattform für die Expansion in geographisch neue Märkte und für die Akquisition neuer Unternehmen
Nicht zuletzt um den knappen Zeitrahmen von zwei Jahren nicht zu gefährden, sollte die neue IT-Landschaft nur wenige länderspezifische Lokalisierungen haben. Aufträge an Dienstleister wurden unternehmensweit vergeben: Mit dem Aufbau der neuen IT-Infrastruktur (Server, PCs, Netze) und den Betrieb des User Help Desk beauftragte man Fujitsu. Gruppenweiter Implementierungspartner für SAP- und Non-SAP-Applikationen wurde der indische IT-Dienstleister Satyam.
Pioneer teilte sich in zwei Phasen auf. In Phase Eins wurde für alle Länder eine Prozess-Harmonisierung durchgeführt und das Projekt bis Ende April 2008 in die Länder Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Irland und Großbritannien ausgerollt. In Phase Zwei von Mai bis Ende September 2008 folgten Portugal, Österreich und Deutschland.
Im September 2007 war es an der deutschen Gesellschaft, sich in die Umsetzung von Pioneer einzuklinken. Da das Unternehmen keine eigene IT-Verantwortung hat, beauftragte Iglo Deutschland die Hamburger Akra Business Solutions GmbH mit der Projektleitung. Diese sollte das deutsche Business in der Prozess-Harmonisierung unterstützen, den Roll-out vorbereiten und schließlich Pioneer für die drei Standorte in Deutschland ausrollen.
Process Framework
Die Akra-Kollegen glichen die Geschäftsabläufe mit den neuen SAP-Prozessen ab und dokumentierten dies in einem "Process Framework". Sie planten und begleiteten anschließend Workshops, in denen die deutschen Anwender gemeinsam mit dem internationalen Implementierungsteam Lösungen für nicht im Pioneer-Umfang vorgesehene Prozesse und Funktionalitäten erarbeiteten. Beispielsweise produziert die Iglo-Fabrik am Standort Reken neben eigenen Iglo-Produkten auch Waren für andere Unternehmen. Die Rechnungsstellung hierfür erfolgte in den Altsystemen automatisch. Im neuen Prozessablauf hingegen müssen die Rechnung manuell erstellt werden.
Die einzelnen Fachabteilungen erstellten "Business Continuity" Pläne - Szenarien für den Eventualfall zur Sicherstellung einer kontinuierlichen Belieferung der Kunden.
Eine spezielle "Iglo-Herausforderung" war es, zum Integrationstest und dem anschließenden User-Acceptance-Test die Fachbereichsmitarbeiter richtig einzuplanen. In dem Unternehmen musste nicht nur die Ferienzeit, sondern auch der saisonalen Erntezeit berücksichtigt werden.
Ein besonderes Augenmerk des Projektes lag schließlich in der Anbindung der EDI-Partner. Hier galt es mit Kunden und Partnern zusammenzuarbeiten, die erstmals unter Life-Bedingungen Rechnungen per EDIFACT erhielten beziehungsweise EDIFACT-Nachrichten für Belieferungen aus dem deutschen Distributionscenter bekamen.
Jörg Schink, Geschäftsführer von Akra, hat das Projekt von Beginn an begleitet. Er betrachtet den Abschluss als Erfolg, verhehlt aber auch nicht, dass es hier und da zu "Stolpersteinen" kam. "Ein großes Problem nach dem Go-Live war beispielsweise der Übergang von Fertigware aus der Fabrik in Reken in das zentrale Tiefkühllager, welches nicht mit SAP-Software gefahren wird", berichtet er.
Im Normalfall werden die fertigen Paletten über ein Förderband aus der Fabrik in das separate Hochregallager transportiert und zeitgleich dem Lagerverwaltungsrechner über EDI-Nachricht avisiert. So wissen beide Systeme, welches Produkt sich auf welcher Palette befindet. "Dieser Prozess wurde im neuen System völlig neu gestaltet und es kam trotz intensiven Testens im Vorfeld dazu, dass eine hohe Anzahl von Paletten anonym eingelagert wurde."
Ein Spezialteam wurde gegründet und kümmerte sich einige Tage lang rund um die Uhr um dieses Problem. Mit Erfolg: Die Fehler ließen sich zurückführen auf zwei Hauptursachen: a) Handlingfehler der Anwender, die durch gezielte Trainingsmaßnahmen abgestellt werden konnten und b) Performanceprobleme, die dazu führten, dass event-gesteuerte Batchprozesse sich gegenseitig behinderten.
Zum Unternehmen:
Das Unternehmen Iglo ist spezialisiert auf den Tiefkühlmarkt in Europa. Das Unternehmen produziert, vermarktet und vertreibt Marken-Tiefkühlkost hauptsächlich über den Lebensmitteleinzelhandel. In Kontinentaleuropa werden die Produkte unter dem Markennamen "iglo", in Großbritannien und Irland unter der Marke "Birds Eye" vertrieben.
Branche |
Konsumgüter |
Zeitrahmen |
seit 2007 |
Produkte |
SAP |
Dienstleister |
Akra Business Solution |
Umfang |
Konzernweit |
Internet |
|
Ansprechpartner über 10Projects |
Jörg Schink |
Kernmärkte sind Großbritannien, Deutschland und Österreich von Birds Eye Iglo, sie erwirtschaften über 80 Prozent vom Gesamtumsatz. Das Unternehmen ist mit seiner Marke "iglo" zudem in Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Irland und Portugal tätig und seit 2009 auch in der Türkei und Russland. Die Gruppe beschäftigt über 2200 Mitarbeiter bei einem Umsatz von 1,27 Milliarden Euro im Jahr 2007.