Studie von Bain & Company

IIoT-Anbietern läuft die Zeit davon

05.01.2018 von Manfred Bremmer
Showdown im Bereich Industrial IoT aka Industrie 4.0: Einer aktuellen Studie zufolge entscheiden sich die meisten Unternehmen in den nächsten Jahren für eine IIoT-Plattform. Damit stehen Anbieter aus der IT-Branche sowie Industrie-Schwergewichte unter Druck, sich mit einer geeigneten Lösung zu positionieren.

Das Internet der Dinge (IoT) boomt. Doch wenngleich die Aufmerksamkeit der Medien vor allem vernetzte Haushaltsgeräte und Wearables betrifft, findet der Großteil des Geschehens im Unternehmens- und Industrieumfeld statt. So prognostiziert die internationale Managementberatung Bain & Company, dass der Markt für IoT-Anwendungen bis 2020 weltweit auf rund 470 Milliarden Dollar anwächst. Mit einem Umsatz von 331 Milliarden Dollar soll sich dabei das IoT-Geschäft im Unternehmensumfeld besonders stark entwickeln. Davon wiederum macht laut Bain allein der Bereich Industrie 4.0 - also Anwendungen im verarbeitenden Gewerbe - 85 Milliarden Dollar aus.

Laut Bain soll der Markt für IoT-Lösungen bis 2020 auf rund 470 Milliarden Dollar anwachsen.
Foto: Bain & Company

Noch relativ offen ist derzeit indes noch, welche der vielen IoT-Anbieter von der rasanten Entwicklung am meisten profitieren. Wie aus der aktuellen Bain-Studie "Choosing the Right Platform for the Industrial IoT" hervorgeht, haben sich die meisten der am Internet der Dinge interessierten Unternehmen noch nicht für einen Partner entschieden.

Der Befragung von rund 500 Industriekunden und 150 Technologieanbietern zufolge diskutieren mehr als 60 Prozent der Interessenten derzeit ihre Planungen in diesem Zukunftsfeld. Doch das Zeitfenster für die Auswahl des Anbieters ist eng: 2020 werden laut Umfrage bereits mehr als 60 Prozent der Firmen mit ersten Implementierungen von IoT-Lösungen begonnen haben, rund 20 Prozent installieren dann die Systeme unternehmensweit. Spätestens 2025 sind fast alle Investitionsentscheidungen gefallen.

Harter Wettbewerb im Wachstumsmarkt

Die Wahl des geeigneten IoT-Partners ist nicht einfach: Um die Gunst der Firmenkunden buhlen nicht nur die großen US-amerikanischen Cloud- und Netzwerkanbieter Amazon, Microsoft oder IBM, sondern auch Softwarekonzerne wie SAP oder Oracle, der Mischkonzern GE oder der Automatisierungsspezialist Rockwell Automation. Die deutschen Industriekonzerne Siemens und Bosch sowie Maschinenbauer wie Dürr, Trumpf und DMG Mori oder die französische Schneider Electric befinden sich ebenfalls im harten Wettbewerb um die Investitionsbudgets von Industrie, Logistik, Handel oder Gesundheitswesen.

IoT-Produkte und -Strategien der Hersteller
IoT-Produkte und -Strategien der Hersteller
Im Zukunftsmarkt des Internet of Things (IoT) bringt sich nahezu jeder große IT-Hersteller in Stellung. Manchmal ist der Marktzugang nachvollziehbar, manchmal werden auch Nebelkerzen geworfen und vorhandene Produkte umdefiniert. Wir geben einen Überblick über die Strategien der wichtigsten Player.
Microsoft
Wie über 200 andere Unternehmen war der Softwarekonzern bis vor kurzem Mitglied in der von Qualcomm initiierten Allianz AllSeen und wechselte kürzlich in die neu formierte Open Connectivity Foundation. Deren Ziel ist die Entwicklung einer einzelnen Spezifikation oder zumindest eines gemeinsamen Sets an Protokollen und Projekten für alle Typen von IoT-Geräten.
Microsoft
Auf Client-Seite fungiert Windows 10 IoT Core als mögliches Betriebssystem für industrielle Geräte. Das Beispiel zeigt ein Roboter-Kit.
Microsoft
Als Cloud-Plattform stellt Microsoft die Azure IoT-Suite bereit. Diese enthält bereits einige vorkonfigurierte Lösungen für gängige Internet-of-Things-Szenarien. Mit dem Zukauf des italienischen IoT-Startups Solair wird das Portfolio erweitert.
Amazon
Das Portfolio erstreckt sich mit AWS Greengrass bis in den Edge-Bereich. So können IoT-Devices auf lokale Ereignisse reagieren, lokal auf die von ihnen erzeugten Daten wirken können, während die Cloud weiterhin für Verwaltung, Analyse und dauerhafte Speicherung verwendet wird.
IBM
Im März 2015 hat Big Blue mitgeteilt, über die nächsten vier Jahre rund drei Milliarden Dollar in den Aufbau einer IoT-Division zu investieren. Sie soll innerhalb des Unternehmensbereichs IBM Analytics angesiedelt sein. IBM will hier neue Produkte und Services entwickeln. Im Zuge dessen wurde auch die "IBM IoT Cloud Open Platform for Industries" angekündigt, auf der Kunden und Partner branchenspezifisch IoT-Lösungen designen und umsetzen können.
Intel
Obwohl sich Intel mit seinen Ein-Prozessor-Computern "Galileo" und "Edison" im Bereich der Endgeräte für das Zeitalter von Wearables und IoT schon gut gerüstet sieht, will das Unternehmen mehr vom Kuchen. "Das Internet of Things ist ein End-to-End-Thema", sagte Doug Fisher, Vice President und General Manager von Intels Software and Services Group, zur Bekanntgabe der IoT-Strategie vor einem halben Jahr. Deren Kernbestandteil ist demnach ein Gateway-Referenzdesign, das Daten von Sensoren und anderen vernetzten IoT-Geräten sammeln, verarbeiten und übersetzen kann.
Intel
Im Zentrum der IoT-Strategie des Chipherstellers steht eine neue Generation des "Intel IoT Gateway". Auf Basis der IoT Plattform bietet Intel eine Roadmap für integrierte Hard- und Software Lösungen. Sie umfasst unter anderem API-Management, Software-Services, Data Analytics, Cloud-Konnektivität, intelligente Gateways sowie eine Produktlinie skalierbarer Prozessoren mit Intel Architektur. Ein weiterer maßgeblicher Bestandteil der Roadmap ist IT-Sicherheit.
SAP
Bei der SAP IoT-Plattform "HANA Cloud Platform for IoT" handelt es sich um eine IoT-Ausführung der HANA Cloud Platform, die um Software für das Verbinden und Managen von Devices sowie Datenintegration und -analyse erweitert wurde. Die Edition ist integriert mit SAPs bereits vorgestellten IoT-Lösungen "SAP Predictive Maintenance and Service", "SAP Connected Logistics" und "Connected Manufacturing".
Hewlett-Packard
HP hat Ende Februar 2015 seine "HP Internet of Things Platform" präsentiert. Das Unternehmen richtet sich damit an "Communications Service Providers", die in die Lage versetzt werden sollen, "Smart Device Ecosystems" zu schaffen - also in ihren Netzen große Mengen an vernetzten Produkten und Endgeräten zu verwalten und die entstehenden Daten zu analysieren.
PTC
Mit der Übernahme von ThingWorx konnte der amerikanische Softwareanbieter PTC zu Beginn vergangenen Jahres zum Kreis der vielversprechendsten Internet-of-Things-Anbieter aufschließen. Das Unternehmen bietet mit "ThingWorx" eine Plattform für die Entwicklung und Inbetriebnahme von IoT-Anwendungen in Unternehmen an.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet …

"Unternehmen müssen die Anbieter sorgfältig prüfen, um in diesem extrem fragmentierten Markt den richtigen Technologiepartner für ihr strategisch wichtiges Investment zu finden", erklärt Michael Schertler, Partner und Industrieexperte bei Bain. Die Qualität der Plattform spiele dabei eine entscheidende Rolle, da sie nicht nur Sensoren und Geräte vernetzen, sondern auch Cybersicherheit garantieren, Daten aggregieren und analysieren sowie externe und interne Weiterentwicklungen ermöglichen muss.

Hindernislauf der Industrie-Giganten

Hinzu kommt, dass sich die Anwenderunternehmen laut Bain-Studie um die Sicherheit der Systeme sorgen und entsprechend den Einbau der neuen Software in ihre bestehende Technikwelt fürchten. Viele fragten sich auch, ob ihnen das aufwendige und teure Projekt tatsächlich einen geschäftlichen Vorteil bringt.

Angesichts dieser Bedenken haben gerade die großen IoT-Pioniere Probleme, ihre Kunden mit umfassenden Lösungen zufriedenzustellen. "Alle Anbieter kündigen umfassende IoT-Plattformen an, aber die Resonanz potenzieller Kunden fällt sehr unterschiedlich aus", konstatiert Bain-Technologieexperte Dr. Hans Joachim Heider. "Kleinere Nischenanbieter mit spezialisierten Anwendungen sind häufig erfolgreicher als die großen Konzerne, die Milliarden in ihre IoT-Lösungen investieren."

Von Unternehmen besonders nachgefragte Use-Cases wie Predictive Maintenance oder Ressourcenoptimierung halten die IIoT-Anbieter bereits parat, bei anderen besteht Nachholbedarf.
Foto: Bain & Company

Dennoch haben laut Bain gerade Industriegiganten wie Siemens, Bosch oder GE gute Chancen, im boomenden IoT-Markt Fuß zu fassen, da sie das Vertrauen ihrer Kunden genießen. Die Berater empfehlen ihnen jedoch, sich mit passenden Partnern zusammenzuschließen, die ihnen Cloud-Dienste, Netzwerkservices oder Datenanalysesoftware liefern. Dabei sollten sie auch kleinere Anbieter oder Start-ups in Betracht ziehen. Zugleich müssen sie klare Prioritäten setzen und ihre Angebote aggressiv vermarkten.

Mit Partnerschaften zum Erfolg?

Wie unter anderem das Beispiel Siemens zeigt, befinden sich die Anbieter aus der Industrie dabei auf einem guten Weg. So hat der Elektronikriese erst kürzlich eine Kooperation mit der Software AG angekündigt. Im Rahmen der Partnerschaft wird der Darmstädter Softwareanbieter skalierbare Komponenten seiner Digital Business Platform auf Siemens MindSphere bereitstellen.

Auch Bosch unterhält seit längerem eine IoT-Partnerschaft mit der Software AG. Im Herbst 2017 haben sich außerdem Dürr, DMG MORI, Carl Zeiss Industrielle Messtechnik, ASM Assembly Systems und die Software Ag zusammengetan, um gemeinsam die speziell für den Maschinenbau gedachte White-Label-IIoT-Plattform Adamos ins Leben zu rufen.