Einkaufen ist leider auch mit Bezahlen verbunden. Man muss nicht nur über genügend Geld verfügen, man muss es auch dabei haben. Oder ersatzweise auf andere Weise flüssig sein. Schecks – wie noch immer in den USA – oder Kreditkarten sind eigentlich ganz passable Möglichkeiten. Und online gibt es Paypal oder andere Technologien, um mit ein paar Klicks – und nach Registrierung – seine Einkäufe erledigen zu können. Alles historisch entwickelt und funktionierend, sollte man meinen.
Im Zeitalter der Handys und Smartphones soll das alles aber nicht mehr ausreichend sein. Neue Bezahlverfahren drängen auf den Markt – präziser gesagt, einige Hersteller und Interessensgruppen versuchen das nun schon seit geraumer Zeit. Ihr gemeinsamer Ansatz: Technisch ist heute einiges möglich, was es bisher nicht gegeben hat. Doch die Vorteile gegenüber dem Status quo im leidigen Prozess des Bezahlens leuchten offenbar nicht unmittelbar ein – die Eroberung des Marktes lässt bisher auf sich warten.
Da ist zum Beispiel Itellium. Die ehemalige Karstadt-Tochter ist eine Partnerschaft mit PayPal eingegangen. Die sieht vor, dass man an einem Kassenterminal "ganz ohne Personal“ und "ganz ohne lange Wartezeiten“ mit seiner Telefon- und PIN-Nummer die im Einkaufswagen angehäuften Waren bezahlen kann. Der Kunde benutzt dazu sein vorher angelegtes PayPal-Konto, so wie es bei vielen Online-Shops bereits Usus ist, "ohne dem Händler Bankdaten preiszugeben“. Das ist auch gar nicht nötig, denn Paypal selbst hat inzwischen "Bankstatus erlangt“, wie es in einer Pressemitteilung heißt.
Worin der Vorteil gegenüber den bestehenden klassischen Bezahlverfahren beim Ladeneinkauf bestehen soll, wird nicht klar. Auch hier findet ja ein Datenaustausch zwischen Kassenterminal und Kreditorganisation statt – ohne dass der Händler selbst die Bankdaten zu Gesicht bekommt. Und das Ganze "ohne Personal“ gibt es auch schon jetzt – zum Beispiel bei einigen Filialen der Edeka-Kette Simmel. PayPal und Itellium peilen im Grunde nichts anderes an, als sich als Bankalternative beziehungsweise Zahlungsdienstleister zu etablieren. Die Realisierung dieser Geschäftsidee hängt davon ab, wie viele Retailer dabei mitmachen werden.
Angekündigt wurde die Partnerschaft zwischen Itellium und PayPal bereits im November 2011. Itellium bringt seine "marktreife“ Mobile Transaction Suite (IMTS) als alternative Bezahlplattform für die angepeilten neuen PayPal-Kunden ein: "Ziel der Partnerschaft ist es, PayPal als Bezahloption im mobilen und stationären Handel zu etablieren.“ Arnulf Keese, Geschäftsführer von PayPal Deutschland, positioniert sein Unternehmen wie folgt: "Mit der Einführung unserer neuen Bezahlplattform verbinden wir die Vertriebskanäle E-Commerce, M-Commerce und Filiale. Die IMTS bietet uns das technische Rüstzeug, die hinter diesen Vertriebswegen liegenden verschiedenen IT-Welten nahtlos miteinander zu verbinden.“ Dies sei eine "erste echte Multi-Channel-fähige Alternative zu den etablierten Bezahlmethoden“.
Hierzulande kann Itellium inzwischen einen ersten Kunden aufweisen. O-Ton Itellium: "Es ist Deutschlands größter Apple Premium Reseller, mStore. Das Unternehmen wird im mStore-Trendshop der Deutschen-Bank-Filiale Q110 in Berlin die Resonanz auf und die Akzeptanz für innovative Verkaufskonzepte für Apple-Produkte und -Zubehör über die 'PayPal QRShopping App' testen.“
Bezahlen ohne "echtes" Geld?
Ebenfalls eine Alternative zu den Banken möchte "mpass“ sein. Diese ursprünglich für Online-Shops erdachte Lösung wird von Telekom, Vodafone und O2 angeboten. Sie soll auch in den klassischen Ladengeschäften eingeführt werden. Konsumenten müssen sich vorab bei mpass registrieren und erhalten eine persönliche PIN, die sie beim Einkauf zusammen mit ihrer Mobilfunknummer in entsprechende Geräte an der Ladenkasse eingeben. Die Realität könnte dann so aussehen – O-Ton mpass: "Kurz darauf klingelt das Handy und Sie empfangen eine SMS. Die gilt es noch zu bestätigen, dann ist der Kauf abgewickelt – und er wird per Lastschriftverfahren vom Girokonto bezahlt.“
Wie die Bankalternativen unisono betonen, sei das effektiver als "nach Kleingeld wühlen“. Auf der Web-Seite von mpass werden diese Online-Shops als Kunden genannt: "Dein-Schuh-Versand“, "Kuchenkurier“ und "l’tour“. Weitere Referenzen sind: "CTO STAPIS“ (Shopsystem-Anbieter), "Rock n Shop“ (bezeichnet sich als " junger aber sehr versierter Spezial-Versender“), "mymuesli“, "texcelerate solutions“ (technischer Dienstleister) und "Atrada“ (technischer Dienstleister). Das sieht nicht gerade nach einem Durchbruch aus.
Ein weiterer konkurrierender Ansatz, der Bezahldienst Wallet von Google, beruht auf einer Kooperation mit dem Kreditkartenanbieter Mastercard und dessen System "Paypass“. Für die USA wird als Referenz das Bezahlen an Cola-Automaten genannt. Dazu schreibt die PR-Agentur "Klartext“: "Wenn Sie nun vor einem Cola-Automaten mit Paypass-Logo in den USA stehen, geben Sie im Smartphone Ihren persönlichen PIN ein und schalten damit Ihre virtuelle Kreditkarte frei. Das Smartphone kommuniziert nun über einen Funkchip mit dem Cola-Automaten. Sie bestätigen die Zahlung und erhalten Ihre Erfrischung.“ Mit Bargeld oder Kreditkarte ist es vielleicht doch einfacher, von den Roaming-Gebühren nach Deutschland und zurück ganz zu schweigen.
In Deutschland soll das kontaktlose Bezahlen mit Paypass seit Oktober in allen 446 Douglas-Parfümerien sowie 700 Filialen von Hussel, Christ, Thalia und Applerath-Cüpper möglich sein.
Angriff auf die Banken
Manche Beobachter der IT-Szene sprechen bereits von einer "Über-Digitalisierung“ der modernen Welt. In der Retail-Branche könnte es in diese Richtung gehen, wenn man sich die verschiedenen Aussagen zur "dynamischen Entwicklung bei den Bezahlsystemen“ vergegenwärtigt und sie auf ihre Umsetzung im Alltag des Handels abklopft.
Auch auf der deutschen Retail-Messe EuroCIS, die Ende Februar in Düsseldorf stattfand, war das Thema präsent. Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, sagte anlässlich der Veranstaltung: "Nicht jedes System wird sich am Markt durchsetzen, viele Angebote sind derzeit noch in einer Pilotphase oder müssen als Laborprojekt eingestuft werden. Für eine Investitionsentscheidung ist es daher oft noch zu früh, wenn nicht der unbedingte Anspruch einer Technologieführerschaft besteht.“
Tromp sprach auch von einer vorherrschenden "Girokonto-Kultur“ in Deutschland: "Im Unterschied zu Ländern ohne eine etablierte Bankenstruktur wird neuen Anbietern damit der Start in den Massenmarkt erschwert. Denn letztlich muss am Ende des Tages ein Abgleich mit dem Bankkonto stattfinden. Und dies ist nur zu den Bedingungen der Kreditwirtschaft möglich.“
Es sei deshalb wichtig, "neben den bankengetriebenen Verfahren auch bankenunabhängige Bezahlsysteme zu haben, die nicht den Wirtschaftlichkeitsanforderungen der Banken unterliegen“.
Ob eine solche Entwicklung im Interesse der Kunden wäre, sei dahingestellt. Oder muss man wirklich immer wieder das Rad neu erfinden?