Der Ratschlag "Sei ganz Du selbst" gilt mit Einschränkungen - zumindest im Berufsleben. Zu diesem Ergebnis kommen drei Wissenschaftler der britischen Universität Greenwich und der US-Universität Houston. Sie ließen mehr als 500 Personen in Fragebögen beantworten, wie sehr sie sie selbst sind - mit dem Partner, Freunden, der Familie und den Kollegen. Darüber hinaus wurden die Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Probanden abgefragt.
Im Fragebogen sollten die Umfrageteilnehmer zum Beispiel Aussagen wie "Es ist mir wichtiger ich selbst zu sein als beliebt zu sein" oder "Ich bin in den meisten Situationen authentisch" als richtig oder falsch kennzeichnen. Darüber hinaus vervollständigten sie Sätze wie "Ich teile meine wahren Gefühle mit …" oder "Wenn ich manchmal falsche Angaben zu mir mache, versuche ich damit … zu beeindrucken."
Die Studienergebnisse zeigen, dass die Probanden ihre wahren Gefühle am ehesten gegenüber dem Partner offenbaren. Dann folgen die Freunde und Eltern. Am seltensten sind die Befragten vor den Kollegen sie selbst.
Zusammenhang zwischen Aufrichtigkeit und Wohlbefinden
Dann prüften die Wissenschaftler, in welchem Zusammenhang die Aufrichtigkeit zu Wohlbefinden und Zufriedenheit steht. Die Auswertung der Fragebögen zeigt, dass das Aussprechen von Gefühlen im Privatleben dem Wohlbefinden der Befragten nicht schadet - im Gegenteil. Ist man dem Partner gegenüber ganz man selbst und spricht sich aus, steigen die Zufriedenheit mit dem Leben und das Wohlbefinden, ermittelten die Forscher.
Ganz anders verhält es sich am Arbeitsplatz, im Büro bringt Authentizität keine Zufriedenheit: Bei denjenigen die am Arbeitsplatz authentisch auftraten, konnten die Forscher kein gesteigertes Wohlbefinden feststellen. "Sollte man sich bemühen, am Arbeitsplatz man selbst zu sein?" haben die Wissenschaftler die Präsentation ihrer Forschungsergebnisse genannt. "Nicht wirklich", lautet ihre Antwort.
Tipps für den Job
"Selbsthilfe-Ratgeber empfehlen immer wieder, ganz man selbst zu sein oder seine wahren Gefühle auszudrücken - am Arbeitsplatz scheint das aber nicht zu gelten, zumindest bei unseren Probanden", sagt Studienautor Oliver Robinson. Unter manchen Umständen könne ein höfliches Lächeln oder ein taktvolles Schweigen am Arbeitsplatz förderlicher für das Wohlbefinden sein als den Kollegen zu sagen, was man wirklich denkt oder wie man sich gerade fühlt, so Robinson.
Die Forschungsergebnisse stammen von Oliver Robinson von der University of Greenwich sowie Frederick G. Lopez und Katherine Ramos von der University of Houston. Die Wissenschaftler haben ihre Forschungsergebnisse im April bei der British Psychological Society Annual Conference vorgestellt, ihr Beitrag hat den Titel "Should you bother being yourself at work? Relationships between social context, authenticity and wellbeing". Er basiert auf einer Studie, für die die Wissenschaftler 533 Probanden befragten - 240 von ihnen studieren an der Universität in Houston, die übrigen 313 sind Arbeitnehmer aus London.