Klischee ade: Wer glaubte, gerade IT-Experten wünschten sich die große Freiheit im Home Office, wird von Studien eines Besseren belehrt.
Sie sitzen mit Vorliebe in abgedunkelten Zimmern vor riesigen Bildschirmen, bestellen Pizza und trinken Cola; zu Mitmenschen nehmen sie nur Kontakt auf, wenn es sich überhaupt nicht vermeiden lässt.
So weit die Klischeevorstellung von Programmierern und anderen IT-Experten. Es stellt sich die Frage, woher dieses Bild stammt, denn mit der Realität hat es herzlich wenig zu tun. Im Gegenteil: Auf die angeblichen Freiheiten, die mit der Arbeit daheim verbunden sind, verzichten die meisten Computerworker gerne.
Mehrheit geht lieber ins Büro
Stattdessen geht der überwiegende Teil von ihnen lieber ins Büro und pflegt den Kontakt zu Kollegen. Dieses Ergebnis einer neuen US-Studie bestätigen auch HR-Experten aus Australien und Deutschland.
Aktuell hatten die Personalberater von Robert Half Technology 3300 IT-Experten in den USA dazu befragt, welchen Einfluss die Frage, ob Telearbeit möglich ist, auf die Auswahl des Arbeitgebers hat und ob sie generell lieber daheim oder im Büro arbeiten möchten.
Zehn Tabus im Home Office Wenn aus dem heimischen Büro Tele- oder Videokonferenzen geführt werden, wird der Arbeitsplatz zum öffentlichen Raum. Dementsprechend ist auch am heimischen Schreibtisch alles tabu, was unprofessionell wirken könnte.
1. Kinderlärm... stört nicht nur die Gesprächsteilnehmer, sondern signalisiert ihnen auch, dass der Heimarbeiter ihnen nicht seine volle Aufmerksamkeit widmet. Bei fest terminierten Telekonferenzen sollten die Kinder außer Hörweite sein.
2. Hundegebell oder Geräusche von anderen Haustieren.. schaden dem professionellen Image.
3. Essen während eines Meetings vermeiden! Bei Telefonen mit Stummschaltung erscheint dieser Ratschlag überflüssig, aber was, wenn der Teilnehmer mitten in einem herzhaften Bissen direkt angesprochen wird?
4. Keine Hausarbeit... während des Gesprächs erledigen – vielleicht stört die Waschmaschine im Hintergrund nicht mehr als der Fluglärm aus dem Handy des Kunden, aber der Image-Schaden ist unvergleichlich höher!
Fernseher, Radio oder sonstige Geräusche... im Hintergrund lenken ab und wirken unprofessionell.
Ein leerer Akku... ist immer ärgerlich für alle Beteiligten. Im Büro ist er obendrein peinlich.
Die private Ansage auf dem Anrufbeantworter... „Hier ist die Familie …“ ruft immer Verwirrung hervor. Deshalb sollte das Bürotelefon auch nicht kurzfristig auf den Privatanschluss weitergeleitet werden.
Nicht im Schlafanzug ... oder in der Badehose arbeiten. Ordentliche Kleidung fördert die Konzentration.
Der Arbeitsweg ist überall unbeliebt
Die wichtigsten Erkenntnisse: Drei Viertel der Befragten sagen zwar, die theoretische Möglichkeit, auch von zu Hause arbeiten zu können, sei bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers ein wichtiger Aspekt - unter anderen.
Auf der anderen Seite äußern aber ebenfalls drei Viertel der Befragten, sie möchten prinzipiell lieber im Büro als daheim arbeiten. Wichtigste Begründung ist, dass sie die Kollegialität und den persönlichen Kontakt zu anderen Mitarbeitern schätzen.
Wer dagegen lieber daheim arbeitet, wünscht sich das deshalb, weil er glaubt, so durch mehr Konzentration produktiver zu sein. An Heimarbeit wird außerdem geschätzt, dass dadurch das Pendeln wegfällt.
Interessant ist, dass diese Büro-Sehnsucht von IT-lern keine US-Spezialität ist. Im vergangenen Jahr gab es eine ähnliche Umfrage unter 1000 IT-Profis in Australien. 31 Prozent von ihnen gaben an, dass sie glauben, im Büro deutlich produktiver zu sein, lediglich 14 Prozent dagegen sagten, sie arbeiteten zu Hause besser.
Durchgeführt hatte diese Untersuchung die australische Recruiting-Firma Ambitions. Deren Chef, Andrew Cross, zu den Ergebnissen: "Viele IT-ler wollen auch deshalb ins Büro, um sichtbar zu sein. Sie haben das Gefühl, ihre Leistungen werden zu wenig gewürdigt, wenn sie zu Hause allein vor sich hin werkeln."
Arbeitsbelastung Doch am problematischsten, laut der Studie: die hohe Arbeitsbelastung. 51 Prozent der Befragten gaben dies als Stressgrund an. Deutschland liegt damit im Schnitt, auch in den anderen elf Ländern ist ein ähnlich hoher Anteil der gleichen Meinung.
Unterbesetzung Ein weitere Stressgrund: personelle Unterbesetzung. 41 Prozent der Befragten sehen das als wichtigen Grund für Stress bei der Arbeit an - ein Wert, der fast in allen Ländern ähnlich ist.
Büroklatsch Dass unangenehme Kollegen oder fieser Büroklatsch zu Stress führen kann, ist allgemein bekannt. Dementsprechend führen auch 31 Prozent der Befragten das als Stressgrund an - der Anteil derer, die das ähnlich sehen, liegen in allen anderen Ländern fast gleich hoch - außer in Brasilien: 60 Prozent der Befragten geben unangenehme Kollegen und fiesen Büroklatsch als Stressgrund an.
Chefqualitäten Wenn der Chef sich eher um sein Handicap kümmert, statt ordentlich zu führen: 28 Prozent der Befragten sind mit der Management-Fähigkeit des Chefs unglücklich. Das Unvermögen des führenden Managers, das zu Stress führt, scheint in Luxemburg relativ unbekannt zu sein - nur 11 Prozent der Befragten sind dort mit den Befragten unglücklich, in Dubai sind es gar neun Prozent.
Druck von oben Unangemessener Druck vom Chef nannten 27 Prozent der Befragten hierzulande als Stressgrund. In Brasilien sind es dagegen 44 Prozent.
Stressfrei Keinen Stress haben dagegen nur sieben Prozent der deutschen Befragten. Genauso niedrig ist der Anteil derer, die ihren aktuellen Job nicht mögen.
Verantwortung Der Personaldienstleister Robert Half hat im höheren Management nach den wichtigsten Gründen für Stress gefragt. Dabei gaben 18 Prozent der Befragten zu viel Verantwortung oder ständiges an die-Arbeit-denken auch in der Freizeit als Grund für Stress bei der Arbeit an. Nur in Tschechien können die Beschäftigten außerhalb des Arbeitsplatzes schwerer abschalten - dort gaben 28 Prozent an, dauernd an die Arbeit denken zu müssen. Anders ergeht es Luxemburg: nur fünf Prozent haben dort dieses Problem.
Erfolge mit Kollegen feiern
Nicht anders sehen das IT-ler bei uns. Christian Umbs, Director Robert Half Technology in Deutschland: "In der Tat sind der soziale Faktor und die Kollegen im Job sehr wichtig. Denn Erfolge feiert man am liebsten im Team und nicht alleine zuhause. Gleichzeitig kommuniziert man über seine Leistung und kann damit die eigene Karriere voranbringen."
Nach Ansicht von Umbs legen außerdem gerade in Deutschland viele Arbeitnehmer Wert auf die Trennung von Privatem und Beruf. Für Teleworker sei das aber schwierig. Deshalb will auch in Deutschland die Mehrheit lieber ins Büro:
"Die Ergebnisse der US-Studie unserer Kollegen decken sich größtenteils mit eigenen Erfahrungen. Bei nur etwa einem Viertel der Bewerber im IT-Umfeld ist die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, ein wichtiges oder sogar das entscheidende Kriterium bei der Jobannahme."
Gründe seien in diesem Fall die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder ein bereits genutzter Telearbeitsplatz. Und, auch hier unterscheiden sich Amerikaner und Deutsche nicht: Je weiter der Anfahrtsweg zum neuen Arbeitgeber ist, desto wichtiger ist die Home-Office-Option. "Dass man aber produktiver zu Hause arbeiten kann, wird von Bewerbern, die wir vermitteln, interessanterweise nicht genannt," sagt Christian Umbs.