In der zweiten Ausgabe der Studie der Initiative D21 "Die digitale Gesellschaft - sechs Nutzertypen im Vergleich", die unter anderen auch von Computerwoche und CIO unterstützt wurde, wird deutlich: Es gehen zwar im Vergleich zum Vorjahr mehr Menschen ins Internet, doch 63 Prozent, also knapp zwei Drittel, sind noch nicht in der digitalen Gesellschaft angekommen, wie es Robert Wieland, Geschäftsführer von TNS Infratest und Vorstand bei D21, formuliert. Für die repräsentative Studie wurden am 12. und 13. Oktober 2010 nach Zufallsverfahren 1001 telefonische Interviews geführt.
Für den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto, war "das Glas eher halbvoll als halbleer". Otto: "Die Studie zeigt, dass unsere Aktivitäten zur Erhöhung der Internetkompetenz in der Gesellschaft greifen, aber noch viel Arbeit vor uns liegt. Der Prozess hin zu einer digitalen Gesellschaft ist noch lange nicht abgeschlossen." Otto verwies auf Sicherheitsbedenken der Bürger als Hemmschuh bei der Nutzung des Internet. Die zunehmende Verbreitung von Smartphones und Tablet PCs würde allerdings die Internetnutzung weiter fördern.
Unklar blieb bei der Pressekonferenz in Berlin zunächst, durch welche Maßnahmen in Zukunft die Digitale Spaltung verkleinert werden kann. Otto nannte die Initiative seines Hauses "Internet erfahren", deren Angebote jedoch bereits bis 2011 ausgebucht sind. Das D21-Vorstandsmitglied Ulrich Hermann, der auf der Pressekonferenz nicht anwesend war, sagte laut Pressemitteilung: "Das Bildungssystem steht hier in der Verantwortung, allen Bevölkerungsschichten maßgeschneiderte Angebote bereitzustellen und die digitalen Medien als selbstverständliches Lernwerkzeug in die Wissensvermittlung zu integrieren." Das Internet sei im Bildungssektor "immer noch kein Thema". Warum das so sei, bleibe jedoch "ein Geheimnis der Politik".
Im Großen und Ganzen sei die Entwicklung zwar erfreulich, aber dennoch entwicklungsfähig, so das Fazit der Studienmacher. Die Ergebnisse im Einzelnen: Inzwischen seien über ein Drittel (37 Prozent) der deutschen Bevölkerung in der digitalen Alltagswelt angekommen. Die Zunahme von neun Prozentpunkten gegenüber 2009 bei den so genannten "Trendnutzern" habe diese Entwicklung möglich gemacht.
Noch immer sei allerdings die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung nicht Teil der digitalen Gesellschaft. Sowohl zu den "Digitalen Außenseitern" als auch den "Gelegenheitsnutzern" zählen die Studienmacher demnach 28 Prozent der Bevölkerung. Werden die "Berufsnutzer" (7 Prozent) noch hinzugenommen, seien insgesamt 63 Prozent unserer Gesellschaft „nicht oder wenig souverän" im Umgang mit der digitalen Technik und ihren Medien.
Der digitale Graben in Deutschland verringert sich nur wenig
Wo der digitale Graben in Deutschland verläuft, wollen die Studienautoren anhand von Internetnutzerklassen deutlich machen:
Digitale Außenseiter: 28 Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung (2009: 35 Prozent)
Die digitalen Außenseiter sind laut Studie - gemeinsam mit den Gelegenheitsnutzern - die größte und gleichzeitig mit einem Durchschnittsalter von 64,9 Jahren die älteste Gruppe. Auch wenn ihr Anteil im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozentpunkte sank, haben die verbliebenen digitalen Außenseiter nun ein noch geringeres Potenzial und noch eingeschränktere Nutzungsmuster als im Vorjahr. Auch Kompetenzen und Wissensstand um die digitale Welt seien besorgniserregend. So können nur zwölf Prozent einen Brief am Computer schreiben, und selbst unter Begriffen wie E-Mail oder Homepage können sich nur die wenigsten etwas vorstellen.
Gelegenheitsnutzer: 28 Prozent (2009: 30 Prozent)
Beinahe unverändert ist laut Studie der Anteil der Gelegenheitsnutzer. Die digitalen Möglichkeiten werden von dieser Gruppe nur spärlich genutzt. In der Regel verfügen sie aber zumindest über einen Computer und einen Drucker im eigenen Haushalt. Entsprechend hat die Mehrheit dieser Nutzergruppe Basiskompetenzen in Internetrecherche und Textverarbeitung. Bei der Nutzungsvielfalt beschränken sich die Gelegenheitsnutzer allerdings meist nur auf E-Mail, Internetsuche und Textverarbeitung.
Berufsnutzer: Sieben Prozent (2009: neun Prozent)
Im Vergleich zu den Gelegenheitsnutzern habendie Berufsnutzer eine deutlich bessere digitale Infrastruktur am Arbeitsplatz. In Sachen Kompetenzen übertreffen die Berufsnutzer die vorherigen Gruppen deutlich. Fast 80 Prozent der Berufsnutzer verbringen aus beruflichen Gründen zwei oder mehr Stunden vor dem Computer. Die Nutzungsvielfalt beschränkt sich dabei hauptsächlich auf nützliche Anwendungen wie E-Mail, Textverarbeitung und Internet-Recherche.
Trendnutzer: 20 Prozent (2009: elf Prozent)
Die Trendnutzer haben laut Studie mit neun Prozentpunkten das größte Wachstum aller Gruppen im Vergleich zum Vorjahr. Sie sind privat sehr gut mit digitaler Technik ausgestattet und verfügen vollständig über einen Internetzugang. Zudem ist mit 57 Prozent der Trend zur mobilen Internetnutzung gerade bei dieser Gruppe stark ausgeprägt. Mit wenigen Ausnahmen verfügen Trendnutzer über umfassende Kompetenzen über die digitale Welt. Insgesamt gehen die Trendnutzer spielerisch und ohne große Verlustängste an die digitalen Themen heran.
Digitale Profis: Zwölf Prozent (2009: zwölf Prozent)
Sowohl zu Hause als auch im Büro verfügen die digitalen Profis der Studie zufolge über eine hervorragende digitale Infrastruktur. Darüber hinaus haben sie sich umfangreiche Kompetenzen und professionelle Fähigkeiten angeeignet. Über beinahe alle Fachbegriffen verfügen sie über eine sehr klare Vorstellung. Entsprechend werden sie im Familien- und Bekanntenkreis gerne um Rat in Sachen digitaler Technik gebeten. Die Zeit vor dem Computer verbringen sie eher rational als mit Unterhaltung.
Digitale Avantgarde: Fünf Prozent (2009: drei Prozent)
Ein kleiner aber wachsender Teil der Bevölkerung zählt laut Studie zur digitalen Avantgarde. Sie verfügt über die beste digitale Infrastruktur aller Gruppen. Auffallend hoch ist darüber hinaus die mobile und geschäftliche Internetnutzung. Mit ihrer hohen Kompetenz in der digitalen Technik bildet diese Nutzergruppe die Spitze der Gesellschaft. Angeeignet haben sie sich diese auch durch die beinahe zehn Stunden, die sie im Durchschnitt täglich vor dem Computer verbringen.
Konzentration auf relevante Webseiten
Beim Sonderthema "Social Media-Sites" ging es um die Nutzung von YouTube, Facebook oder Xing. Während knapp 80 Prozent der digital Souveränen Social-Media-Sites nutzen, sind lediglich 29 Prozent der digital wenig Erreichten im Social Web unterwegs. Dabei gibt es eine Konzentration auf wenige relevante Webseiten des sozialen Internets in beiden Gruppen. Aber auch die Firmen haben wohl noch Nachholbedarf bei ihren Angeboten. York von Heimburg, Vorstand der IDG Communications Media AG, die auch CIO herausgibt, schreibt dazu im Vorwort: "Überraschenderweise haben bislang relativ wenige Unternehmen und Institutionen die neue Möglichkeiten des direkten Dialogs für sich entdeckt." Demnach blieben viele Kommunikationschancen ungenutzt.
Unter den Adressen www.digitale-gesellschaft.info oder www.tns-infratest.com/presse kann man sich die Studie "Digitale Gesellschaft in Deutschland - Sechs Nutzertypen im Vergleich" kostenlos herunterladen.