Ich werde häufig gefragt, worauf es denn ankommt, um in der digitalen Geschäftswelt zu bestehen. Meine Antwort ist einfach: Daten. Sie bilden die Grundlage für neue Prozesse, auf denen Unternehmen innovative Geschäftsmodelle aufbauen. Egal ob mobile App, E-Commerce-Anwendung oder vernetzte Produktion: Daten sind in der digitalen Ära das neue Öl, welches bisher das industrielle Zeitalter befeuert hat.
Soweit so bekannt. Worin liegt nun die Herausforderung? Sie liegt nicht in der Verfügbarkeit oder der Menge von Daten, davon haben alle Unternehmen reichlich. Sie liegt auch nicht in der Verarbeitungskapazität moderner Technologien, die sich nach dem Moore'schen Gesetz alle 18 Monate verdoppelt.
Der zentrale Aspekt, der über das Funktionieren eines digitalen Geschäftsmodells entscheidet, ist die Qualität der Daten. So wie qualitativ schlechter oder falscher Treibstoff einen Verbrennungsmotor irreparabel ruinieren kann, können auch qualitativ schlechte Daten in der digitalen Wirtschaft ein Unternehmen ruinieren.
Drei Eigenschaften qualitativ hochwertiger Daten
Daten sind dann "qualitativ gut", wenn sie vereinfacht dargestellt
korrekt,
detailliert
und aktuell sind.
Unternehmen, die ihr digitales Geschäftsmodell auf Daten aufbauen, die alle drei Eigenschaften auf einmal erfüllen, werden in der Kundenwahrnehmung überlegene Produkte beziehungsweise Services anbieten. Sie sind in der Lage, spontan auf geänderte Kundenbedürfnisse zu reagieren und passende Angebote zu unterbreiten. Sie zeichnen sich durch eine große Nähe zu ihren Kunden aus und wissen sehr genau, was diese wünschen - oft sogar im Voraus. Sie können viele ihrer Leistungen effizient, kundenindividuell und weitestgehend automatisiert erstellen. Damit erwirtschaften Sie mehr Umsatz und sind deutlich profitabler als ihre Wettbewerber.
Die Realität: kultivierter Datensumpf
In der Realität gibt es nahezu kein Unternehmen, in dem alle drei Eigenschaften für alle Daten gleichzeitig erfüllt sind. Und das obwohl die meisten sehr viel Geld in die Verbesserung der Datenqualität oder die Auswertung großer Datenmengen mittels analytischer Big-Data-Lösungen investieren. Woran liegt das?
Praktisch alle Daten in einem Unternehmen werden redundant, also mehrfach vorgehalten. Untersuchungen von IDC bei Unternehmen zwischen 1.000 und 10.000 Mitarbeitern haben ergeben, dass Originaldaten in bis zu 27 verschiedenen Datentöpfen gehalten und von jedem dieser Datentöpfe durchschnittlich 13 Kopien erstellt werden (Quelle: IDC white paper #259143 "Common gaps in data control", Sept. 2015). Es gibt einige wenige Fälle in denen eine redundante Daatenhaltung sinnvoll ist, zum Beispiel aus Sicherheitsgründen oder zu Testzwecken. In den allermeisten Fällen jedoch sind diese Redundanzen Folge eines über 30 Jahre alten IT-Paradigmas, nämlich der Client-Server-Architektur. Jeder einzelnen Anwendung wird ein eigener, exklusiver Datentopf zugestanden. Der Austausch von Daten zwischen Anwendungen findet über Schnittstellen statt, die zumeist asynchron, also zeitversetzt arbeiten.
Redundante Daten sind teuer
Der auffälligste Nachteil von Redundanz ist ein ungeheures Aufblähen der IT-Landschaften, denn alle diese Kopien müssen ja gespeichert, verwaltet und verteilt werden. Die daraus entstehende Komplexität frisst heute einen Großteil der IT-Budgets.
Viel schlimmer jedoch: Es ist nahezu unmöglich, mehrfach asynchron kopierte Daten über einen längeren Zeitraum konsistent zu halten. Wenn also eine kundenkritische Anwendung, zum Beispiel eine mobile App, mit kopierten Daten arbeitet, so ist es für diese Anwendung unmöglich nachzuvollziehen, wo diese Daten herkommen, ob sie korrekt und wie aktuell sie sind. Dazu kommt, dass aus technischen Gründen Daten zwischen Systemen in der Praxis nicht vollständig ausgetauscht werden. Dazu ist die Datenmenge einfach viel zu groß. Das wiederum führt dazu, dass das System, das mit Daten versorgt wird, nur einen Ausschnitt der Daten erhält oder diese durch Filterung, Aggregation, Segmentierung und ähnlichen Maßnahmen verändert wurden und damit weniger Details enthalten.
Mit anderen Worten: Bei jeder Kopie von Daten gehen Informationen verloren. Und mit jeder Kopie einer Kopie (einer Kopie, einer Kopie, …) wird das Problem größer.
Redundante Daten sind schlecht für das Geschäft
Die Folgen für Unternehmen können verheerend sein, wie Praxisbeispiele belegen:
Ein Automobilhersteller kann das Fahrzeug eines Kunden nicht termingerecht reparieren, weil wichtige Informationen zum Reparaturvorgang nicht korrekt sind und ein benötigtes Ersatzteil fehlt. Der Kunde bekommt einen Ersatzwagen und ist verärgert, weil er unnötig viel Zeit opfern muss. Er denkt über einen Wechsel der Marke nach.
Eine Supermarktkette bietet einigen seiner treuesten und umsatzstärksten Kunden seit vielen Jahren immer wieder rabattierte Hygieneartikel für Babys an, obwohl deren Kinder längst dem Babyalter entwachsen sind und lange keine entsprechende Käufe mehr getätigt wurden. Die Kunden fühlen sich missachtet, hinterlassen kritische Kommentare in den sozialen Medien und kaufen schließlich woanders ein.
Ein Finanzinstitut ist nicht in der Lage, den von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geforderten Herkunftsnachweis von risikorelevanten Kennzahlen lückenlos und automatisiert zu erstellen. Die Folge sind zum Teil unvollständige Berichte trotz extrem hoher Kosten für manuelle Arbeiten.
Die Liste lässt sich beliebig in allen Branchen fortsetzen. Das Bedrohliche hieran für etablierte Unternehmen ist, dass es Wettbewerber gibt, die es in der Wahrnehmung der Kunden besser können. Sie heißen zum Beispiel Amazon, Apple, Google oder Tesla.
Der Weg zum digitalen Unternehmen: Abbau von Redundanzen
Das Idealbild eines digitalen Unternehmens baut auf einem zentralen Datenpool auf, in dem Informationen redundanzfrei und in höchstmöglicher Detailschärfe gespeichert sind. Alle Anwendungen greifen in Echtzeit direkt darauf zu, Schnittstellen zur Datenversorgung isolierter Silos gibt es nicht mehr. Jede Anwendung verfügt zu jeder Zeit über Daten, die die oben genannten Qualitätseigenschaften erfüllen. Als willkommener Nebeneffekt weist diese IT-Landschaft eine deutlich geringere Komplexität auf und bindet dadurch viel weniger Ressourcen - sowohl in Bezug auf Geld und Zeit, als auch auf das notwendige Know-how.
Fünf Maßnahmen für eine bessere Datenhaltung
Diese fünf Dinge sollten Sie tun, um Schritt für Schritt zum redundanzfreien, digitalen Unternehmen zu werden:
Ändern Sie das IT-Architekturparadigma
Das Mantra in der digitalen Welt lautet: zentrale Datenhaltung, dezentrale Anwendungslogik. Zentrale Datenhaltung bedeutet hierbei, dass Sie einen großen logischen Datenpool vorhalten, den Sie mit einer sehr begrenzten Anzahl an technologischen Lösungen implementieren.Schalten Sie doppelte Anwendungen ab
Konsolidieren Sie Ihre Anwendungslandschaft und integrieren sie isolierte Individualentwicklungen soweit wie möglich in bestehende Lösungen oder lösen Sie sie durch Standardsoftware ab.Konsolidieren Sie Datenbanken
Reduzieren Sie die Zahl unterschiedlicher Technologien und fassen Sie Datentöpfe soweit wie möglich zusammen. Lassen Sie mehrere Anwendungen mit einer einzigen Datenbank arbeiten. Auf diese Art reduzieren sie auch die Anzahl der Schnittstellen.Vermeiden Sie den Aufbau neuer Redundanzen
Misstrauen Sie jeder Lösung, die Ihnen als Antwort auf aktuelle Herausforderungen den Aufbau neuer Redundanzen empfiehlt. Das betrifft zum Beispiel fast alle gängigen Big-Data-Lösungen. Fordern Sie von den Anbietern, dass sie für jede Einführung eines neuen Datentopfes mindestens zwei bestehende ersetzen müssen.Passen Sie Ihre Organisationsprinzipien an
Als Folge der neuen Ausrichtung Ihres Unternehmens hin zu einer zentralen Datenhaltung müssen Sie auch Ihre Organisationsprinzipien ändern. Organisationseinheiten sind nicht länger Verwalter von Datensilos, sondern Gestalter von Prozessdomänen. Die Unternehmensdaten gehören allen.