Jeden Tag werden vier Milliarden Videos in Youtube angesehen. Und Facebook hat inzwischen 850 Millionen Nutzer, die täglich zehn Milliarden Minuten lang Seiten des weltgrößten sozialen Netzwerks lesen. Dass hier eine hohe Reichweite für die Kundenansprache zu erzielen ist, das ist nachvollziehbar. Viele Unternehmen sehen das auch und weiten ihre Social-Media-Aktivitäten deutlich aus.
Doch sie bleiben auf das Marketing fokussiert und weiten ihr Engagement nicht darüber hinaus aus. Dabei reicht das wirtschaftliche Potenzial von Social Media deutlich weiter. Und die Unternehmen wissen das auch: Nur fünf Prozent glauben, das Potenzial der sozialen Medien bereits voll auszureizen. Und gut 70 Prozent sehen das Gewinnpotenzial, können es aber momentan noch nicht abschöpfen. Das zeigt die Unternehmensberatung McKinsey in ihrer Studie "Turning buzz into gold", welche die Nutzung sozialer Netzwerke, Wikis und Blogs aus Unternehmenssicht analysiert.
Unerfahrenheit als größtes Hindernis
Die Studie zählt Unerfahrenheit und fehlende Fähigkeiten zu den größten Hindernissen im Umgang mit Social Media. Auch mangelt es oft an Ressourcen und einer Integration mit anderen Aktivitäten. Eine weitere Ursache für den zaghaften Umgang mit Social Media sei die Scheu vor den Risiken wie etwa die so genannten "Shitstorms".
Wie sich diese Hindernisse bewältigen lassen, das zeigen die sogenannten Social-Media-Vorreiter, die die Autoren in ihrer Studie identifiziert haben. Diese setzen die Tools bereits in vielen Unternehmensbereichen erfolgreich ein und bauen ihre Strategie anhand von fünf Feldern auf.
1. Zuhören
Ein Unternehmen sollte wissen, wie seine Kunden über die Marke sprechen. Daher ist Monitoring die Grundlage einer jeden Social-Media-Initiative. Das Monitoring sollte detailliert erfassen, wie Nutzer ihre Meinung auf Blogs, Twitter, Bewertungsseiten und Foren äußern.
In großen Unternehmen kann hierbei eine enorme Menge an Informationen zusammenkommen. Daher ist eine zentrale Stelle erforderlich, die die Online-Konversationen misst, mit den Kunden in Kontakt tritt und die Erkenntnisse auch innerhalb des Unternehmens kommuniziert.
Wie wichtig es ist zu wissen, was die Kunden denken, dokumentieren die Studienautoren anhand des Beispiels eines Telekommunikationsunternehmens. Das Unternehmen hatte den Effekt verschiedener Werbekanäle analysiert und konnte nachweisen, dass 8,5 Prozent der Neukunden über den TV-Kanal kamen. Aber: Fast genauso viele mögliche Kunden wurden durch negative Meinungen in sozialen Medien abgeschreckt.
Beim Monitoring kann jedoch nur mit guten Ergebnissen rechnen, wer seine Fragen und Keywords kennt. Dazu bedarf es eines klaren Konzepts und einer guten Strategie.
2. Strategiefindung
McKinsey hat die Strategie als ein wesentliches Kennzeichen der Vorreiter identifiziert: 75 Prozent der Vorreiter betrachten Social Media als strategisches Thema und arbeiten ihre Strategie detailliert aus. Diese umfasst dann alle aktiven Plattformen und knüpft spezielle Richtlinien an ihren Umgang, der die Mitarbeiter einbindet.
Um erforderliche Veränderungen in Strategie und Kultur des Unternehmens firmenintern durchzusetzen, ist laut Studie ein Social-Media-Enthusiast im Topmanagement notwendig. In 44 Prozent der befragten Unternehmen ist das Thema personell im Vorstand verankert. Bei den Vorreitern sind es über 60 Prozent.
Bezüglich der Strategie gibt es unter den Vorreitern eine interessante Gruppe. Die meisten Vorreiter sind schon ein, zwei Jahre oder länger im Bereich Social Media aktiv. McKinsey hat jedoch darüber hinaus Unternehmen identifiziert, die erst weniger als ein Jahr aktiv sind, und dennoch bereits alle Merkmale der Vorreiter ausgearbeitet haben. Ein genauer Blick zeigt, mit welchem Ansatz diese Unternehmen so zügig starten können: Sie fokussieren auf wenige Applikationen und eine gute Messung.
Zudem sehen die Vorreiter Social Media nicht als separates Silo, das nur im Marketing eingesetzt wird. Sie integrieren Social Media in ihre Unternehmensstrategie und rollen es in sämtlichen relevanten Anwendungsbereichen im Unternehmen aus.
3. Socialize: Integration im gesamten Unternehmen
Während 70 Prozent der Unternehmen Social Media als Marketinginstrument nutzen, setzen es nur knapp die Hälfte in der externen Kommunikation, in der Produktentwicklung oder im Kundenservice ein. Damit schöpfen viele Firmen in Deutschland die Möglichkeiten von Social Media bisher nur unzureichend aus.
Um Talente zu sichten und zu rekrutieren, nutzen gerade einmal ein Drittel der Unternehmen Tools wie Xing, LinkedIn, Facebook oder Twitter. Dies ist laut Studienautoren umso bemerkenswerter, als der Nutzen dieser Instrumente von den Befragten deutlich höher eingeschätzt werde als der von reinen Marketinganwendungen.
Das kleinste Anwendungsfeld für soziale Medien bildet derzeit der interne Wissensaustausch: Nur ein Drittel der deutschen Unternehmen fördert die Kommunikation unter den Mitarbeitern mit Wikis, Blogs oder fachlichen Diskussionsforen. Dabei sind diese Modelle laut Studie sehr nützlich für eine effiziente interne Zusammenarbeit.
Ein kanadischer Einzelhändler beispielsweise konnte den Zeitaufwand für das Bestandsmanagement in einer Filiale drastisch reduzieren, indem er für die interne Kommunikation zusätzlich Social-Media-Tools einsetzte. Die Ersparnis resultiert laut McKinsey daher, dass man auf das Wissen aller Kollegen gesetzt hatte. So reduzierte sich bei der jährlichen Inventur die Zahl der verschickten Nachrichten von ein- bis zweihundert auf vier bis fünf - ein Rückgang von 96 Prozent.
Unabhängig von der Breite der Einsatzgebiete messen viele Unternehmen - selbst unter den Vorreitern - heute noch nicht, welchen wirtschaftlichen Wert soziale Medien generieren. So sind bisher eher Überzeugungen als nachgewiesene Effekte die treibende Kraft. Daher gilt es, Messgrößen für Social Media einzuführen, um den Erfolg nachweisen zu können.
4. Measure
Nur 20 Prozent der befragten Unternehmen messen heute, welchen wirtschaftlichen Wert sie aus dem Einsatz von sozialen Medien generieren. Das verwundert wenig, denn KPIs sowie Messinstrumente sind noch unausgereift, und es fehlen verlässliche Benchmarks. Oft hängt die Messmethodik stark von der Art der Social-Media-Aktivität ab.
McKinsey hat hierzu ein dreistufiges Messverfahren entwickelt: Eine Scorecard dient als Basis. Sie misst die Reichweite der eigenen Beiträge, das User-Engagement und die Stimmungslage der Diskussionen. Business Cases helfen dann, den Wert von Social-Media-Kampagnen und -Plattformen zu ermitteln. Darüber hinaus hat McKinsey die von traditionellen Medien bekannten Gross Rating Points (GRP) adaptiert, die eine einheitliche Messgröße für die Social-Media-Performance sind, und eine Metrik erstellt, die den Einfluss sozialer Medien auf den Geschäftserfolg abbilden soll.
Mit diesen Methoden lässt sich etwa die Wirkung von Kampagnen erfassen. So hat Procter & Gamble 2010 eine Social-Media-Kampagne gestartet und parallel sowohl den Social-Media-Buzz als auch die Umsatzentwicklung gemessen. Solch intensive Messung ist eine wichtige Grundlage, um die Wirkung und Breite von Social-Media-Aktivitäten erfassen zu können und eine nachhaltige Social-Media-Organisation im Unternehmen zu formen.
5. Organize
Die Schaffung einer integrierten und schlagkräftigen Social-Media-Funktion im Unternehmen beruht auf mehreren Säulen. So bilden ein dediziertes Budget und Personal die Grundlagen, um die Maßnahmen zu steuern sowie auf individuelle Bedürfnisse abzustimmen. Immerhin hat die Hälfte der befragten Unternehmen ein Budget dafür, das von 2010 auf 2011 deutlich gewachsen ist.
Von den Vorreitern haben 70 Prozent ein eigenes Budget, jedoch werden selbst hier laut Studie Social-Media-Aktivitäten aus den Etats etwa von Marketing und Produktentwicklung mitfinanziert. Auch setzen 66 Prozent der befragten Unternehmen fest zugeordnete, spezialisierte Mitarbeiter ein - bei den Vorreitern sind es 94 Prozent.
Mit so einem Team und so einer fundierten Strategie kann man schließlich auch die Empörungswellen der so genannten "Shitstorms" professionell handhaben. Als Beispiel zieht die Studie von McKinsey eine Kampagne der ING Diba heran. Nach der Veröffentlichung eines Werbespots, in dem Dirk Nowitzki eine Scheibe Wurst isst, kritisierten Vegetarier die Bank auf deren Facebook-Seite und traten damit eine heftige Diskussion los. Wie die ING Diba die Kritik der Vegetarier professionell entschärfte und weitere drei Unternehmen Shitstorms mit Bravour gemeistert haben, verrät die Studie ebenfalls, die zum Download bereitsteht.