Steuerung von IT-Dienstleistern

In 6 Schritten zum erfolgreichen Multi-Providermanagement

18.04.2016 von Carsten Bließen
Spezialisierte Provider haben viele Vorteile. Sie sind nicht nur effizienter als Outsourcing-Generalisten, sondern auch viel flexibler einsetzbar. Die Koordination verschiedener Dienstleister stellt allerdings auch hohe Anforderungen an das Providermanagement.
Das Management vieler Provider stellt IT-Organisationen vor besondere Herausforderungen.
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Die Zeit der großen Outsourcing-Projekte scheint vorbei. Das Risiko langjähriger Bindungen an den "Alles aus einer Hand"-Anbieter möchten die meisten Verantwortlichen heute nicht mehr eingehen. Gleichzeitig steigt der Trend zum Ausgliedern von IT-Services nach wie vor weiter an. Auch setzt sich die Überzeugung durch, dass ein einziger Anbieter nicht alle Bereiche in der gewünschten Tiefe und Qualität bedienen kann. Heute wird deshalb meist dem spezialisierten Provider der Vorzug gegeben.

Ein solches Vorgehen bietet auf der einen Seite wesentlich mehr Flexibilität und bessere Ergebnisse, erfordert auf der anderen Seite aber ein hohes Maß an Koordinations- und Steuerungskompetenz im Providermanagement. Wer hier nicht gut vorbereitet ist, läuft schnell Gefahr die Übersicht zu verlieren. Die Folgen sind häufig höhere Kosten als geplant. Ebenso passiert es schnell, dass belastbare Informationen für fundierte Entscheidungen im IT-Betrieb nicht zur Verfügung stehen, Verzögerungen oder Ausfälle können das Ergebnis sein. Wir zeigen nachfolgend die sechs wichtigsten Schritte für ein effektives Multi-Providermanagement.

1. Prozesse über mehrere Provider hinweg integrieren

Jede IT-Organisation, unabhängig davon ob es sich um eine interne IT-Abteilung oder einen Provider handelt, entwickelt ein eigenes Verständnis für die Ausgestaltung der ITIL-Prozesse, jeweils passend zur vorhandenen Ablauforganisation und dem Grad des tatsächlichen Bedarfs an Strukturierung. In der Regel kommen dabei marktübliche IT-Servicemanagement-Tools zum Einsatz. Als prominenteste Beispiele sind hier Ticketsysteme für das Incident- und Change-Management zu nennen. Für den IT-Dienstleister sind diese Tools noch wichtiger als für interne IT-Abteilungen, denn für einen Provider ist effizientes Servicemanagement und kontinuierliche Optimierung der internen Leistungsprozesse überlebenswichtig. Nur so kann er sich als erfolgreicher Dienstleister am Markt bewähren.

Aus Sicht des Providermanagements wird es unwahrscheinlich sein, dass alle Provider eines Kunden dieselben Prozesse und Tools verwenden. Und selbst wenn, wird es viele Unterschiede im Detail geben. Ein verbindliches Servicemanagement-Tool für alle Provider fällt aus praktikablen Gründen aus, denn diese werden nicht für jeden Kunden ein individuelles Softwarepaket pflegen wollen. Deshalb ist es eine der wesentlichen Herausforderungen des Multi-Providermanagements, ein entsprechendes Mapping der Prozesse, Statusdefinitionen und Tools zu erzielen, um durchgängige Services zu erhalten.

So hat etwa jeder Provider sein eigenes Maß – meist eine Kombination aus Reichweite und Auswirkung – und seine eigene Nomenklatur, wie er Störungen bewertet und klassifiziert. Die verschiedenen Systeme müssen einander angeglichen und gemappt werden. Um Mehraufwand zu vermeiden, ist ein möglichst hoher Grad an Automatisierung anzustreben. Dabei sollten die verschiedenen Providersysteme die Informationen direkt untereinander austauschen können. Dennoch müssen die Zustände und Status valide und zu jedem Zeitpunkt erkennbar sein. Medienbrüche wie die telefonische Weitergabe von Informationen sind absolut zu vermeiden.

2. Eine Multi-Providerkoordination etablieren

Bei der Multi-Providerkoordination geht es um die übergreifende Steuerung der Dienstleister. Nur so kann ein nahtloser Betrieb der IT-Services gewährleistet werden. Mit jedem weiteren Provider steigt der Abstimmungsbedarf überproportional an.

Diese Erkenntnis ist im Grunde nicht neu, die Erfahrung zeigt allerdings, dass dieser Punkt von vielen Organisationen massiv unterschätzt oder erst während der Implementierung bedacht wird. Es empfiehlt sich, dies bereits während der Entwicklung der Sourcing-Strategie zu berücksichtigen. Im Outsourcing-Projekt können dann die individuellen Details definiert werden. Im Wesentlichen gilt es, ein gemeinsames Incident- und Problemmanagement für Störungen zu entwickeln, die providerübergreifend zu lösen sind. Ebenso müssen alle Provider in ein gemeinsames Change- und Release-Management integriert werden. Ein gemeinsames Kapazitätsmanagement sowie ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess sollten ebenso etabliert werden.

3. Zusammenarbeit der Provider aktiv steuern

Die erfolgreiche Zusammenarbeit aller Parteien gilt es aktiv zu steuern. Die oben angesprochenen Punkte spannen den Bogen von der Definition der Prozesse und Leistungen bis zum eigentlichen Betrieb. Es bedarf hier noch einer weiteren Ebene. Denn wo Menschen zusammenarbeiten, da entstehen Konflikte und Missverständnisse, dies lässt sich nie ganz vermeiden. Umso wichtiger ist es, diese gemeinsam aufzulösen und eine vertrauensvolle Arbeitsebene zu entwickeln.

Vor allem bei providerübergreifenden Problemen und Aufgaben gilt es eine möglichst effektive und gute Zusammenarbeit zu erzielen. Denn gerade hier entstehen die meisten Verluste durch fehlende Kommunikation oder entstandene Missverständnisse. Es empfiehlt sich bei der Prozessentwicklung von vornherein, eine entsprechende Clearing- und Kommunikationsrolle einzuplanen und zu etablieren. Sie leitet Informationen aktiv weiter, leistet im Betrieb Unterstützung, stellt den Kontakt mit den Fachabteilungen her und pflegt ganz allgemein den Austausch.

4. Services sauber definieren und dokumentieren

Beim Outsourcing von IT-Services ist die detaillierte Kenntnis der eigenen Services und der zugrunde liegenden Servicearchitektur einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Häufig herrscht bei der Anbahnung von Outsourcing-Vorhaben allerdings das Prinzip Hoffnung vor. Die am weitesten verbreitete Hoffnung lautet: Der Dienstleister wird die Sachen schon sauber dokumentieren.

Mit dieser Strategie kauft man sich mindestens zwei Risiken ein. Zum einen könnte der Provider ein Angebot weit ab des tatsächlichen Bedarfs abgeben. Sowohl zu viel als auch zu wenig sind im laufenden Betrieb problematisch. Zum anderen fehlt Ihnen selber die Möglichkeit, das Angebot korrekt zu bewerten. Verlangt der Provider für meine gewünschte Dienstleistung zu viel oder zu wenig?

Sauber dokumentierte Servicebäume, Abhängigkeiten von Services und Komponenten untereinander sowie mit dem Business abgestimmte und nutzenorientierte Anforderungen sind Pflicht und nicht bloße Kür. Ausgehend vom zu unterstützenden Geschäftsprozess gilt es die Details auf jeder logischen Ebene immer weiter zu verfeinern. Ein Blick auf die reine Technik greift hier viel zu kurz.

Der Ursprung muss im Geschäftsprozess liegen. Denn letztlich dienen die Systeme der Unterstützung von Geschäftsprozessen und nicht dem Selbstzweck. Die Fachabteilungen und nicht die IT-Abteilungen liefern die relevanten Anforderungen für die Leistungsscheine oder Service Level Agreements, in denen die benötigte Leistungsgüte der Services vereinbart wird. Es braucht keinen 24x7-Service, wenn nach 17.00 Uhr keine Rechnungen mehr geschrieben werden. Und ob der CPU-Hersteller Intel, AMD oder Texas Instruments heißt, ist dem Rechnungswesen auch herzlich egal.

5. Services durchgängig managen

Die IT-Verantwortlichen müssen verstehen, wie Anwender die Leistung wahrnehmen, die sich aus den Services der verschiedenen Provider zusammensetzt. Darin liegt der Schlüssel für ein erfolgreiches Servicemanagement. Dies gilt als größte organisatorische und technische Herausforderung für die IT-Organisation. Nur wer die gesamte Lieferkette vom Geschäftsprozess bis zu den eingesetzten IT-Komponenten kennt, kann sie effizient steuern.

Beispielsweise wird beim Einpflegen eines Leads durch einen Außendienstmitarbeiter eine Vielzahl von Services, Komponenten und unterschiedlichen Providern genutzt. Dies könnten die WAN-Strecken vom Mobilfunkanbieter, das Netzwerk durch den lokalen Infrastrukturanbieter und der Applikationsserver vom RZ-Betreiber sein. Es gilt die gesamte Lieferkette zu managen und zu überwachen, nur dann kann es gelingen Vertrauen und Loyalität beim Anwender zu erzeugen.

6. Konsolidierte Berichte über Servicequalität und -leistung erstellen

Service Level Agreements und Underpinning Contracts spiegeln die Vereinbarungen über die Lieferung einer bestimmten Leistung in einer definierten Qualität wieder. Mit ihnen beschließen der Servicenehmer und der Servicegeber eine geschäftliche Vereinbarung. Doch die besten Verträge helfen nichts, wenn sie nicht regelmäßig überprüft werden. Nicht weil man dem Geschäftspartner nicht vertraut, sondern um zeitnah steuernd einwirken zu können. Üblich sind monatliche Serviceberichte, die einem Lieferschein sehr ähnlich sind. Der Dienstleister dokumentiert hiermit seine Leistungen gegenüber dem Kunden.

Um aber einen Überblick über alle Provider zu erhalten und diese auch miteinander vergleichen zu können, braucht es ein eigenes konsolidiertes Berichtswesen. Die Provider sollten hierzu neben den monatlichen Serviceberichten, Rohdaten zum Nachvollziehen der Ergebnisse liefern. Ein einfaches Beispiel: Werden bestimmte Lösungszeiten für die Fehlerbehebung (Incidents) vereinbart, so braucht es mindestens eine Datenzeile pro Vorfall in der neben den Verwaltungsinformationen, die Netto- und Bruttozeit für die Lösungsdauer ausgewiesen wird.

So lassen sich die vereinbarten Qualitätskennzahlen nachvollziehen. Zusätzlich bietet sich die Chance Probleme aufzudecken, die beim Provider oder aber auch innerhalb der eigenen Serviceprozesse entstehen. Diese Datensätze sollten möglichst automatisiert in ein zentrales Berichtswesen einfließen. Auf dieser Grundlage können fortan regelmäßige Review-Meetings mit den Providern stattfinden.

Fazit

Providermanagement ist eine zentrale und abteilungsübergreifende Aufgabe. Sie sollte wohl geplant und koordiniert erfolgen. Vor jeder Auftragsvergabe ist präzise und im Detail zu analysieren, welche Aufgaben der Geschäftspartner genau übernehmen soll. Dabei sind die tatsächlichen Bedürfnisse des Business zu ergründen und in verständliche Servicebeschreibungen zu überführen. Das partnerschaftliche Verhältnis mit dem Dienstleister gilt es aktiv und fair zu gestalten und zu managen. Dabei darf aber auch der Blick für die Details nicht verloren gehen. Die Integration und Koordination vieler unterschiedlich arbeitender Dienstleister und deren individuellen Prozesse in die eigene Organisation gilt es dabei zu meistern.