Wer Tag und Nacht hört, wie unvergleichlich schön und faszinierend er ist, der glaubt natürlich irgendwann auch selbst an seine Einzigartigkeit, reckt das Haupt, zeigt seine Muskeln. So ergeht es aktuell Berlin - und die Berliner haben auch allen Grund, stolz zu sein. Denn mittlerweile zieht es nicht mehr diejenigen an die Spree, die maximale Freiheit bei minimalen Kosten suchen, sondern die Stadt entwickelt sich zu einem Dorado der Gründer, Macher, Veränderer und Digitalisierer.
Berlin ist Europas Hauptstadt der Startups
Das schlägt sich auch in Zahlen nieder. Nach Berechnungen der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young ist Berlin nicht nur Deutschlands, sondern auch Europas Startup-Standort Nummer eins. 2015 steckten Investoren 2,1 Milliarden Euro in Gründer aus der Hauptstadt, damit floss fast ein Fünftel des auf diese Weise in Europa verteilten Kapitals nach Berlin.
Wohin sonst sollte es den Nachwuchs also ziehen? Besonders wer irgendwas mit .0 im Namen anschiebt, muss nach Berlin. Natürlich bemüht sich die Stadt nach Kräften, diese Entwicklung zu fördern. Jüngstes Beispiel ist CUBE, laut Selbstbeschreibung ein globales Netzwerk, in dem Konzerne und Startups zum Wohle aller zusammenfinden.
Volkswagen und Bayer unterstützen
Den Inkubator haben große Konzerne wie Volkswagen und Bayer gemeinsam mit der Messe Berlin aus der Taufe gehoben. Dabei zu sein, ist für die Startups nicht nur aufgrund der Vernetzung mit den Topentscheidern klassischer Industrien spannend.
Es gibt auch ungewöhnlich viel Geld zu gewinnen: Im Mai nächsten Jahres können auf einer Konferenz in Berlin die besten Startups präsentieren - und im günstigsten Fall eine Million Euro in bar mit nach Hause nehmen. Das Geld stellen die Industriepartner bereit, und sie knüpfen keinerlei Bedingungen an die Auszahlung.
Zu keiner Stadt passt derzeit wohl ein solches Projekt so gut wie zur europäischen Startup-Metropole. Kein Wunder, dass Torsten Oelke, Executive Chairman von CUBE, mit seinem Vorhaben hoch hinaus will. Anlässlich der Eröffnung Anfang Juni stellte er klar: "So wie der Eiffelturm einst die erste industrielle Revolution repräsentierte, soll CUBE zum Repräsentanten der vierten industriellen Revolution werden."
Auch wenn der Vergleich etwas gewagt ist - der Eiffelturm war mehr als 40 Jahre lang das höchste Gebäude der Welt und ist bis heute eine der Ikonen der Moderne: CUBE hat einen Ansatz gewählt, der das Projekt von anderen Brutkästen abhebt.
Gesundheit, Industrie und Infrastruktur im Zentrum
Im Mittelpunkt stehen die Sektoren Gesundheit, Industrie und Infrastruktur (im Sinne von Konnektivität). Auf diesen Feldern sollen mit Hilfe von vier Werkzeugen die angesprochenen Ökosysteme entstehen (siehe Kasten "Berlin - Wie CUBE funktionieren soll").
Berlin | Wie CUBE funktionieren soll |
Eine Million Euro in bar können Startups gewinnen, die sich bei CUBE engagieren. Der Inkubator konzentriert sich auf die Sektoren Gesundheit, Industrie und Infrastruktur (im Sinne von Konnektivität). Auf diesen Feldern soll mit Hilfe von vier Werkzeugen ein Ökosystem für Innovationen entstehen. Global Touchpoints: CUBE wird Startup-Veranstaltungen, die der internationalen Vernetzung dienen, in eine Reihe von Städten bringen, darunter Singapur, Shanghai, London und San Francisco. Cube Connect: Hierbei handelt es sich um ein Netzwerk von „Elite-Partnern“, im Wesentlichen Entschei- der aus unterschiedlichen Bereichen, die allen Partnern mit ihrem Wissen zur Seite stehen. CUBE Matchmaking: Grundlage ist eine exklusive Datenbank, die Startups Zugang zu Führungskräften aus den wichtigsten Industrien verschafft. CUBE Cooperation Space: Eine Bürofläche, auf der Projektpartner auf Zeit zusammenarbeiten und dabei modernste Infrastruktur in Anspruch nehmen können. Weitere Informationen gibt es unter http://cube-global.com. |
Cooperation Space für gemeinsame Projekte
Eines dieser Tools ist der CUBE Cooperation Space, eine Bürofläche für gemeinsame Projekte von Großunternehmen und Startups. An der Französischen Straße zwischen Gendarmenmarkt und Friedrichstraße, in einer der feinsten Gegenden der Stadt, soll zusammenkommen, was nach Ansicht von Martin Hofmann, CIO der Volkswagen AG, zusammengehört: "Die Großen haben riesige Ressourcen, komplizierte Prozesse und versuchen, jedes Risiko so weit wie möglich zu reduzieren. Und dann gibt es kleine Unternehmen, Startups, die bereit sind, jedes Risiko einzugehen, nur um schnell und beweglich zu sein. Diese beiden Welten müssen wir zusammenbringen."
Hofmann ist Co-Initiator und globaler Gründungspartner von CUBE. Ihm ist das Projekt ein Anliegen, weil er überzeugt ist, dass sich damit klassische Schwächen von Großkonzernen zumindest teilweise kompensieren lassen: "Cube bietet etwas, was wir nicht haben: ein Ökosystem, ein Netzwerk, in dem ich die unterschiedlichsten Partner für Ideen finden kann."
"Ich sehe immer dieselben Anbieter"
Das ist ansonsten, gesteht Hofmann, gar nicht so einfach: "Volkswagen gibt Jahr für Jahr Milliarden für IT aus. Und immer sehe ich dabei dieselben Anbieter. Startups sind eher nicht dabei. Auf der anderen Seite lerne ich auf einer Veranstaltung im Silicon Valley in nur vier Tagen 15 spannende junge Unternehmen kennen, darunter auch deutsche." Man brauche dringend auch hierzulande eine Plattform, auf der sich Startups unkompliziert und zugleich professionell präsentieren und Schnittstellen zu Konzernen entdecken können.
Die eigenen Hierarchien und Berichtswege zu umgehen und schneller zu Innovationen zu kommen, ist ein Traum, den große Konzerne weltweit hegen. Allein in Deutschland betreiben 60 von ihnen digitale Labore, wie eine Studie von Crisp Research aus Kassel ergab. Die dabei gewählten Ansätze unterscheiden sich allerdings im Detail erheblich voneinander.
Siemens zum Beispiel fördert bereits seit 2001 Startups, die Commerzbank leistet sich einen "Main Incubator", Verlage wie Axel Springer oder der Handelskonzern Rewe betreibenebenfalls einDigital Lab. Auch für VW ist CUBE keineswegs der erste Ansatz, mit Hilfe von Inkubatoren frische Ideen zu entwickeln. So betreibt das Unternehmen seit November 2014 in München ein "Data Lab", in dem (eigene) Spezialisten IT-Lösungen für Big Data und Internet of Things entwickeln.
"Die richtigen Menschen finden"
Es gehe ihm vor allem darum, sagte Hofmann im Palais am Berliner Funkturm, die richtigen Menschen für die Transformation zu finden. Am anderen Ende der Stadt scheint Volkswagen das bereits gelungen zu sein. Im riesigen Trend-Gewerbegebiet Mediaspree zwischen Treptower Park und Ostbahnhof logieren - wie der Name sagt - in ehemaligen Lagerhallen aus der Gründerzeit vor allem TV- und Unterhaltungsunternehmen. Universal Music hat hier seine Büros, Sat.1 produziert sein Frühstücksfernsehen. Und der Musiksender MTV Networks Germany war bereits 2004 aus München hierhin umgezogen.
In diesem spannenden Umfeld, zudem idyllisch am Wasser gelegen, betreibt Volkswagen seit März dieses Jahres sein Digital:Lab. Dabei handelt es sich um eine strategische Partnerschaft mit dem Softwareunternehmen Pivotal. IT-Experten von Volkswagen und Pivotal entwickeln hier gemeinsam mit Fachleuten aus Vertrieb und technischer Entwicklung Software- und Mobilitätslösungen für den vernetzten Kunden.
CIO Hofmann: "Wir schaffen für unsere Kunden völlig neue Angebote. Volkswagen wird damit vom reinen Automobilhersteller zum Mobilitätsanbieter." Mit einer solchen Öffnung wird sich in den kommenden Jahren auch die Rolle des CIO verändern, weil er alles, was er anfasst, mehr aus Sicht des Kunden betrachten muss, dem Branchengrenzen egal sind, und weniger aus der Perspektive der eigenen Branche.
Branchenübergreifend denken
Ausgefahrene Gleise verlassen, sich auch auf Feldern jenseits der eigenen Produkte bewegen, das ist genau das, was Digitalisierungmöglich macht und was sie zugleich erfordert, sagte Bruce Weinelt, Head of Digital Transformation auf dem Weltwirtschaftsforum in der Schweiz. "Große internationale Konzerne kennen sich in der Branche, in der sie entstanden sind, bestens aus.
Digitalisierung löst aber Grenzen zwischen Sektoren auf, deshalb müssen die Konzerne ihren Horizont erweitern und das eigene Umfeld eher wie ein komplexes Ökosystem begreifen." Strukturell, so Weinelt, falle dies vielen Unternehmen schwer - im Gegensatz zu Startups, die von Beginn an branchenübergreifend dächten.
"Startups profitieren von der Strahlkraft großer Marken"
Die Zusammenarbeit in einem Inkubator wie CUBE könne zu einer echten Erfolgsstory werden - nicht nur für die Großen, sondern erst recht für die Startups, findet Volkswagen-CIO Hofmann: "Startups profitieren ja auch von der Strahlkraft großer Marken wie Volkswagen, sie allein bringt für den kleinen Partner große Chancen mit sich."
CUBE Tech Fair im Mai 2017 in Berlin
Wer diese Chancen am besten nutzt, das werden alle im Mai 2017 auf dem Berliner Messegelände besichtigen können. Dann findet die CUBE Tech Fair statt, die auch jene Innovationen präsentiert, die über das Jahr hinweg aus den Kooperationen zwischen Industrie und Startups entstanden sind.