Jobsuche

In die Bewerbung gehört ein Foto - oder?

28.01.2020
Bei der Jobsuche haben es junge Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte besonders schwer - wegen Vorurteilen hat ihre Bewerbung trotz der Qualifikationen oft weniger Chancen. Dieses Problem könnte man lösen, meinen die einen. Aber nicht alle sind dafür.
Bewerbungsgespräch: In Deutschland sind nicht-anonyme Bewerbungen üblich.
Foto: racorn - shutterstock.com

Der Name klingt nach Migrationshintergrund, die junge Frau will sicherlich bald ein Kind, der Mann im Rollstuhl schafft die Arbeit bestimmt nicht - gängige Vorurteile, mit denen viele Bewerberinnen und Bewerber zu kämpfen haben und durch die sie diskriminiert werden. Nach Einschätzung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist Diskriminierung im deutschen Arbeitsmarkt immer noch weit verbreitet.

Rund ein Viertel der Diskriminierungserfahrungen im Arbeitsleben werden den Angaben zufolge während der Arbeitssuche und Bewerbung gemacht. Anonymisierte Bewerbungsverfahren könnten Abhilfe schaffen - setzen sich in Deutschland aber seit Jahren nicht flächendeckend durch. "Nachholbedarf gibt es aus unserer Sicht bei privaten Unternehmen", sagt Bernhard Franke, kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle.

In Deutschland verbietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Diskriminierung auf allen Ebenen des Arbeitslebens. Das herkömmliche deutsche Bewerbungsverfahren mache es aber vor allem jungen Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte besonders schwer, zum Zug zu kommen, sagt Franke. Das belegten viele Studien und auch die Beratungsanfragen bei der Bundesstelle.

Der Bewerber wird zur Nummer

Anonymisierte Bewerbungsprozesse setzten genau hier an: Sie seien ein Instrument, um Diskriminierungsfreiheit zu gewährleisten, erklärt Vera Egenberger vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Persönliche Informationen der Bewerber wie etwa Name, Alter oder Adresse werden dabei von den Qualifikationen abgekoppelt. "Der Bewerber wird zur Nummer." Eine Auswahl finde daher rein auf Basis der Kompetenzen statt. So habe jeder die Chance, bis zum Bewerbungsgespräch zu kommen, sagt die Expertin für den Bereich Migration und Antirassismuspolitik. "Mehrere Pilotprojekte haben gezeigt, dass das Verfahren leicht umzusetzen ist und Benachteiligungen beim ersten Schritt im Bewerbungsverfahren minimieren kann", sagt Franke.

In Deutschland ist es trotzdem noch nicht Usus. Üblich seien nicht-anonyme Bewerbungen, bei denen auch die persönlichen Faktoren immer noch als Auswahlkriterium angesetzt werden, sagt Egenberger. Eins der zentralen Probleme dabei: Das Foto, das hierzulande nahezu standardmäßig zu einer Bewerbung gehört und der Expertin zufolge Raum für Vorurteile und Diskriminierungen bietet. Auch die Antidiskriminierungsstelle kritisiert diese gängige Praxis. International seien Bewerbungsverfahren beispielsweise mit Foto seit vielen Jahren nicht mehr üblich. Besonders im angelsächsischen Raum seien standardisierte Verfahren wie das anonymisierte Verfahren verbreitet.

Name verrät Migrationshintergrund

Ein weiteres zentrales Problem bei nicht-anonymen Bewerbungen sieht Egenberger in der Bekanntgabe des Namens. In Deutschland würden oft Assoziationen aufgrund von Namen vorgenommen - hinsichtlich beispielsweise eines Migrationshintergrundes. Viele Deutsche hätten etwa einen polnischen oder türkischen Namen.

Trotz der weiterhin bestehenden Kritik habe sich in Deutschland in den vergangenen Jahren etwas getan in puncto diskriminierungsfreiere Bewerbungsverfahren, sind sich Franke und Egenberger einig. Bereits jetzt liefen Bewerbungsprozesse im öffentlichen Dienst, etwa in der Verwaltung von Ländern oder Städten, diskriminierungsfrei ab. Verwaltungen seien laut Egenberger erheblich weiter als private Firmen. Zwar handelten einige Firmen schon vorbildlich, das seien aber einzelne Ausnahmen. Franke sieht moderne Personalverwaltungen auf einem guten Weg. "Ich bin zuversichtlich, dass weitere Unternehmen folgen werden."

Es gibt also Fortschritte, sagt Egenberger. "Aber längst nicht genug". Für die Zukunft zeigt sie sich jedoch optimistisch: "Es gibt schon ein Gespür dafür, dass man etwas anders machen sollte. Aber es wird noch nicht praktiziert." Sie rechne damit, dass sich anonyme Bewerbungsverfahren in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren durchsetzen könnten.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hingegen misst anonymisierten Bewerbungen in der betrieblichen Praxis keine wesentliche Rolle bei. "Bewerbungsverfahren sollen in ein erfolgreiches und möglichst nachhaltiges Arbeitsverhältnis führen", teilt der BDA mit. "Die gegenseitige Grundlage für Vertrauen ist dabei umfassende Information, deshalb ist in Bewerbungsverfahren Transparenz in beide Richtungen so wichtig." Transparenz und eine klare Unternehmenspolitik trügen nachhaltiger gegen Diskriminierung bei als die anonyme Bewerbung. (dpa/rs)