Trotz vieler konjunktureller Unsicherheiten bleibt IT eine treibende Kraft für den Unternehmenserfolg. Die Investitionen der meisten CIOs im Jahr 2023 steigen oder verharren zumindest auf hohem Niveau. Gleichzeitig werden aber auch Technologien von der Agenda gestrichen, die nicht mehr zur Geschäftsstrategie oder zum Wachstum beitragen.
Immerhin 52 Prozent der Unternehmen planen laut einer Studie der Enterprise Strategy Group, ihre IT-Ausgaben in diesem Jahr zu erhöhen oder beizubehalten. Dazu gehören Ausgaben für die Stärkung der Cybersicherheit (35 Prozent), die Verbesserung des Kundendienstes (32 Prozent) und die Optimierung von Data Analytics für Echtzeit-BI sowie Kunden-Insights (30 Prozent). Die Zahlen der Foundry-Umfrage 2023 State of CIO liegen höher: Demnach erwarten 91 Prozent der CIOs, dass ihre Technologiebudgets im Jahr 2023 entweder steigen oder zumindest gleich bleiben werden. CIOs legen zudem einen verstärkten Fokus auf Cybersicherheit (70 Prozent), Datenanalyse (55 Prozent), Datenschutz (55 Prozent), KI/Machine Learning (55 Prozent) und Customer Experience (53 Prozent).
Wir haben auf Basis verschiedener Quellen fünf heiße Technologie-Themen identifiziert, in die CIOs und andere IT-Führungskräfte im Jahr 2023 investieren werden - und zwei Felder, die sich abgekühlt haben.
Heiß: Künstliche Intelligenz (KI), VR und AR
Angesichts des rasanten digitalen Wandels und der Forderung nach mehr Innovationen dürfte es nicht überraschen, dass die Anwendungsfälle für Virtual Reality, Augmented Reality (VR/AR) sowie künstliche Intelligenz (KI) in einigen Branchen weiter zunehmen. Das New York-Presbyterian Hospital beispielsweise, das über ein Netzwerk von Krankenhäusern mit etwa 2.600 Betten verfügt, führt in diesem Jahr über 150 KI- und VR/AR-Projekte in allen klinischen Fachbereichen durch.
In einem Anwendungsfall werden AR und VR eingesetzt, um die Wirbelsäule von Menschen in einem Modell nachzubilden, damit Chirurgen sie vor Operationen betrachten und sicherer arbeiten können, berichtet Peter Fleischut, Group Senior Vice President und Chief Information and Transformation Officer. Neben der Chirurgie investiert das Krankenhaus auch in die Robotik für Transport und Auslieferung von Medikamenten. Roboter werden etwa in den Apotheken eingesetzt, um Prozesse wie die Entnahme von Pillen, Salben und Cremes sowie das Verpacken, Versiegeln und Transportieren zu den Etagen zu automatisieren.
Darüber hinaus nutzt der Krankenhaus-Verbund automatisierte Sprach- und KI-Technologien, um virtuelle Chatbots in seinen Callcentern einzusetzen, und tätigt laut Fleischut "erhebliche Investitionen in Salesforce", um seine Kunden aus der CRM-Perspektive besser zu verstehen. In der Geburtshilfe hat die Klinik in eine KI-Plattform für Ärzte investiert, die diese etwa über Probleme einer werdenden Mutter oder eines Babys informiert.
Auch andere Organisationen wollen ihre Investitionen in KI fortsetzen. "Ich wäre nachlässig, wenn ich den Fokus nicht auf KI legen würde - sie wird vermutlich schneller Fahrt aufnehmen, als man denken kann", sagt Chris Nardecchia, Chief Information and Digital Officer bei Rockwell Automation. Sein Unternehmen bette KI in jede Ebene des Technologie-Stacks ein, den es an seine Kunden verkauft.
Rockwell Automation betreibt Fabriken und hilft anderen Unternehmen, sie effizienter zu machen. KI wird etwa für die Optimierung eingesetzt, von der Steigerung des Durchsatzes über bessere Qualität bis hin zu vorbeugender Wartung, Produktivität und Kostenoptimierung. Nardecchia: "Es geht um Verfügbarkeit und Input. Und in diesen Branchen herrscht Arbeitskräftemangel, daher liegt der Fokus auf mehr Automatisierung und KI." Dies gelte auch für sein IT-Team.
Auch das Dentalunternehmen SmileDirectClub hat in ein Team für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen investiert, um das Geschäft und die Kundenerfahrung zu verbessern, erläutert CIO Justin Skinner. Eines der ersten großen Projekte der IT-Abteilung ist die Einbettung von KI in die "SmileMaker"-Plattform mit Zugriff auf die Benutzerdatenbank, "um unseren Kunden Lerneffekte zu bieten und ihnen zu zeigen, was SmileDirectClub für sie tun kann". Diese Technologie helfe den Kunden, schneller einzusteigen, und sie ermögliche es zudem, mehr Menschen zu erreichen. Hinzu kommt, dass Nutzer einen 3D-Scan ihres Mundes mit ihrem Mobiltelefon machen können, so dass sie ihr "neues Lächeln" in wenigen Minuten sehen, so Skinner.
Der SmileDirectClub wird seine Investitionen auch auf den Einsatz von KI "als Outsourcing-Modell" verlagern. Dadurch sollen sich Mitarbeiter "auf kreative Aufgaben konzentrieren können." Skinner zufolge sollten CIOs und CTOs anfangen, wie Unternehmer zu denken, wenn sie erfolgreich sein wollen. Die Idee hinter KI sei, "so viel Zeit wie möglich für unsere Teammitglieder freizumachen, um strategischer, kundenorientierter und wertorientierter zu arbeiten".
Heiß: Zero Trust und andere Security-Initiativen
2022 verlagerte das College of Southern Nevada sein Rechenzentrum in die Cloud, um die CASB-Technologie (Cloud Access Security Broker) zu implementieren, mit der der gesamte E-Mail-Verkehr der Studenten gesichert und Security-Verstöße eingedämmt werden sollten. Da nun immer mehr Lehrkräfte, Mitarbeiter und Studenten sowohl vor Ort als auch in der Cloud auf Informationen zugreifen, verfüge die IT-Abteilung über ein "Netzwerk ohne Grenzen". Deshalb, so CIO Mugunth Vaithylingam, implementiert das Team eine Zero-Trust-Netzwerkarchitektur.
"Dieser Schritt verbessert die Security und ermöglicht es, unseren Benutzern nur den Zugriff zu gewähren, den sie benötigen", erklärt Vaithylingam. "Durch Netzwerk-, Sicherheits- und Cloud-Anpassungen können wir Ressourcen verlagern und am Ende weniger für Onpremise-IT und mehr für Cloud-Dienste ausgeben." Auch das New York-Presbyterian wird dieses Jahr in Zero Trust investieren und ein Security Operations Center (SOC) für die 24/7-Netzwerküberwachung einrichten, ergänzt CIO Fleischut.
Kalt: On-Premise-Infrastruktur
Wie schon im Jahr 2022 reduzieren viele IT-Verantwortliche ihre Investitionen in Rechenzentren und On-Premise-Technologien. Dazu zählt auch Raju Seetharaman, Senior Vice President of IT and Transformation beim Lebensversicherungsunternehmen Legal & General America (LGA). "Wir haben unsere Arbeitslasten in die Cloud verlagert, zugleich schaffen wir auch neue Cloud-basierte digitale Geschäftsfelder."
Zudem, so Seetharaman, seien beileibe nicht alle Legacy-Technologien "kalt". So würden Legacy-Systeme, die ein kontinuierliches geschäftliches Wachstum ermöglichten, weiterhin akzeptiert. "Wir investieren in die Modernisierung und Migration unserer Altsysteme, damit wir mehr Cloud-basierte Services nutzen können", sagt er.
Die On-Prem-Infrastruktur werde an Bedeutung verlieren, bestätigt auch Nardecchia - mit Ausnahme von Storage-Systemen. "Ein Teil des Storage wird wahrscheinlich vor Ort bleiben, während der Großteil in die Public Cloud verlagert wird, sagt er. Und auch Vaithylingam verweist auf den Plan des College of Southern Nevada, das lokale Rechenzentrum - eines der größten im Bundesstaat - zu schließen. Alle Workloads und die Infrastruktur sollen vollständig in Microsofts Azure-Cloud verlagert werden.
Heiß: Daten und Cloud-Infrastruktur
Am New York-Presbyterian bedeutet der IT-Einsatz zur Verringerung der Reibungsverluste für Patienten und Anbieter, dass kurzfristig Investitionen in multimodale Daten ausgebaut werden, sagt CIO Fleischut. Das Krankenhaus möchte beispielsweise die Möglichkeit haben, Bildgebungs- und Pathologiedaten einzusehen, damit das Personal Patienten schneller und besser diagnostizieren könne. Das erfordere auch mehr Investitionen in die Cloud-Infrastruktur für Speicher- und Rechenleistung. Data Scientists sollen die Daten verarbeiten und verstehen können sowie in der Lage sein, sie "für den Nutzen am Krankenbett zu übersetzen", so Fleischut.
Daten sind auch im Versicherungsbereich von entscheidender Bedeutung, und die LGA investiert weiterhin viel in einen sicheren, skalierbaren und leistungsstarken Datenbetrieb für Business-Innovationen, sagt Seetharaman. "Wir arbeiten daran, uns in ein Datenunternehmen zu verwandeln und neue Wege zu finden, um Daten zur Unterstützung unseres Wachstums zu nutzen."
Heiß: Low-Code/No-Code
Für die meisten Fachbereiche ist die Zeit, die für die Markteinführung von Produkten benötigt wird, der Schlüssel zum Erfolg. Je schneller sie liefern können, desto besser, sagt Seetharaman: "Low-Code/No-Code-Lösungen geben den Teams die Möglichkeit, Änderungen schnell umzusetzen", sagt er.
Preisgestaltung und Underwriting sind beispielsweise zwei Schlüsselbereiche, in denen Lebensversicherer ihren Kunden marktdifferenzierende Produktangebote machen können, erklärt Seetharaman. "Bei LGA sind wir gut darin, den Faktor 'Time-to-Market' mithilfe von Technologie kontinuierlich zu verbessern. Ein Schlüsselbereich ist die Low-Code/No-Code-Fähigkeit, die wir in unserer digitalen Plattform aufgebaut haben." LGA werde auch weiterhin in Low-Code/No-Code-Systeme investieren, um Änderungen ohne manuelle Code-Erstellung und zeitaufwändige Implementierungen zu ermöglichen.
Und es ist nicht nur die Anwendungsentwicklung, auf die solche Tools Einfluss haben. Unternehmen erforschen beispielsweise neue Möglichkeiten, Low-Code-Data-Science anzuwenden, um Erkenntnisse zur Verbesserung von Prozessen zu gewinnen, sagt Matt Mead, CTO beim Tech-Modernisierungsunternehmen SPR. "KI und maschinelles Lernen werden eingesetzt, um Unternehmen effizienter zu machen, und obwohl sie noch in den Kinderschuhen stecken, wird ihre Anwendung in spezifischen Use Cases die Technologieführer von den Nachzüglern unterscheiden", sagt er.
Kalt: Legacy-Telekommunikation
Die alten Telekommunikations- und Funkrufsysteme, die das New York-Presbyterian besitzt, wurden "abgebaut und aus der Infrastruktur sowie dem Budget entfernt", berichtet Fleischut. Stattdessen hat das Krankenhaus in bis zu 25.000 Mobiltelefone für seine Mitarbeiter investiert.
Auch Journey Beyond, ein australisches Unternehmen für Erlebnistourismus, hat vor kurzem sein Contact Center umgestaltet. Madhumita Mazumdar, verantwortlich für IuK, ersetzte sechs verschiedene Telekommunikationssysteme sowie das Contact Center durch die cloudbasierte Unified Communications-Plattform RingCentral. "Die verschiedenen Kommunikationslösungen waren nicht in der Lage, eine integrierte 360-Grad-Kundensicht zu bieten. Das machte es schwierig, ein konsistentes, einzigartiges Kundenerlebnis in unseren 13 Tourismusunternehmen zu gewährleisten", führt sie als Grund an.
Auch gibt es Anzeichen dafür, dass sich der Markt für Sprachtechnologie langsamer entwickelt. IDC prognostiziert für das Jahr 2023 einen Rückgang der weltweiten Ausgaben für Festnetz-Sprachdienste um 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dennoch werden die weltweiten Ausgaben für alle TK-Dienste (Festnetz, Mobilfunk, Sprache und Daten) im Jahr 2023 voraussichtlich um 2,3 Prozent steigen, so die Marktforscher.
Laut Gartner verzeichneten Kommunikationsdienste für Unternehmen im Jahr 2022 ein verhaltenes Wachstum von 1,6 Prozent. Es wird jedoch nicht erwartet, dass dies so bleibt. "Hinter dem mageren Wachstum des Unified-Communications-Marktes von 1,6 Prozent im Jahr 2022 verbirgt sich die massive Umstellung des Telefonie-Marktes von der standortbasierten Bereitstellung, die einen Rückgang von 7,6 Prozent erleiden wird, auf die Cloud-basierte Bereitstellung, die ein Wachstum von 12,9 Prozent verzeichnen wird", schreibt das Unternehmen in einem Bericht über die weltweiten IT-Ausgaben im vierten Quartal 2022.
"In allen Kommunikationsmärkten erwarten wir eine Verlangsamung bei Legacy-Lösungen wie festen Sprachdiensten für Unternehmen, standortbasierten Telefoniesystemen und Legacy-Contact-Center-Lösungen", so Gartner-Analystin Megan Fernandez gegenüber CIO.com. "Die ortsgebundene Telefonie wird den stärksten Investitionsrückgang erleben, da sich Unternehmen entscheiden, Upgrades und Ersatzkäufe zu verschieben."
Fernandez zufolge wird das Marktsegment der Legacy-/Festnetz-Sprachdienste bis 2026 mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 4,3 Prozent schrumpfen. Darüber hinaus würden sich die langfristigen Prognosen kaum verbessern, da viele Unternehmen auf Cloud-basierte Ansätze für ihre Kommunikationsbedürfnisse umstiegen.
Heiß: IT-Talente
IT-Talente zu gewinnen, hat auch in diesem Jahr Priorität: 41 Prozent der IT-Führungskräfte planen laut der Studie "State of the CIO 2023", neue Mitarbeiter einzustellen. Laut dem Bericht werden in den nächsten sechs bis zwölf Monaten Neueinstellungen in den Bereichen Cybersicherheit (39 Prozent), App-Entwicklung (30 Prozent) und Data Science/Analytics (30 Prozent) erwartet. IT-Manager Fleischut sagt, dass er in diesem Jahr ebenfalls mehr IT-Personal einstellen wird, insbesondere Data Scientists, Architekten sowie Sicherheits- und Risikoexperten. Auch für Rockwell Automation sind IT-Talente ein heißes Thema, sagt Nardecchia. Er investiert in User Experience- und QA-Entwickler sowie in Data Engineers und KI-Analysten.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation cio.com