Wissenschaftliches Praktikum

In Indien lernen Informatiker Gelassenheit

24.05.2013 von Alexandra Mesmer
Absolvieren junge Informatiker in Indien ein wissenschaftliches Praktikum, lernen sie vor allem andere Arbeitsweisen kennen. Einige hat der Aufenthalt in Bangalore dazu angeregt, nach dem Studium für einen indischen IT-Dienstleister zu arbeiten.

Hakan Eroglu studierte schon zwei Jahre Informatik an der TU Darmstadt, als er sich für einen Auslandsaufenthalt interessierte. Etwas Ausgefallenes sollte es sein. Ein Professor machte ihn auf das Programm „Instep“ von Infosys aufmerksam, über das seit 1999 schon 2000 Studenten aus aller Welt Praktika auf dem Campus des indischen IT-Konzerns in Bangalore, Mysore, Pune und Hyderabad absolvierten.

Zehn Wochen in Bangalore

Hakan Eroglu absolvierte als Informatikstudent ein Praktikum in Indien.
Foto: Infosys

Zehn Wochen verbrachte Eroglu im SETLabs Institut in Bangalore und entwickelte ein Java-Programm zur Visualisierung von Software mit. Mit seinem indischen Tutor funktionierte der Austausch gut, wissenschaftlich und inhaltlich fand sich schnell ein gemeinsamer Nenner. Algorithmen sind auch in Indien Algorithmen. Die Herausforderung, in einem fremden Land zu arbeiten, erlebte der junge Informatiker erst im Alltag. Als sich sein Auge entzündet hatte und er um ein Taxi bat, um zum Augenarzt gefahren zu werden, fuhr zu seiner Überraschung ein Krankenwagen mit Blaulicht vor, um den vermeintlichen Notfallpatienten in die nächste Klinik zu bringen. „In Indien muss man sich immer sehr detailliert und klar ausdrücken, sonst führt das schnell zu Missverständissen“, wusste Eroglu danach. Auch sollte man sich peinlich genau an Vorgaben halten. So brauchte Eroglu einen Arbeitsnachweis, um eine indische SIM-Karte für sein Handy beantragen zu können. Weil im Arbeitsnachweis aber eine Zeile fehlte, wurde die SIM-Karte sofort gesperrt.

Radek Nowak lernte schnell, was indische Gelassenheit bedeutet.
Foto: Infosys

Dass in Indien viele Uhren anders ticken, erfuhr Radek Nowak schon vor Beginn des „Instep“-Programms. Nowak, der an der Universität zu Köln Wirtschaftsinformatik studierte und parallel dazu eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann absolvierte, erfuhr über einen Kommilitonen vom Instep-Programm. Nach zwei Telefoninterviews hatte er die Zusage für das zehnwöchige Praktikum in Bangalore in der Tasche, doch sein Visum kam in letzter Minute, noch zwei Tage vor Abflug war unklar, ob er würde fliegen können. Auch während seines Projektes, einer Marktanalyse für Mobile Banking, merkte Nowak schnell, dass indische Kollegen vieles ruhiger und gelassener und oft auch in letzter Minute angehen. „Man muss diese andere Arbeitsweise, diese innere Gelassenheit, einfach einkalkulieren“, weiß der heute 26-jährige Nowak, der wie Hakan Eroglu seit Abschluss des Studiums für Infosys arbeitet.

Eroglu, heute Management-Berater für Finanzdienstleister und Versicherungen, arbeitet in den meisten Projekten eng mit den Infosys-Kollegen in Indien zusammen und fragt zur Sicherheit öfters mal genau nach, ob seine Ausführungen richtig angekommen sind. Eroglu versteht es auch als seine Aufgabe, kulturelle Unterschiede auszugleichen: „Auch die deutsche Arbeitsweise schockiert Inder, sie kennen es nicht, wenn Anweisungen des Managements hinterfragt werden. Das führt auch dazu, dass man seine eigene Denkweise hinterfragt.“ Darum versucht Infosys die Berufseinsteiger auch in einem „Cultural-Awarness-Programm“ darauf vorzubereiten, wie indische Kollegen bestimmte Situationen wahrnehmen und warum man Frauen nicht länger als wenige Sekunden anschauen darf.

Tourismus-Attraktionen wie das Taj Mahal stehen auch für die Praktikanten auf dem Programm.
Foto: Infosys

In Indien selbst erlebten Eroglu und Nowak zwei getrennten Welten: Die eine des Infosys-Campus mit seinen Cafeterias, Restaurants, Pools und Fitnessstudios und die andere, in der sie sich nur mit Händen und Füßen verständigen konnten und in der sie mit Armut und Elend konfrontiert wurden. Diese Situation müsse man akzeptieren und dürfe sie nicht verurteilen, meint Eroglu.

Instep-Programm

1999 bot der Infosys-Konzern zum ersten Mal 13 jungen Amerikanern, in Indien ein wisschenschaftliches Praktikum zu absolvieren. Interkulturelle Zusammenarbeit galt es zu fördern ebenso wie Talente auf sich als Arbeitgeber aufmerksam zu machen, so die Ziele von Infosys-Gründer N.R. Narayana Murthy. Mittlerweile haben 2000 Studenten aus über 30 Ländern das acht- bis zwölfwöchige Programm durchlaufen, über 1200 von ihnen sind Mitglied des Alumni-Netzwerkes und 175 von ihnen arbeiten heute für Infosys. Für dieses Programm kooperiert Infosys mit 138 Hochschulen, in Deutschland sind dies die Universitäten in München, Aachen, Berlin, Karlsruhe, Mannheim, Köln und der WHU. Empfehlungsschreiben von Professoren sind eine der Voraussetzungen, um an dem Programm teilnehmen zu können. Unter www.infosys.com/Instep können sich Studenten dieser Partneruniversitäten für das Programm bewerben.

Virtuelle Teams: Beziehungspflege
Von Projekt Beginn an sollten intensive "Kennenlern-Komponenten" eingeplant werden. Teammitglieder müssen die Möglichkeit erhalten, emotionale Verbindungen zu den Kollegen herzustellen. Es ist wichtig, dass Mitglieder für das geschätzt werden, was sie sind und nicht für das, was sie tun. Idealerweise geschieht das über ein Face-to-face Kick-off-Meeting. Falls das nicht möglich ist, wäre eine virtuelle Vorstellungsrunde etwa in Wikis oder per Videokonferenz angebracht. Dabei könnten Mitglieder beispielsweise ihre Interessen, Ziele und Visionen sowie persönliche Bilder untereinander austauschen.
Interkulturelle und virtuelle Teams führen
Fünf Tipps von der Expertin Carolin Schäfer, damit internationale Projektarbeit in virtuellen Teams zum Erfolg wird.
Virtuelle Teams: Klare Ziele
Es zahlt sich aus, zu Anfang genügend Zeit in die Klarstellung des Teamzwecks, der Rollenverteilung im Team und den Verantwortlichkeiten zu investieren. Aufgrund der Distanz bestehen schon ausreichend Unsicherheiten, die nicht noch zusätzlich mit Verwirrung und Ungewissheit angereichert werden sollten. Klare Ziele und Aufgaben, einschließlich der Festlegung von wem, bis wann und in welcher Art diese zu erfüllen sind, schaffen Fokus und Klarheit für alle Teammitglieder.
Virtuelle Teams: Berechenbarkeit
Unmodern, aber nicht wegzudenken: Ein klarer Ablauf und Berechenbarkeit der Teammitglieder sind kritische Erfolgsfaktoren für virtuelle Teams. Ungewissheit erzeugt Zweifel, Angst und Rückzug. Das Resultat ist ein demotiviertes und unproduktives Team. Der Nutzen von einheitlichen Team Tools, Vorlagen, definierte Prozesse oder festgelegte Kommunikationszeiten tragen zu einem klaren Ablauf und somit zu Berechenbarkeit bei. Teamleiter sollten leicht erreichbar sein sowie den Dreh- und Angelpunkt im Team darstellen.
Virtuelle Teams: Ablaufvereinbarungen
Operationale Ablaufvereinbarungen legen Methodik und Prozesse der Teamarbeit fest und sollten zu Beginn des Projektes gemeinsam definiert werden. Ablaufvereinbarungen bedarf es in der Regel für Planungsprozesse, Entscheidungsfindung, Kommunikation und Koordination. Während virtueller Team-Meetings sollte der Teamleiter sich immer wieder Zeit nehmen zu prüfen, ob und wie gut die Ablaufvereinbarungen gelebt werden.
Virtuelle Teams: Aufmerksamkeit
Was bei Face-to-face-Teams selbstverständlich ist und in Kaffeeecken oder auf dem Flur vor dem Meeting informell passiert, sollten Manager von virtuellen Teams explizit einplanen, nämlich dass sie einzelne Teammitglieder auch außerhalb des offiziellen Meetings treffen. Jedes Mitglied sollte die Möglichkeit bekommen, mit dem Leiter persönliche Erfolge, Herausforderungen, Bedürfnisse und Wünsche zu besprechen. Die Distanz und die Technologien wecken leicht den Eindruck, dass Teammitglieder abstrakt und "ohne Gesicht" sind. Persönliche Aufmerksamkeit schafft Vertrauen, kostet wenig und bietet einen enormen Vorteil für jeden einzelnen im Team und letztlich für die gesamte Teamleistung.

(Computerwoche)