Analysten-Kolumne

In kleinen Schritten zum service-orientierten Unternehmen

15.04.2009
Service-Orientierung leistet weit mehr als die Veränderung einer IT-Anwendungslandschaft. Dafür muss sie allerdings das gesamte Unternehmen als Denk- und Strukturprinzip verstehen. Was service-orientierte Transformation (SOT) bedeutet.
Capgemini-Berater Rainer Berbner: "Serviceorientierung bringt erst dann den gewünschten Erfolg, wenn sie als ganzheitliches Konzept verstanden und umgesetzt wird."

Leider wird das Thema oft rein technokratisch betrachtet - und die vorhandenen Potenziale bleiben unerkannt. Kein Wunder: Es fehlt die Verknüpfung mit der Geschäftsstrategie.

Capgemini-Berater Jochen Bechtold: "Werden Management und Fachabteilungen frühzeitig in die Ausgestaltung der Business Services eingebunden, dann lassen sich die Potenziale gezielt nutzen."

Tatsächlich ist Service-Orientierung eine adäquate Möglichkeit für den CIO, näher an das Business heranzurücken und den Geschäftserfolg in bisher nicht gekanntem Maße mit zu beeinflussen. Insbesondere in Marktumgebungen, die sich schnell ändern, kann Service-Orientierung zum Schlüssel für nachhaltigen Geschäftserfolg werden.

Dabei muss eines richtig verstanden werden: Service-Orientierung ist weit mehr als die Beschäftigung mit Service-orientierten Architekturen (SOA). Ohnehin hat sich längst herumgesprochen, dass viele SOA-Projekte zu durchwachsenen Erfahrungen führen. Nach Analysten-Schätzungen bringt mehr als die Hälfte dieser Projekte nicht den gewünschten Erfolg; zuvor errechnete Kostensenkungspotenziale werden nicht gehoben oder die durch eine SOA propagierte Agilität ist nicht wahrnehmbar.

Wie kommt’s? Ein wesentlicher Grund liegt in der Tatsache, dass SOA vorwiegend als Architekturthema in der IT-Abteilung angesiedelt ist: SOA quasi als Selbstzweck der IT - und auf Geschäftsebene überhaupt noch nicht angekommen.

Umdenken notwendig!

Service-Orientierung bringt erst dann den gewünschten Erfolg, wenn sie als ganzheitliches Konzept verstanden und umgesetzt wird. Sie betrifft keineswegs nur die IT-Architektur, sondern vielmehr alle Geschäftsprozesse und die gesamte Organisationsstruktur, somit auch die Unternehmensstrategie. Deshalb muss sie als IT-Strategie realisiert werden, die in den Gesamtkontext der Unternehmensentwicklung eingebunden ist.

Konkret: Werden Management und Fachabteilungen frühzeitig in die Ausgestaltung der Business Services eingebunden, dann lassen sich die Potenziale gezielt nutzen. Gleichzeitig vermeidet das Unternehmen kostspielige Infrastrukturprojekte mit zweifelhaftem Ausgang. Und es entwickelt sich ein service-orientiertes Unternehmen (SOE, engl.: service oriented enterprise).

Abb 1.: Der Weg zum SOE führt über die service-orientierte Transformation.

Der Weg zum SOE führt über die service-orientierte Transformation: eine inkrementelle Veränderung des Unternehmens durch kleine und wohl definierte Transformationsschritte. Diese gut handhabbaren Teilschritte liefern messbare und direkt verwertbare Ergebnisse [siehe Abbildung 1].

Das Prinzip der "Concurrent Transformation" wird also um die Möglichkeit erweitert, den Transformationsmodus von einem einzigen, allumfassenden Schritt mit langen Zeithorizonten in eine Abfolge kleiner und stabiler Mikro-Transformationen zu verändern - die service-orientierte Transformation (SOT). Das Konzept macht es möglich, das Unternehmen kontinuierlich an neue Anforderungen und Marktbedingungen anzupassen.

Die Erfahrung aus einem Projekt für einen Weltmarktführer im Bereich kundenindividuelle Engineering-Dienstleistungen und Herstellung hat gezeigt, dass eine service-orientierte Transformation mit recht einfachen Mitteln möglich ist. Der konkrete Ansatz war, in einem ersten Schritt die Detailprozesse und -systeme auf lokaler Ebene weitgehend unberührt zu lassen und sich stattdessen auf Szenarien der übergreifenden Zusammenarbeit zu konzentrieren, die in gemeinsame Business Services umgesetzt wurden.

Gegen die Trägheit der Organisation

Abb. 2: die natürliche Trägheit von Organisationen schneller überwinden.

In dynamischen Märkten ist das Prinzip einer langfristig angelegten Transformation ohnehin obsolet, denn Strategien werden kontinuierlich überarbeitet und an neue Marktbedingungen angepasst. Die service-orientierte Transformation versetzt Unternehmen in die Lage,

Die service-orientierte Transformation versetzt Unternehmen somit in die Lage, das gesamte Unternehmen durch Mikro-Transformationen kontinuierlich zu optimieren, wobei durch eine Service Governance sichergestellt werden muss, dass das übergeordnete Transformationsziel erreicht wird.

Im oben erwähnten Projekt wurden erste neue Business Services innerhalb von sechs Monaten implementiert, der "Break-even" durch gemeinsamen Einkauf, reduzierte Engineering-Aufwendungen, erleichterten Technologietransfer, reduzierte Liefer- und Leerlaufzeiten und gemeinsame Kundenbearbeitung innerhalb der ersten Jahres erreicht.

Rainer Berbner und Jochen Bechtold sind Senior Consultants bei Capgemini Consulting.