Während die ITK-Messe CeBIT unter Besucher- und Ausstellerschwund zu leiden hat, erfährt die Industriemesse in Hannover einen regen Zuspruch. Im Vergleich zum Jahr 2012, als knapp 5000 Firmen ihre Waren und Lösungen in Hannover präsentierten, wird die HMI 2014 ihre Ausstellerzahlen wohl verbessern können (die Vergleichszahlen werden immer im Zwei-Jahres-Rhythmus erhoben, weil die HMI alternierende Branchenschwerpunkte setzt).
Weil Aussteller, Besucher und Medien darauf gedrängt haben, übernahm die Messe AG das Motto "Integrated Industry" des vergangenen Jahres, ergänzte es aber um die Zusatz "Next Step". Er soll signalisieren, dass es nun darum geht, "Technologien zu synchronisieren, vernetzen und in die Produktion zu bringen", sagte Jochen Köckler, Vorstandsmitglied bei der Messe AG, anlässlich einer Veranstaltung in Berlin, auf der einige HMI-Aussteller ihre Industrie-4-0-Produkte präsentierten.
US-Interesse an automatisierter Fertigung
Gemeinhin gilt die HMI als Gradmesser für den weiteren Konjunkturverlauf in Deutschland, weil auf der Leistungsschau Deals in der wichtigen Investitionsgüterbranche eingefädelt werden. Köckler ist zuversichtlich, dass die Messe gute Signale aussenden wird, denn das Umfeld für Investitionen ist in Deutschland und den USA sehr günstig: Hüben, weil die hiesigen Firmen einen enormen Rückstau an notwendigen Investitionen aufgebaut haben. Drüben in den USA, weil das Fracking die Energie günstig macht und die Lohnvorteile im Ausland schwinden. Beides begünstigt das so genannten Reshoring: Unternehmen holen die ins Ausland ausgelagerte Produktion wieder zurück, um sie vor Ort hoch automatisiert zu betreiben. Dafür benötigen sie neue Anlagen, die vielfach deutsche Hersteller liefern. Im vergangenen Jahr wurden beispielsweise Apple-Mitarbeiter auf der HMI gesichtet. Sie sollen sich über die Möglichkeiten einer automatisierten iPhone-Fertigung in den USA informiert haben.
Ein wichtiger Baustein dafür ist eine intelligente, vernetzte und sich selbst organisierende Fertigung. Ein Blick auf die Industrie-4.0-Produkte, die auf der HMI gezeigt werden, lässt erahnen, dass der Weg dorthin noch weit ist (siehe Bilderstrecke). Aktuell beschäftigen sich viele Zulieferer der Anlagen- und Maschinenbauer damit, ihren Komponenten und Sensoren Vernetzungsmöglichkeiten und Intelligenz einzupflanzen. Unter dem Industrie-4-0-Label werden vielfach Bemühungen gezeigt, das analoge Einheitssignal in der Fertigungs- und Prozessindustrie (vier bis 20 mA; Milliampere) samt der angeschlossenen Sensoren in die IP- und Ethernet-Welt zu hieven.
Forschungsinitiative entwirft eine Industrie-4.0-Modellfabrik
Eine Vorreiterrolle in Sachen Industrie 4.0 spielt in Deutschland das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern. Es hat zusammen mit Forschungspartnern in der Vergangenheit bereits intelligente Modellfabriken aufgebaut. Auf der HMI will man wieder zeigen, wie Industrie 4.0 funktionieren kann und wird dort beispielhaft Etuis für Visitenkarten automatisiert fertigen.
Das DFKI versteht sich auch als Anschieber für neue Lösungen, weil die Branche zurzeit im Henne-Ei-Dilemma steckt: "Man kann noch keine Industrie-4.0-Produkte kaufen, weil man noch nicht genau weiß, was die Anwender brauchen", beschreibt Detlef Zühlke, Leiter des Forschungsbereichs Innovative Fabriksysteme am DFKI, das aktuelle Problem. Das DFKI will helfen und hat dazu etwa einen Mini-Computer mit Linux-Betriebssystem und Ethernet-Anschluss in der Größe von drei Stück Würfelzucker namens "µWeb Server" entworfen. Er kann Maschinen, Sensoren und Aktoren mit der IT-Welt verbinden.
Standardkomponenten für die plug-and-play-Fertigung
Der µWeb Server erfüllt eine wichtige Bedingung, die laut Zühlke Grundvoraussetzung für eine smarte Fabrik sind: Er ist plug-and-play-fähig. In der Fertigung der Zukunft müssen sich Anlagen und Systeme während des Betriebs austauschen lassen, ohne die Produktion zu unterbrechen. Dazu wären offene Standards erforderlich, wie sie es in der IT-Industrie etwa mit dem Internet-Protokoll und der USB-Schnittstelle gibt.
Doch die Offenheit hat einen hohen Preis, weil die Systeme wiederum vor Manipulation und Fremdzugriffen geschützt werden müssen. "Bislang hatten die Sofa-Hacker kein Interesse daran, an diese Systeme heranzugehen", sagte Zühlke. Das könnte sich mit Industrie 4.0 ändern, so dass auch neue Lösungen für den Schutz von Fertigungsanlagen notwendig sind.