Mehr Effizienz bei der Beschaffung - etliche Unternehmen haben sich das auf die Fahnen geschrieben. Angefeuert werden sie dabei von einer kaum überschaubaren Zahl von Software-Anbietern, Beratern und IT-Dienstleistern, die erst einmal für groß angelegte E-Procurement-Projekte kassieren, bevor gespart werden kann. Günther Reinelt ist bei Miele einen anderen Weg gegangen. Drei bis fünf Prozent Einsparungen erzielte der Haushaltsgerätehersteller seit Abschluss des Projekts "4 M 4 Me" beim Einkauf von Kabelbäumen, Verpackungen, Mess- und Prüftechnik oder IT-Endgeräten; in manchen Warengruppen sind es sogar zehn Prozent. Bei einem Gesamteinkaufsvolumen von mehr als einer Milliarde Euro im Jahr kommen so beachtliche Summen zusammen. "Neu erfunden haben wir dafür nichts", betont Reinelt; "wir setzen nur mit bislang unüblicher Konsequenz bekannte Werkzeuge ein."
In einem Zeitraum von 15 Monaten hat die zentrale Einkaufskoordination in Gütersloh die Internet-basierte Verschmelzung eines ganzen Bündels digitaler Einkaufswerkzeuge abgeschlossen. Hinter dem Projektkürzel steckt mehr als nur das Thema E-Procurement. "4 M 4 Me" ist ein Satz methodischer und digitaler Einkaufswerkzeuge, den jeder Einkäufer je nach Bedarf zusammenstellt.
Portal für Lieferanten
Miele ist ein dezentral organisiertes Unternehmen, das an neun Standorten in Deutschland und Österreich produziert. Alle Werke benötigen in bestimmten Intervallen Stahlblech, Kunststoffgranulat, Schrauben, Strom, Hubwagen, Kraftfahrzeuge oder Reisedienstleistungen. Die große Fertigungstiefe - manche Standorte stellen bis zu zwei Drittel der Teile eines Geräts selbst her - bedeutet, dass es im Einkauf darum geht, Zulieferer für komplexe, Miele-spezifische Baugruppen und Module zu finden.
Dabei half bereits vor Projektbeginn die Informationstechnologie. Miele hatte Werkzeuge zum katalogbasierten E-Procurement, ein Einkaufsportal für Lieferanten und ein digitales Einkaufs-Controlling im Einsatz. Doch jenseits der monothematisch arbeitenden, standortübergreifenden Einkaufsteams wurde deren Einsatz nicht koordiniert. In diesem dezentralen Durcheinander sollte Reinelt, der 1998 zu Miele stieß, durch die Bündelung vorhandener IT-Systeme Synergien erzeugen, ohne die Grundprinzipien der Firmenkultur außer Kraft zu setzen. Denn Miele ist erfolgreich. Seit 1899 fertigt das Familienunternehmen aus Gütersloh Qualitätsprodukte für Küche und Haushalt. Rund 15000 Mitarbeiter erwirtschafteten 1999 mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz - Tendenz steigend. Reibungsverluste zu vermeiden war also die größte Herausforderung für den neuen Einkaufschef. Sein Ziel: positive Effekte wie Nachfragebündelung oder die Senkung der Prozesskosten beim digitalen Einkauf für das Unternehmen zu erschließen.
Dazu holte Miele die Unternehmensberatung Brain-Net zu Hilfe. Die Bonner Berater brachten ihre Auktions-, Ausschreibungs- und Einkaufsallianz-Tools in das Projekt ein. Vor allem aber unterstützten sie Miele bei der Auswahl geeigneter Werkzeuge und - wichtiger noch - bei den organisatorischen Umstellungen für "4 M 4 Me". Brain-Net-Projektleiter Marcus Schüller: "Es ging weniger um Software als darum, wie man diese Werkzeuge sinnvoll einsetzen kann."
SAP allein reicht nicht
Bis 1998 arbeitete Miele mit einem selbst entwickelten Warenwirtschaftssystem, dass dann durch SAP ersetzt wurde. Doch die transaktionsorientierten R/3-Module waren für einen nutzerorientierten Ansatz nicht flexibel genug. Eine Reihe von Miele-spezifisch eingestellten und zum Teil eigens entwickelten Subsystemen greift heute auf den Datenpool von SAP zu. Auf Basis dieser Daten entwickelte Brain-Net das MaterialgruppenManagement bei Miele. Dabei wird der Bedarf an PCs, Verpackungen oder Produktionsmaterial unternehmensweit erfasst, strukturiert und mit einheitlichen Beschaffungswerkzeugen bearbeitet.
Die zentrale Einkaufskoordination ist im Laufe der Zeit zu einer Beratungsinstitution in Einkaufsfragen für die gesamte Miele-Gruppe geworden. "Wir sind nicht die Obereinkäufer, sondern leisten Hilfestellung", umreißt Reinelt die Aufgaben seiner vier Mitarbeiter starken Abteilung. Sie fungiert als Einkaufslabor und überprüft die Praxistauglichkeit etwa von Online-Auktionen, Ausschreibungen oder B2B-Plattformen.
Wichtig ist dabei nicht nur, ob sich mit Methode X Geld sparen lässt, sondern auch, ob Qualität und Verfügbarkeit der zu beschaffenden Güter und Leistungen stets gewährleistet sind. "Wenn ein digitales Werkzeug erfolgreich erprobt wurde, bieten wir es den Standorten an", sagt Reinelt. Die Tools werden zentral vorgehalten und gewartet.
Werke kaufen eigenständig ein
Parallel zu diesen Entwicklungen wurden die Mitarbeiter geschult. "Wir brauchen Profis, die selbstständig und zielorientiert mit den anspruchvollen Werkzeugen umgehen können", sagt Reinelt. "Die Mitarbeiter sollen die Lösungen akzeptieren." Und sie müssen allein entscheiden können, ob für die Beschaffung neuer Paletten, Gebrauchsanweisungen oder Waschmaschinentrommeln eine Order auf einem Marktplatz, eine Ausschreibung oder gar eine Reverse-Auction angebracht ist.
Sämtlichen Transaktionen liegen heute standardisierte Katalogisierungs- und Bewertungskriterien zugrunde. Die digitalen Tools helfen dem Handwerker, der per Mausklick einen Hammer bestellt, ebenso wie dem Einkäufer, der eine Auktion für Europaletten erstellen muss. Die Controllerin kann dann für den Quartalsbericht die Transaktionen aller Mitarbeiter analysieren. Reinelt: "Wir sind inzwischen so akzeptiert, dass unsere Zahlen auch vom Gesamt-Controlling ohne Veränderungen übernommen werden."