Indien ist nach wie vor die Offshore-Region Nummer eins. Angesichts der dort steigenden Löhne und der hohen Fluktuation könnten aber schon bald andere Niedriglohnländer dem Subkontinent den Rang ablaufen, glauben einige Experten. Sid Pai, Managing-Partner und Indien-Geschäftsführer der Outsourcing-Beratungsfirma TPI, sieht das anders. Seiner Erfahrung nach steigen die Löhne nur auf der mittleren Ebene: "Die Heerscharen von Arbeitskräften, die einfache Programmiertätigkeiten verrichten, sind nach wie vor sehr billig." Und die untere Ebene sei es auch, die weiter wachse: "Die indischen IT-Dienstleister stellen ja hauptsächlich junge Leute ohne Berufserfahrung ein", beobachtet Pai. Die Lohnunterschiede zu neuen aufstrebenden Offshore-Regionen wie China seien daher gar nicht so groß. Auch in der hohen Fluktuation sieht der Berater kein großes Hindernis für das Offshoring nach Indien. "Das ist normal in boomenden Branchen. In der Dotcom-Ära gab es in den USA zum Teil Fluktuationsraten von 30 Prozent."
Indien wird als Offshore-Region eher noch an Bedeutung gewinnen, glaubt Pai. Angesichts der demografischen Entwicklung seien die westlichen Industrienationen künftig zunehmend auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. In Indien dagegen seien fast zwei Drittel der Bevölkerung (64 Prozent) unter 30 Jahre alt. Damit biete der Subkontinent einen enormen Pool an jungen und damit günstigen Fachkräften, mit denen speziell China nie mithalten könne: "Mit seiner Ein-Kind-Politik hat China eine ganz andere Alterspyramide, da kommen einfach nicht so viele Junge nach", so Pai.
Vor diesem Hintergrund ist der Experte überzeugt, dass auch die deutschen Unternehmen künftig verstärkt in Indien aktiv sein werden: "Die Deutschen sind beim Thema Offshoring nicht zurückhaltender, sie sind nur später dran als die USA, Großbritannien und Skandinavien. Aber das ist ja bei vielen technischen Entwicklungen der Fall." Und speziell einige Großunternehmen seien ja schon seit vielen Jahren in Indien präsent. Die hiesigen Anwender seien vielmehr zurückhaltend, wenn es darum geht, solche Aktivitäten publik zu machen. Zum Teil seien sie darüber selbst nicht im Bilde, beobachtet der Consultant: "Manche Outsourcing-Kunden interessiert es gar nicht, wo die externen Leistungen erbracht werden, Hauptsache sie sind billig."