Starke Vorsätze, schwache Umsetzung: Wenn es um die Industrialisierung der IT in Unternehmen geht, klaffen Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander. Insbesondere bei der Reduktion der Fertigungstiefe sind weit weniger Fortschritte gemacht worden, als vorhergesagt.
Zwar prognostizieren die IT-Verantwortlichen vieler Unternehmen immer wieder einen deutlichen Rückgang bei Eigenleistungen, aber Fakt ist: Die durchschnittliche Fertigungstiefe sinkt keineswegs, sondern steigt seit 24 Monaten an. Offensichtlich sind viele Unternehmen eben noch nicht in der Lage, ihre Ziele in Sachen Outsourcing umzusetzen.
Nachgewiesen wird die Diskrepanz durch die jährlichen IT-Studien von Capgemini, bei denen die Ist- und Sollwerte zur Industrialisierung abgefragt werden. Seit nunmehr drei Jahren lässt sich die Entwicklung präzise verfolgen. Besonders kräftig sollte die Fertigungstiefe beim Infrastrukturmanagement fallen, nämlich von durchschnittlich 61 auf 46 Prozent, und bei der Softwareentwicklung immerhin von 44 auf 38 Prozent.
Wenn man die Gesamtsicht einnimmt muss man also konstatieren, dass bislang nichts von den Prognosen wahr geworden ist, auch nicht ansatzweise. Im Gegenteil: Die Tendenz ist weiter steigend.
Fertigungstiefe: Was die Leader von Challengern, Insourcern und Followern unterscheidet
Und doch sollten wir nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten. Bei einer etwas differenzierteren Betrachtung muss man einräumen, dass es nicht wenige aktive und durchaus erfolgreiche Verfechter der Industrialisierung gibt, die längst auf einem guten Weg sind. Wir nennen sie die "Leader" – und stellen in dieser Gruppe eine durchschnittliche Fertigungstiefe von 31 Prozent fest.
Nicht ganz so weit haben es die "Challenger" gebracht, die aber ebenfalls auf einem guten Weg sind. Sie sind bereits dabei, ihre Eigenleistung für die Zukunft sichtbar zu senken, und zwar unter den Durchschnitt des Marktes.
Auf der anderen Seite der Skala sehen wir die "Follower" und die "Insourcer", deren Fertigungstiefe auch in Zukunft über dem Durchschnitt liegen wird. Zurückzuführen ist das oft auf das persönliche Verständnis des Begriffs "Business Partner" innerhalb ihres Unternehmens.
Die "Leader" unter den IT-Fachbereichen verstehen sich mehrheitlich als Dienstleister des Unternehmens, der für die reibungslose Lieferung von IT zuständig ist. Sie verstehen sich weniger als Business Partner des Managements, der geschäftliche Anforderungen im Managementprozess begleitet und in technische Lösungen umsetzt.
Letzteres treibt eher die "Follower" an, die ihre primäre Aufgabe darin sehen, mit technischen Innovationen zum Unternehmenserfolg beizutragen. Sie empfinden deshalb auch nicht den Effizienzdruck der „Leader“ und ihre Einstellung gipfelt nicht selten in der radikalen Ablehnung von Outsourcing. Gleichzeitig stufen "Follower" den Anteil der IT an der Umsatzgenerierung deutlich höher ein als "Leader".
IT-Industrialisierung: Ein Trend, aber keine Massenbewegung
Bei solchen Präferenzen darf es nicht wundern, wenn die Reduktion der Fertigungstiefe als Bestandteil der IT-Industrialisierung nicht vorankommt. Doch die prozentuale Verteilung der hier betrachteten Industrialisierungstypologien lässt hoffen: Zwar stellt das Lager der "Follower" mit über 45 Prozent die größte Gruppe dar, aber die zur Industrialisierung hin orientierten "Leader" und "Challenger" sind zusammen noch größer. "Insourcer", die ihre Fertigungstiefe wieder steigern, sind demgegenüber vergleichsweise selten anzutreffen.
Der Trend ist also gesetzt, aber bis der Trend zur Massenbewegung wird, werden noch ein paar "Follower" zu "Leadern" konvertieren müssen."
Uwe Dumslaff ist Vorstand bei Capgemini sd&m.