Einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zufolge legt fast jeder zweiter Betrieb beabsichtigte Investitionen auf Eis oder streicht Budgets zusammen. Bei Großunternehmen ab 1.000 Mitarbeitern sind es zwei Drittel. DIHK-Präsident Eric Schweitzer sprach von "erschreckenden Zahlen".
Die deutsche Industrie sei normalerweise ein "Treiber für Innovation" und investiere wie keine andere Branche in Forschung und Entwicklung. Hintergrund ist die Sonderauswertung einer DIHK-Blitzumfrage, Ergebnisse lagen der Deutschen Presse-Agentur vor.
Sparen, um zu überleben
Keine andere Branche setze damit so stark den Rotstift bei den Investitionsplänen an wie die Industrie, in der Gesamtwirtschaft seien es 36 Prozent der Betriebe. Zudem müssten 43 Prozent der Unternehmen Kosten senken und 35 Prozent Personal abbauen. "Es macht mir große Sorgen, wenn Industrie-Unternehmen jetzt an ihrer eigenen Zukunft sparen müssen", so Schweitzer.
Zwar sei die Industrieproduktion vielerorts während des Lockdowns mit angezogener Handbremse weiter gelaufen. "Von Normalität sind wir aber auch in der kommenden Zeit noch weit entfernt." Die Krise werde tiefe Spuren in den Bilanzen hinterlassen. Selbst wenn die Geschäfte und Produktion wieder in Gang kämen, fehle es vielen Betrieben an finanziellen Mitteln für Investitionen und Auftragsvorfinanzierungen. Dies habe gravierende Folgen für die Gesamtwirtschaft, die Industrie trage knapp ein Viertel zur deutschen Wirtschaftsleistung bei.
Die Corona-Krise hat die deutsche Wirtschaft in eine Rezession gestürzt, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im ersten Vierteljahr im Vergleich zum Vorquartal um 2,2 Prozent. Das teilte das Statistische Bundesamt mit. Der Rückgang sei im Quartalsvergleich der mit Abstand stärkste seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 und der zweitstärkste seit der deutschen Wiedervereinigung.
BIP-Rückgang in 2020 könnte bei über sechs Prozent liegen
Die Bundesregierung rechnet für das Gesamtjahr mit einem BIP-Rückgang von mehr als sechs Prozent. Die Politik hat milliardenschwere Hilfsprogramme beschlossen. Millionen von Beschäftigten sind in Kurzarbeit.
Ein großes Problem für die exportorientierte deutsche Industrie ist laut DIHK, dass es in anderen Weltregionen zu Liefer- und Produktionsausfällen sowie zu Nachfragerückgängen kommt. Etwa jedes vierte Unternehmen berichte in der Umfrage von fehlenden Waren und Dienstleistungen in der Wertschöpfungskette sowie logistischen Engpässen. Bei fast drei Viertel der Betrieben gibt es eine geringere Nachfrage nach ihren Produkten.
Die Folge: Die Industrie beginne, Lieferketten auf regionale und europäische Lieferanten umzustellen, als Reaktion auf Grenzschließungen sowie Liefer- und Transportprobleme. Laut Umfrage suchten 17 Prozent der Industriebetriebe und Großhändler aktiv nach neuen Lieferanten, überwiegend in Deutschland und anderen EU-Ländern.
Ob dies ein langfristiger Trend sei, könne derzeit noch nicht abgesehen werden: "Wahrscheinlich ist aber, dass Industrie-Unternehmen ihre Lieferketten in Zukunft stärker auf Risiken ausrichten und diese entsprechend breiter gestalten." (dpa/rs)