Wer Google immer noch für eine Suchmaschine hält, liegt schon lange falsch. Längst ist das Unternehmen aus Mountain View, Kalifornien, zu einem der weltgrößten Datensammler geworden.
Google gleicht systematisch Suchanfragen seiner Nutzer mit Google-Mails, Google-Maps oder Google-Docs ab. Daraus erstellt das Unternehmen aussagekräftige Profile, die mehr Informationen über die Nutzer enthalten als ein handgeschriebener Lebenslauf. Auch wenn Name und Adresse fehlen, können Werbetreibende diese Informationen gezielt für Marketing-Maßnahmen nutzen.
Das, was Google macht, nennt die Telekom-Beratungstochter Detecon ein "datenzentrisches Geschäftsmodell". Gezielt Geschäfte mit Daten zu machen, könnte zu einer der prägendsten Eigenschaften der Informationsgesellschaft werden, in der die Information nicht mehr Begleiterscheinung ist, sondern eine eigenständige Ware.
Prinzipiell sehen das auch fast alle Unternehmen so, wie eine Umfrage der Detecon unter 150 IT-Führungskräften aus allen Branchen in Deutschland zeigt. Satte 94 Prozent vertraten dort die Ansicht, dass Daten und Informationen beim Aufbau neuer Produkte und Dienstleistungen als "strategisch besonders wertvolles Gut" einzuschätzen sind.
Ruckedigu, Chip ist im Schuh
In der Realität hat sich diese Erkenntnis aber bislang nur unzureichend durchgesetzt. So werden Unternehmensdaten systematisch - wenn überhaupt - vor allem bei der strategischen Entscheidungsfindung und beim Controlling solcher Weichenstellungen eingesetzt. Als eingeständiges Geschäftsmodell existiert das gezielte Erheben und Verarbeiten von Informationen nur selten.
Aber es gibt Beispiele, wie das funktionieren kann. Der Buchladen Amazon etwa arbeitet gezielt mit Informationen, die aus den Geschäften mit seinen Kunden stammen: Der Online-Händler merkt sich die Einkäufe und Suchanfragen seiner Kunden, um ihnen bei weiteren Besuchen Vorschläge für Neukäufe zu machen. Das Cross-Selling ist längst zu einem festen Bestandteil des Geschäftsmodells geworden.
Der Turnschuhhersteller Nike - ein anderes Beispiel - hat in eins seiner Modelle einen Chip integriert, der die Laufdaten misst und ins Internet stellt. In der Community dort werden diese Leistungsdaten verglichen und bieten dem Käufer damit einen angenehmen Mehrwert. Der Hersteller kann das Ergebnis als Erlebniswelt rund um sein Produkt gezielt vermarkten.
Gerade das letzte Beispiel zeigt: Datenzentrische Geschäftsmodelle eignen sich nicht nur für reine Internet-Unternehmen. Im Gegenteil: Mit kreativen Ideen ist prinzipiell jedes Unternehmen in der Lage, "Metadaten" gezielt zu vermarkten. Unter den Begriff fallen Daten, die im engeren Sinne nicht zu einem Produkt gehören, aber im Zusammenhang mit dem Verkauf oder dem Nutzen dieses Produktes gewonnen werden. Die Nutzung solcher Daten kann für Unternehmen ein profitables Geschäft sein, meint denn auch Detecon-Analyst Volker Rieger.
Die Chancen dafür stehen gut. "Unter den Stichworten Globalisierung und Internet-Economy hat sich in den letzten zehn Jahren ein massiver industrieller Strukturwandel weg von der physischen Produktion und der Abwicklung einfacher Transaktionen hin zu immaterieller Wertschöpfung basierend auf Informationen und Wissensaustausch vollzogen", schreibt Rieger in einer Analyse.
Web 2.0 als unerschöpfliche Quelle für Innovationen
Dabei gilt vor allem die "Informationsflut des Internets, besonders in den Zeiten des Web 2.0, als unerschöpfliche Quelle von Innovationspotenzialen und neuen datenzentrischen Geschäftsmodellen." Das bestätigen auch andere Analysen, zum Beispiel die der Experton Group: "BI goes Web 2.0" ist einer der fünf aktuellen BI-Trends bei den Marktforschern.
Durch moderne Technologien sei es heute sehr viel leichter als früher, Informationen zu gewinnen. Viele Daten fallen zum Beispiel automatisch bei der Produktion oder beim Handel mit Produkten und Dienstleistungen an. "Die (teil-) automatische Erzeugung von Metadaten ist im Professional- und Consumer-Bereich Standard", behauptet die Detecon.
Andere Daten müssen gezielt erhoben werden. Hier kommt - die Beispiele erfolgreicher Online-Unternehmen zeigen das - das Internet ins Spiel, genauer: das Web 2.0 mit seinen sozialen Netzwerken.
"Grundsätzlich", so die Detecon, "agieren erfolgreiche Web-2.0-Unternehmen als Vermittler von Informationen. Sie sammeln diese nicht nur aus vielfältigsten Quellen im Web, sondern binden das Wissen und die Informationen ihrer Kunden eng in die laufende Erweiterung der eigenen Datenbanken mit ein."
Die gesammelten Daten würden anschließend in einer "strukturierten Weise" abgelegt, so dass Auswertungen automatisiert möglich sind. "Schließlich", heißt es bei dem Beratungsunternehmen, "stellen sie ihre Informationen über eine Reihe von Distributionskanälen zur Verfügung".
Informations-Projekte brauchen eine funktionierende BI-Infrastruktur
Wer auch für sein Unternehmen ein datenzentrisches Geschäftsmodell verfolgen möchte, muss zunächst über eine geeignete Infrastruktur verfügen. Dazu gehören leistungsfähige und skalierbare BI-Server und -Frontends, die in der Lage sind, eine stetig wachsende Menge von Daten in Echtzeit aufzunehmen und zu verarbeiten.
Volker Rieger erwartet, dass daher die Nachfrage nach Software und Dienstleistungen entlang der Wertschöpfungskette in den nächsten Jahren zweistellig wachsen wird. "Viele Unternehmen beginnen jetzt, wesentliche Elemente eines datenzentrischen Geschäftsmodells wie Master Data Management oder die Sicherstellung von Datenqualität konsequent umzusetzen", meint der Detecon-Partner.
Auf der Grundlage einer funktionierenden Infrastruktur folgt die detaillierte Analyse der Potenziale datenzentrischer Geschäftsmodelle. Dabei hilft die "Informationswertschöpfungskette und ihre Abbildung auf den Workflow": Generierung/Akquisition - Speicherung/Archivierung - Ansammlung/Verarbeitung - Integration - Analyse - Präsentation. Schließlich münden solche Projekte in gezielten Service-Angeboten mit echtem Mehrwert für die Fachabteilungen des Unternehmens oder für die Kunden.