Gläserne Bürger hätten die Politiker auf der Suche nach Daten zur Verbrechensbekämpfung ja schon gerne. Nicht umsonst propagieren vor allem konservative Interessensvertreter zum Beispiel eine möglichst umfassende Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations- und Computer-Daten. In der Umkehrung dieses Transparenz-Prinzips sieht es nicht ganz so rosig aus: Wenn es darum geht, der Öffentlichkeit Daten aus eigentlich öffentlichen Verwaltungen in Bund, Ländern und Kommunen für eigene Arbeiten zur Verfügung zu stellen, sieht die Bilanz eher dürftig aus.
Dabei war es die Bundesregierung, die ein solches Programm unter dem Schlagwort Government 2.0 auf den Weg gebracht hat. Vorzeigbare Beispiele gibt es daraus aber noch nicht so viele, wie Axel Drengwitz, Berater bei Steria Mummert Consulting, im Gespräch mit unserer Schwesterpublikation CIO.de berichtet.
Open Data bezeichnet Wikipedia zufolge "eine Idee oder Bewegung mit der Absicht, Daten öffentlich frei verfügbar und nutzbar zu machen". Die Transparenz ist eine der drei Säulen des Open-Government-Konzeptes von US-Präsident Barack Obama.
Die beiden anderen Stützpfeiler heißen Collaboration und Partizipation. Alle drei Bestandteile des Konzepts beschreiben ein neues Verhältnis von Behörden zu ihren Bürgern und umgekehrt.
Daten fallen in öffentlichen Verwaltungen reichlich an, und es gibt in der öffentlichen Wahrnehmung zahlreiche Fälle, in denen man sich den Zugang zu solchen Daten gewünscht hätte: Die Kreditaffäre des gerade zurückgetretenen Bundespräsidenten Wulff zum Beispiel, oder Gammelfleischskandale, in denen die Behörden die Namen der Verursacher verschweigen. Interessant könnten auch Details aus den Haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden sein, die unter Umständen - ein Schelm, wer Böses dabei denkt - Hinweise für Misswirtschaft und Kungelei ergeben könnten.
Open Data lässt Verwaltungen effizienter arbeiten
Auch aus Sicht der unter knappen Budgets leidenden Verwaltungen ist Open Data ein interessantes Projekt: Haben Bürger Zugriff auf öffentliche Daten, kann die Verwaltung in ihrer Kommunikation mit den Bürgern sehr viel effizienter werden.
Wenn sich jeder über Staus oder - wie in Bremen in einem Pilotprojekt zu Open Data - über den Standort von Automaten für Hundekottütchen informieren kann, muss kein Sachbearbeiter diese Auskünfte mehr persönlich erteilen. Im Grunde genommen sind diese Self Services eine sehr attraktive Perspektive für die öffentlichen Verwaltungen, weil sie den Personaleinsatz im Dienst für die Bürger stark reduzieren helfen.
In England, so sagt Steria Mummert-Experte Drengwitz, sind durch die Veröffentlichung von Daten ganze Berufszweige neu entstanden, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Qualität der gelieferten Daten zu verbessern. Da im Rahmen der Open-Data-Lizenzen solche verbesserten Daten an die Kommunen zurück geliefert werden, profitiert auch direkt die Verwaltung davon.
Auch die freie Wirtschaft gehört zu den Nutznießern von Open Data, weil sie, wie Axel Drengwitz beschreibt, "in medienbruchfreien, auf Standards beruhenden Prozessen und in einheitlichen Datenmodellen" mit den Verwaltungen kommunizieren könne.
Und zum Schluss haben auch die Bürger selbst Vorteile durch Open Data: Sie können selber nach für sie wichtigen Informationen suchen, ohne auf die oft knapp bemessenen Öffnungszeiten und Kontaktmöglichkeiten der Behörden Rücksicht nehmen zu müssen. Und für sie gewinnen öffentliche Institutionen über Open Data die Transparenz, deren Fehlen in den vergangenen Wochen und Monaten so oft bemängelt wurde.
Allerdings, berichtet Axel Drengwitz aus seiner Beratungspraxis als Experte für die Themen E-Government und Open Data, machen zwei Phänomene aus dieser eigentlich typischen Win-Win-Situation für Bürger auf der einen sowie Politiker und Behörden auf der anderen Seite ein schwieriges Unterfangen.
Viele Politiker haben kein Interesse an Transparenz
Zunächst einmal, meint Drengwitz, hätten nur wenige Politiker überhaupt stets Interesse an Transparenz. Die Gefahr, auch das zeigen jüngste Beispiele von Guttenberg bis Wulff, dass persönliche Verfehlungen oder Fehler durch die Offenlegung von Daten ans Tageslicht kommen, sind einfach zu groß.
Auch die Informationen, die man zum Beispiel durch das Verknüpfen unterschiedlicher Datenquellen aus Haushalten ziehen könnte, seien für Politiker eine potenzielle Gefahrenquelle. Insofern bedürfe es eines kulturellen Wandels, meint Drengwitz, um das Ziel der Transparenz überall zu verankern.
Ein Paradigmenwechsel sei auch bei den Behörden nötig. "Die sehen sich oft noch nicht als Dienstleister, sondern als Institution, die für Recht und Ordnung sorgt", meint der Berater von Steria Mummert.
Und so ist der Stand bei allem öffentlich propagierten guten Willen eher ernüchternd: "Die Kommunen zögern, Open Data zu realisieren", so Drengwitz. Grund dafür seien auch fehlende Standards und Budgets. "Die Kommunen warten darauf, dass Bund und Länder Standards für die Kommunikation mit den Bürgern setzen." Beim Beispiel E-Government habe das funktioniert, so Drengwitz. Hier habe der Bund die geforderten Standards gesetzt, die nun von den Kommunen auf unterster Ebene übernommen werden können. So weit sei es bei Open Data aber noch nicht.
Auch die Datenlage vor Ort gibt momentan wenig Anlass für Optimismus. Wie Unternehmen, haben auch die Kommunen mit einer Vielzahl inkompatibler und inkonsistenter Daten aus unterschiedlichsten Anwendungen zu kämpfen. So dürfte es momentan ein großes Problem sein, Daten zu generieren, mit denen man überhaupt arbeiten könnte.
Open Data ist Change Management
Der Experte rät daher dazu, zunächst nach exemplarischen Anwendungsmöglichkeiten für Open Data zu suchen. Wo etwa eine kritische Masse an Anfragen so reduziert werden kann, dass für Behörden unterm Strich deutliche Einsparungen stehen, könne Open Data schneller realisiert werden. Und mit einzelnen Leuchtturmprojekten sei man in der Lage, die Vorteile von Open Data für beide Seiten zu verdeutlichen und so dem Open-Data-Gedanken Vorschub zu leisten.
Die Einführung von Open Data ist, so Axel Drengwitz, im Kern ein Change-Management-Projekt für die öffentliche Verwaltung. Der notwendige kulturelle Wandel in der Politik in Bezug auf Transparenz und der ebenfalls nötige Paradigmenwechsel der Verwaltung in Richtung Service-Unternehmen müssten zuerst kommen.
Erst dann könne man daran gehen, offene Daten in unterschiedlichen Bereichen nutzbar zu machen - auch wenn das sinnvolle Pilotprojekte auf allen Verwaltungsebenen von Bund, Ländern und Gemeinden nicht ausschließen mag.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.