Eon will dazu in einem ersten Schritt die RWE-Tochter Innogy kaufen. Danach wird das gerade mal zwei Jahre alte Ökostromunternehmen zerschlagen: RWE wird das Geschäft mit erneuerbaren Energie bekommen und zudem Eons Aktivitäten in dem Bereich übernehmen. Eon will sich künftig vor allem auf Energienetze konzentrieren.
Die Versorger haben dazu eine Grundsatzeinigung erzielt, wie die beiden Konzerne der Nacht auf Sonntag mitteilten. Eon will demnach den gesamten RWE-Anteil an Innogy von knapp 77 Prozent übernehmen. RWE erhält dafür zunächst einen Anteil von knapp 17 Prozent an Eon; die Anteile werden aus einer Sachkapitalerhöhung stammen. Dann werden die diversen Geschäftsteile hin- und hergetauscht. RWE zahlt als Ausgleich noch 1,5 Milliarden Euro an Eon.
Konsolidierung auf deutschem Energiemarkt
Bindende Verträge wurden noch nicht abgeschlossen. Vor Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung bedürfe es noch der Zustimmung der Gremien von Eon und RWE. Die Durchführung der gesamten Transaktion sei in mehreren Schritten geplant und stehe unter dem Vorbehalt der kartellrechtlichen Zustimmung, hieß es. Eon hatte erst vor kurzem den noch verbliebenen knapp 47-prozentigen Anteil an der früheren Kraftwerktstochter Uniper an den finnischen Energieversorger Fortum abgegeben.
Den Innogy-Aktionären unterbreitet Eon ein freiwilliges Übernahmeangebot. Dabei sollen die Anteilseigner nach aktuellem Stand 40 Euro je Aktie in bar erhalten. Dieser Wert setzt sich aus einem Angebotspreis von 36,76 Euro je Aktie sowie den Zahlungen aus den unterstellten Dividenden der innogy von 3,24 pro Aktie für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 zusammen. "RWE würde sich an dem Angebot nicht beteiligen", hieß es weiter. An der Börse hatte eine Innogy-Aktie zuletzt 34,53 Euro gekostet.
RWE hatte das eigene Geschäft mit erneuerbaren Energien, dem Vertrieb und dem Netz erst im Frühjahr 2016 unter dem Dach von Innogy gebündelt und dann im Oktober 2016 darauf an die Börse gebracht. Seitdem hält RWE noch knapp 76,8 Prozent an Innogy. RWE behielt die konventionellen Großkraftwerke und den Strom-Großhandel.
Tausch von Geschäftsteilen zwischen Eon und RWE
Sobald Eon die Kontrolle über Innogy erhalten hat, soll der größte Teil des Gesamtgeschäfts mit Erneuerbaren Energien an RWE gehen. RWE bekommt zudem weitere Geschäftsteile: von Innogy das Gasspeichergeschäft und den Anteil am österreichischen Energieversorger Kelag; von Eon die Minderheitsbeteiligungen an den von RWE betriebenen Kernkraftwerken Emsland und Gundremmingen.
Damit wird RWE am Ende über erneuerbare und konventionelle Stromversorgung verfügen. Eon wird das Geschäft mit Energienetzen und Dienstleistungen rund um Energie kontrollieren. Die Stromnetze sind schon jetzt der verlässlichste Gewinnbringer von Eon, zuletzt steuerten sie rund 65 Prozent der Erträge bei.
Über einen Verkauf von Innogy ist in den vergangenen Monaten wiederholt spekuliert worden. Noch vor einer Aufsichtsratssitzung am vergangenen Dienstag hatte das Unternehmen versichert, es würden bei dem Treffen "keine wie auch immer gearteten Szenarien in Bezug auf einen Verkauf des Unternehmens behandelt". Innogy hat rund 44.000 Mitarbeiter und wurde an der Börse zuletzt mit knapp 20 Milliarden Euro bewertet.
Nach "Handelsblatt"-Informationen kommen die Aufsichtsräte der Energiekonzerne Eon und RWE noch am Sonntag zusammen, um über die geplante Transaktion zu beraten. Beschlüsse und die Vertragsunterzeichnung seien aber erst für Montag geplant, heißt es in mit der Transaktion vertrauten Kreisen Sprecher von Eon und RWE wollten auf Nachfrage dazu keine Stellungnahme abgeben.
Unterschiedliche Reaktionen von RWE-Aktionäre
Von den bei RWE wichtigen kommunalen Eigentümern kamen unterschiedliche Reaktionen. Die Energiewende stelle die Unternehmen vor große Herausforderungen, sagte Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen. "In einer solchen Situation Kräfte zu bündeln, kann ein sinnvoller Weg sein." Der Dortmunder Stadtwerke-Chef Guntram Pehlke äußerte dagegen Sorgen um Standorte und Beschäftigte. Die kommunalen Aktionäre halten rund 20 Prozent der Anteile von RWE.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) begrüßt die Pläne: "Ganz grundsätzlich glaube ich, dass es eine sehr innovative Entscheidung sein kann, ein Unternehmen zu haben, das sich zur Versorgungssicherheit sowohl den konventionellen Energien als auch den Erneuerbaren widmet, und ein anderes, was sehr auf den Vertrieb und die Netze in Deutschland achtet." Damit gebe es auch im internationalen Wettbewerb zwei leistungsstarke Unternehmen, sagte er der "Rheinischen Post" (Montag). Er betonte, es handele sich um eigenständige unternehmerische Entscheidungen.
Der Ökostrom-Anbieter Lichtblick warnte vor einem "Megakonzern mit großer Marktmacht". Das gefährde den Wettbewerb und könnte auf Dauer zu höheren Strompreisen für Verbraucher führen: "Diese Fusion muss das Kartellamt sehr kritisch prüfen."
Der Wettbewerbsexperte Prof. Justus Haucap sieht in der Übernahme von Innogy durch Eon kein großes kartellrechtliches Problem. Der "Rheinischen Post" sagte er, die Netze unterstünden ohnehin der Regulierung durch die Bundesnetzagentur oder Landesbehörden. Dabei sei es völlig egal, ob Innogy oder Eon die Eigentümer seien.
Der bislang wichtigste Gewinnbringer von RWE steht seit geraumer Zeit unter Druck. Wegen andauernder Probleme auf dem britischen Markt musste Innogy die Gewinnprognose für 2017 kappen. Nach einem Absturz des Aktienkurses und zunehmender Kritik räumte Vorstandschef Peter Terium seinen Posten. Der Aufsichtsrat um den Mehrheitseigentümer RWE mahnte Kostendiszplin und eine focussierte Investitionsstrategie an. Seitdem führt Personalvorstand Uwe Tigges kommissarisch den Vorstand.
Weitere Gespräche zwischen RWE und EnBW
Innogy-Finanzvorstand Bernhard Günther war am Sonntag vergangener Woche Opfer einer Säureattacke geworden. Unbekannte hatten ihn angegriffen und zu Boden geworfen. Sie schütteten ihm Säure ins Gesicht und verschwanden. Günther erlitt schwerste Verletzungen und schwebte zeitweise in Lebensgefahr.
Dem "Handelsblatt" zufolge verhandelt RWE zudem schon seit Wochen mit dem Konkurrenten EnBW über den Kauf von Kohle- und Gaskraftwerken. Die Gespräche seien noch in einem frühen Stadium und die Verhandlungen komplex - aber auch diese Transaktion könnte ein Milliardenvolumen erreichen. Die Verhandlungen seien aber schwierig, weil EnBW neben lukrativen Kraftwerken auch unrentable Anlagen abgeben wolle. Auf Anfrage hätten beide Unternehmen Stellungnahmen abgelehnt. (dpa/rs)