So haben in den zurückliegenden drei Jahren 2020-2022 vier von zehn kleinen und mittleren Unternehmen mindestens eine Innovation hervorgebracht. Das sind rund 1,5 Millionen mittelständische Unternehmen. Die Innovatorenquote von 40% bleibt damit gegenüber der Vorperiode 2019-2021 unverändert. Auch die Innovationsausgaben betragen wie im Vorjahr 34 Mrd. EUR (in laufenden Preisen). Inflationsbereinigt bedeutet dies einen geringfügigen Rückgang.
Anders als die Investitionen, bei denen sich 2022 sowohl ein Anstieg bei der Zahl investierender Unternehmen als auch beim Investitionsvolumen zeigt, konnten die Innovationen im Mittelstand folglich nicht von der konjunkturellen Erholung nach dem Abklingen der Corona-Pandemie profitieren. Die Kluft zwischen den Ausgaben der kleinen und mittleren Unternehmen für Innovationen auf der einen und Sachinvestitionen auf der anderen Seite ist aktuell nochmals größer geworden; Sachinvestitionen belaufen sich aktuell auf rund das Siebenfache der Innovationsinvestitionen.
"Die Corona-Pandemie wirkt noch stark nach: Die Innovationstätigkeit im Mittelstand zeigt 'Long Covid'-Symptome", erklärt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. "Während der Coronajahre wurden nur wenige Innovationsideen entwickelt, Entscheidungen über Innovationen wurden verschoben: das fehlt nun beim Output aus dem Innovationsprozess". Zudem sei die Innovationstätigkeit stark an den Geschäftserwartungen der Unternehmen orientiert, die bereits im Frühjahr 2022 wieder gesunken sind.
Auslandsaktive Unternehmen als Vorreiter für Innovationen
Blickt man genauer auf die innovativen Unternehmen, so zeigt sich, dass die Innovationsaktivitäten nicht gleichmäßig über die einzelnen Unternehmensgruppen verteilt, sondern unterschiedlich stark ausgeprägt sind: Vorreiter bei Innovationen sind auslandsaktive Unternehmen, solche, die eigene Forschung und Entwicklung betreiben und Mittelständler, die Akademiker beschäftigen. Zudem zeigt sich: Je kleiner ein Unternehmen ist, umso seltener bringt es Innovationen hervor. Von den Firmen mit weniger als 5 Beschäftigten sind 36% innovativ, unter den großen Mittelständlern mit mehr als 50 Mitarbeitern erreicht der Anteil 71%. Mit steigender Unternehmensgröße steigt auch die Höhe der Innovationsausgaben. Ein wichtiger Grund für den "Größeneffekt" ist der hohe Fixkostenanteil bei Innovationen. Kleinunternehmen werden stärker belastet, selbst wenn sie sich auf vergleichsweise "kleine" und eine geringe Anzahl an Innovationsvorhaben konzentrieren. Als Folge davon sind die Innovationsausgaben im Mittelstand stark auf große Unternehmen konzentriert.
Fachkräftemangel bremst Innovationen
Unter den innovationshemmenden Faktoren rangieren kompetenz- und finanzierungsbezogene Hemmnisse auf den vorderen Rängen: Jeweils 34% der Mittelständler geben an, dass hohe Innovationskosten und der Mangel an Fachkräften ihre Innovationstätigkeit bremsen. KfW Research hat in einer repräsentativen Sonderauswertung die Stellenbesetzungsprobleme innovativer Unternehmen intensiver beleuchtet: Der Fachkräftemangel hat infolge der demografischen Trends hierzulande bereits jetzt bedeutende Ausmaße angenommen, aktuell rechnet jedes zweite innovative mittelständische Unternehmen (52%) mit Problemen bei der Personalrekrutierung. Vor zehn Jahren lag der Anteil noch bei nur 35%. Vor allem der Nachwuchs hat sich in den zurückliegenden Jahren schon verknappt, das Problem der aus dem Arbeitsleben ausscheidenden Babyboomer-Generation wird in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen.
Dabei sind innovative Unternehmen als Arbeitgeber ähnlich attraktiv wie nichtinnovative Unternehmen. Die ausgeprägten Stellenbesetzungsprobleme innovativer Unternehmen sind vielmehr darauf zurückzuführen, dass sie oftmals höhere Anforderungen an ihre Bewerber stellen als nichtinnovative Unternehmen. Dies gilt vor allem hinsichtlich der mathematisch-statistischen Fähigkeiten, der Sozialkompetenzen sowie der Digitalkompetenzen. Die besonderen Anforderungen sind darauf zurückzuführen, dass innovative Unternehmen neue Technologien häufiger nutzen sowie bei der Arbeits- und Unternehmensorganisation moderner aufgestellt sind. Auch aus den Erfordernissen ihrer Innovationsprozesse heraus resultieren erhöhte Anforderungen bei den nachgefragten Kompetenzen.
Sicherung des Fachkräftebedarfs entscheidend
Die innovativen Unternehmen sind sich der Problematik bewusst und bei der Sicherung des Fachkräftebedarfs besonders aktiv. Dabei setzen sie auf ein breites Maßnahmenbündel: Investitionen in die Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden spielen am häufigsten eine Rolle (39%), etwa bei der Ausbildung von Fachkräften, Weiterbildung inkl. innerbetrieblichem Austausch, Förderung und Bindung von Schlüsselpersonal. Es folgen allgemeine, personalpolitische Maßnahmen (38%) wie längeres Halten älterer Mitarbeiter, Fördern der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Anwerbung ausländischer Fachkräfte, sowie - in einem geringeren Umfang - Maßnahmen zur Verringerung des Fachkräftebedarfs (19%) wie Rationalisierungsmaßnahmen.
"Deutschland steht vor großen Transformationsaufgaben und einem angespannten geostrategischen Umfeld. Für deren Bewältigung ist auch der Beitrag entscheidend, den Innovationen leisten können. Dabei kommt es einerseits auf die Entwicklung neuer Technologien und die Etablierung neuer Wertschöpfungspotenziale in Deutschland an. Anderseits spielt auch der Unterbau der innovativen mittelständischen Unternehmen hierfür eine relevante Rolle. Denn sie tragen zur schnellen Durchdringung der Wirtschaft mit Neuerungen bei und leisten so einen wichtigen Beitrag zu Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand in der Breite. Der seit Jahren anhaltende Trend, dass Innovationen im Mittelstand auf niedrigem Niveau verharren und sich immer stärker auf eine kleine Gruppe von Unternehmen konzentrieren, ist daher in mehrfacher Hinsicht problematisch", fasst Dr. Fritzi Köhler-Geib zusammen. "Der Gruppe innovativer Unternehmen gelingt es, einen Vorsprung bei ihrer Innovationskompetenz gegenüber den weniger aktiven Unternehmen aufzubauen. Die Nachzügler drohen den Anschluss zu verlieren, und kommen so in Gefahr, auf mittlere und längere Frist ihre Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen und das erfolgreiche Hervorbringen von Innovationen zu verlernen. Gesamtwirtschaftlich droht das Wegbrechen des innovativen Unterbaus." Die Wirtschaftspolitik sei daher gefordert, in einer Doppelstrategie Innovationen sowohl in der Spitze als auch in der Breite der Wirtschaft anzuregen.
"Eine besondere Bedeutung kommt der Linderung des Fachkräftemangels für die Innovationstätigkeit zu. Der Mittelstand bekommt die Schwierigkeiten, Stellen zu besetzen, direkt zu spüren und reagiert bereits mit vielfältigen Maßnahmen. Angesichts der Dimension der demografischen Herausforderung ist auch die Wirtschafts- und Bildungspolitik gefragt, an einer Vielzahl von Punkten anzusetzen und die bisherigen Anstrengungen zu verstärken", so Köhler-Geib. Zentral sei die Mobilisierung von mehr Erwerbspersonen, z.B. unter Frauen und Älteren sowie durch Zuwanderung, die Ausbildung von mehr Fachkräften sowie die Verbesserung spezifischer Fähigkeiten (in Schule sowie beruflichen und akademischen Ausbildungsgängen sowie durch Weiterbildung und "lebenslanges Lernen"). (dpa/ad)