Die sogenannten „Management-Führungs-Informationssysteme“ erlauben bei derartigen Ereignissen und sich verändernden Rahmenbedingungen im Gegensatz zu den bisher eingesetzten Systemen eine dynamische Kliniksteuerung. Ausgangspunkt für die Entwicklung dieser „Management-Führuns-Informationssysteme“ war eine konkrete, wichtige Problemstellung in Krankenhäusern.
Wie viel ein Krankenhaus für einen Patienten mit Schlaganfall, Herzinfarkt oder Tumorleiden von der Krankenkasse bezahlt bekommt, ist den Direktionen bekannt. Weitgehend unbekannt ist jedoch, wie viele Kosten der einzelne Patient dem Krankenhaus verursacht. Diese Information abrufen zu können, wird allerdings immer bedeutsamer. Denn mit der Einführung einer pauschalisierten Vergütung im Krankenhauswesen wird die medizinische und pflegerische Verantwortung durch eine wirtschaftliche Dimension erweitert. Um die Kosten ermitteln zu können, die ein Patient verursacht, ist moderne EDV demnach unabdingbar.
Das Anforderungsprofil an die EDV ist dabei hoch gesteckt: Für die am Patienten orientierte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sind drei „Stellschrauben“ in Betracht zu ziehen. Die Vergütung der Behandlung, Personalkosten sowie Sachkosten. Wird nun an einer dieser „Stellschrauben“ gedreht, hat das Auswirkungen auf die gesamte Berechnung. Und es verstellt sich in kurzer Zeit bedingt etwa durch politische Vorgaben oder Tarifvereinbarungen eine Menge. Allein die Vergütung ändert sich jährlich. Ständig hat das Krankenhaus-Management mit kurzfristig wechselnden Bedingungen zu tun, was sehr schnelle Reaktionszeiten erforderlich macht.
Ein System für drei Stellschrauben-Ebenen
Benötigt wird im Ergebnis ein EDV-System, das alle drei Stellschrauben-Ebenen in mehreren Dimensionen miteinander dynamisch verknüpft und die zeitliche Entwicklung von Leistungen und Kosten darstellt. Erforderlich ist also ein integriertes Datenbanksystem, ein sogenanntes „Data-Warehouse“, das Außerordentliches zu leisten im Stande ist: die Kosten des Patienten während des Krankenhausaufenthalts real und zeitgerecht als Regelkreise abzubilden. Dazu wird auf die vorhandenen Datenquellen des Krankenhauses zurückgriffen, die es nun dynamisch zu verknüpfen gilt. Gesucht wird also eine multidimensionale Datenbank, die beliebige Kombinationen von Parametern erlaubt.
Eines der ersten deutschen Krankenhäuser, das mit solch einem EDV-System seine Prozesse umgestellt hat, ist das Klinikum des Landkreises Deggendorf. Hier wurde es möglich, strukturelle Einsparmöglichkeiten offen zu legen. Mit Simulationsprozessen, vergleichbar den Möglichkeiten im virtuellen Cockpit eines Flugsimulators, hat man in Deggendorf „Was-tun-wenn-Bedingungen“ in das System eingegeben und Lösungen gefunden.
So war das System der Führungsebene dienlich, als es darum ging, zusammen mit dem Chefarzt der Neurochirurgie das Ein-Millionen Euro-Defizit seiner Abteilung abzubauen und es innerhalb von zwei Jahren in ein Ein-Million-Plus zu wandeln.
Chefärzte mit weitreichender Management-Kompetenz
Eine moderne EDV unterstützt auch die innerbetriebliche Leistungsverrechnung. In Deggendorf hat man sich für eine Führungsphilosophie entschieden, die klare Verantwortungsbereiche in dezentralen Strukturen festlegen. Hier wird dem Chefarzt ökonomische Verantwortung für seine Abteilung übereignet. Jeder Chefarzt ist annähernd autark, hat ein eigenes Budget und weitreichende Management-Kompetenz. Mit dieser internen Budgetierung werden aus Chefärzten kleine Unternehmer.
Das gilt auch für die Pflegedienstleitung, die beispielsweise der operativen Abteilung Betten tageweise „verkauft.“ Der Chefarzt mietet sich quasi Betten bei der Stationsleitung und ist nicht mehr daran interessiert, eine Station zu besitzen, was den Ablauf entspannt.
OP-Minuten werden beim OP-Manager ebenso eingekauft wie Anästhesie-Minuten. Auch im Labor oder Radiologie werden Leistungen intern verrechnet. Der Schreibdienst lässt sich nach Anzahl der Briefe bezahlen, der Fall-Manager nach Anzahl der Patienten. Prinzipiell gilt: Die Verantwortlichen bekommen Budgets, mit denen sie eigenständig arbeiten können. Ohne die neue EDV-Technologie wäre das nur mit enormer Zeitverzögerung machbar.
Software für die administrative Steuerung von Kliniken wird im Rahmen der MEDICA in Düsseldorf vom 15. bis 18. November 2006 nicht nur durch das Aussteller-Angebot thematisiert (insgesamt rund 250 Aussteller mit Angeboten zu medizinischer IT), sondern auch durch das Anwenderforum „MEDICA meet.IT“ in Messehalle 15.
Reinhold Hölbling, MBmedien GmbH