Zwölf Spin-Qubits in einem Chip - das klingt für Experten eher bescheiden. Marktführer wie IBM und Google haben bereits Prozessoren mit Dutzenden von Qubits entwickelt und wollen diese Zahl schon bald vervielfachen. Doch Intel verfolgt einen anderen Ansatz: Die Silizium-Spin-Qubits sind dem Hersteller zufolge bis zu eine Million Mal kleiner als andere Qubit-Typen. Wichtigstes Ziel ist es, eine schnelle Skalierung zu ermöglichen.
Jim Clarke, Direktor für Quantenhardware bei Intel, bezeichnet die Herausgabe des Chips als "nächsten Schritt in Intels langfristiger Strategie, ein komplettes kommerzielles Quantencomputer-System aufzubauen". Auf dem Weg zu einem fehlertoleranten Quantencomputer gebe es noch viele grundlegende Fragen zu beantworten. Mithilfe des Basisprozessors könnten Forscher nun die Technologie schnell erforschen und müssten keine eigenen Geräte mehr fertigen.
Sie interessieren sich für Quanten-Computing? Dann lesen Sie auch:
Intel will Silzium-Spin-Qubits "demokratisieren"
Laut Clark können die Wissenschaftler mit Tunnel Falls die Grundlagen von Qubits und Quantenpunkten sowie die Entwicklung neuer Techniken für die Arbeit mit Computern mit mehreren Qubits optimal ausprobieren. Intel arbeitet unter anderem mit dem Laboratory for Physical Sciences (LPS) am College Park's Qubit Collaboratory (LQC) der University of Maryland zusammen, einem großen Forschungszentrum für Quanten-Computing.
Gemeinsam wolle man "Silizium-Spin-Qubits demokratisieren, indem Forscher praktische Erfahrungen mit skalierten Arrays dieser Qubits sammeln" könnten, heißt es in einer Pressemitteilung von Intel. Am Ende gehe es auch darum, mehr Fachkräfte für Quanten-Computing auszubilden sowie das gesamte Quanten-Ökosystem auszubauen.
Tunnel Falls soll an viele Forschungslabors verteilt werden
Zu den Quantenlabors, die an dem Programm teilnehmen, gehören neben dem LPS auch die Sandia National Laboratories, die University of Rochester und die University of Wisconsin-Madison. Tunnel Falls soll weiteren Forschungseinrichtungen zugänglich gemacht werden. Erkenntnisse, die aus den Experimenten gewonnen werden, sollen untereinander geteilt werden, um die Quantenforschung insgesamt voranzutreiben und Intel beim Verbessern der Qubit-Leistung und der Skalierbarkeit seiner Chips zu unterstützen.
Dwight Luhman, Wissenschaftler an den Sandia National Laboratories, bezeichnet Intels Vorstoß als gute Gelegenheit, "verschiedene Qubit-Kodierungen direkt zu vergleichen und neue Qubit-Betriebsarten zu entwickeln, was uns bisher nicht möglich war." Nun sei es realistisch geworden, neue Quantenoperationen und -algorithmen im Multi-Qubit-Bereich zu entwickeln. Generell könne man im Bereich Silizium-basierter Quantensystemen nun schnell dazuzulernen.
Das 12-Qubit-Bauelement Tunnel Falls wurde auf 300-Millimeter-Wafern in der D1-Fertigungsanlage von Intel hergestellt. Es nutze das fortschrittlichste industrielle Verfahren für die Transistorfertigung des Anbieters mit Techniken wie Extrem-Ultraviolett-Lithographie (EUV) sowie Gate- und Kontaktverarbeitungstechniken.
In Silizium-Spin-Qubits wird die Information (0/1) im Spin (aufwärts/abwärts) eines einzelnen Elektrons kodiert. Jedes Qubit-Bauelement ist im Wesentlichen ein Ein-Elektronen-Transistor, was es Intel ermöglicht, es mit einem ähnlichen Verfahren herzustellen, wie in einer standardmäßigen CMOS-Logikverarbeitungslinie.
Synergie mit modernen Transistoren als Wettbewerbsvorteil
Bei Intel glaubt man, dass Silizium-Spin-Qubits anderen Qubit-Technologien aufgrund ihrer Synergie mit modernen Transistoren überlegen sein werden. Da sie die Größe eines Transistors haben, sind sie bis zu eine Million Mal kleiner als andere Qubit-Typen (die etwa 50 mal 50 Nanometer messen). Intel verspricht sich von der Technologie eine besonders effiziente Skalierung. Das Unternehmen zitiert "Nature Electronics" mit den Worten, Silizium habe voraussichtlich am meisten Potenzial, um Quantencomputer in größerem Maßstab zu realisieren.
Gleichzeitig kann Intel durch die Verwendung seiner CMOS-Fertigungslinien innovative Prozesssteuerungstechniken anwenden, um Ausbeute und Leistung der Quantenchips zu steigern. Der 12-Qubit-Baustein hat beispielsweise eine Ausbeute von 95 Prozent über den gesamten Wafer hinweg und eine Spannungsgleichmäßigkeit, die mit einem CMOS-Logikprozess vergleichbar ist. Jeder Wafer liefert über 24.000 Quantenpunkt-Bausteine. Die 12-Punkt-Chips können zwischen vier und 12 Qubits bilden, die isoliert und gleichzeitig für Operationen verwendet werden können, je nachdem, wie die Labore ihre Systeme betreiben.
Als nächstes will Intel nun die Leistung von Tunnel Falls verbessern und den Chip zusammen mit dem Intel Quantum SDK in seinen Quanten-Stack integrieren. Darüber hinaus entwickelt der Prozessorbauer einen weiteren Quantenchip auf der Grundlage von Tunnel Falls. Die neue Generation soll dann voraussichtlich 2024 auf den Markt kommen. Zudem will Intel Partnerschaften mit Forschungseinrichtungen auf der ganzen Welt eingehen, um das Quanten-Ökosystem auszubauen. (hv)