Bei der Kartenanwendung ist fast nichts mehr so, wie es war. Die Welt sieht jetzt anders aus. Dies liegt vor allem daran, dass wir die Erde nicht mehr aus der Sicht von Google Maps sehen, sondern neues Kartenmaterial in der App steckt. Apple arbeitet hier unter anderem mit dem niederländischen Navi-Hersteller Tomtom zusammen. Dieser Schritt ist nicht überraschend, da Apple schon seit einiger Zeit darauf hinarbeitet, sich von Google zu lösen. Dazu zählen unter anderem Übernahmen kleinerer Firmen aus der Geobranche.
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Apples "eigene" Karten sind eine Kollaboration von vielen Anbietern. Partner Tomtom nutzt seinerseits zahlreiche Quellen für seine Daten, und zudem hat Apple etliche andere Anbieter mit im Boot, die Daten beisteuern. Dazu zählen Dienstleister wie AND, die NASA, Waze und sogar Open Streetmap. Kurz gesagt: Apples Karten sind ein kompliziertes Konstrukt aus etlichen Lizenzen und Quellen.
In der Praxis hat dies einige deutliche Auswirkungen. So sehen sowohl Satellitenansicht als auch die grafische Ansicht jetzt anders aus, als von Google Maps her gewohnt. Besonders bei der grafischen Karte ist der Unterschied enorm. Größte Neuerung: Die grafischen Karten sind nun vektorbasiert. Das bedeutet für Sie, dass die Karten beim Zoomen nicht so oft nachgeladen werden müssen. Lediglich Objekte wie Straßennamen werden bei höherer Zoomstufe nachgeladen. Zudem können Sie die Karte jetzt erstmals mit einer Zweifingergeste rotieren lassen.
Um die Karte wieder einzunorden, gibt es nun ein kleines Kompasssymbol oben rechts. Apropos Straßennamen: Dank der Vektorkarten sind Namen und Bezeichnungen nicht mehr fest in die Karte hineingeschrieben. Stattdessen drehen sich die Namen um, wenn man die Karte auf den Kopf dreht - ein kleines, aber praktisches Detail. Dazu passt auch: Aus der Distanz erscheint die Erde in der Satellitenansicht nun als echter Planet wie bei Google Earth und nicht mehr als ausgerollte Karte wie in der alten App.
Ebenfalls ganz neu: Die Kartenfunktion ist jetzt an den Sprachassistenten Siri angebunden. Fragen wir Siri nach einem Ort, "Wo ist Köln?", blendet es eine passende Minikarte ein, ein Tippen darauf öffnet die App. Auch nach Geschäften in der Nähe kann man per Siri suchen. "Ist ein Park in der Nähe?" zeigt beispielsweise schon jetzt die umliegenden Stadtparks. Auch Routen kann man so abfragen und direkt die Navigation starten.
Kostenloses Navi
Apropos: Mit dem iPhone 4S und ab dem iPad 2 kann man jetzt auch navigieren. Zusätzlich zur bisherigen Routenfunktion gibt es nun "Turn by Turn"-Navigation, also echte Streckenführung mit gesprochenen Ansagen. Ältere iPhones und iPads haben weiterhin lediglich die gewohnte Routenführung in der neuen App. Die Navigationsfunktion ist einfach zu starten: Sie tippen lange auf einen Ort, um eine Stecknadel zu setzen, dort erscheint dann ein grünes Autosymbol in der Flagge. Ein Tippen darauf startet die Navigation. Alternativ können Sie ein Yelp-Symbol auf der Karte antippen, beispielsweise ein Restaurant, und erhalten ebenfalls eine Flagge mit Navi-Knopf. Sie können selbstverständlich auch Navi-typisch nach einer konkreten Adresse oder einem Namen aus dem Adressbuch suchen und so das Ziel wählen. Tippt man auf das Autosymbol, sieht man die Route im Überblick und kann oft eine alternative Strecke wählen.
Sie können sich eine ausgewählte Route auch schon vorher ansehen, indem Sie links oben auf "Route" tippen. Dort können Sie Start und Ziel manuell eingeben und so beispielsweise schon vor der Fahrt den Streckenverlauf betrachten. Bisherige Routen können Sie aus Ihrem Suchverlauf über einen Tipp in das leere Suchfeld wieder aufrufen, zum Beispiel "Aktueller Ort nach München". Dann wird sofort die Routen- beziehungsweise Navi-Funktion gestartet.
Eine Art Verkehrsüberwachung gehört ebenfalls zum Umfang von Apples Karten und soll Staus anzeigen, die von der Navigation automatisch umfahren werden können. Die Daten sammelt Apple unter anderem durch iOS-Nutzer, wenn diese die Ortung erlauben. Dies ist in Europa bis zum Redaktionsschluss jedoch noch nicht integriert. Gut gefällt uns dagegen, dass die Navigation auch im Sperrbildschirm nicht unterbrochen wird. Die Verbindung von Siri und Navi ist jedoch unheilvoll. So gut dies bei einfachen Städtenamen funktioniert, so mühsam ist es bei konkreten Straßennamen, womöglich gar mit Hausnummer. Hier liegt Siri fast immer daneben und versteht uns falsch.
Fotorealistischer 3D-Flugmodus
Eine der größten Neuerungen der Karten-App von iOS 6 ist die neue Ansicht, die Apple "Flyover", also Überflug, genannt hat. Hier senkt sich die Perspektive in einem spitzeren Winkel zum Boden. Als Besonderheit hat Apple 3D-Modelle der Gebäude angelegt, die mit einer echten Fototapete überzogen sind und dadurch beinahe so aussehen wie in der Realität. Dies ist in einigen Städten wie San Francisco und Sydney sehr eindrucksvoll. Die 3D-Gebäude stammen von der Firma C3, die Apple 2011 übernahm .
In den meisten Städten bringt die 3D-Ansicht jedoch nur eine andere Perspektive und damit außer mehr Weitsicht keinerlei Funktion. Bis zum Verkauf an Apple hatte C3 rund zwei Dutzend Städte in 3D erfasst, darunter Berlin und Wien. Diese sind jedoch noch nicht in die Server der Karten-App integriert. Apple wird hier sicher weitere Städte nachliefern. Wer eine Vorschau sehen will, kann sich ausgerechnet bei Apples Konkurrent Nokia Städte in 3D im Browser ansehen (benötigt ein Browser-Plug-in). Die Finnen hatten das Material von C3 noch vor dem Verkauf lizenziert: maps.nokia.com/3D
Was bringt Yelp?
Alle Geschäfte, Sehenswürdigkeiten und andere wichtige Orte stammen jetzt aus der Datenbank des Anbieters Yelp statt wie bisher von Google Local. Yelp ist in erster Linie ein Bewertungsportal für lokale Geschäfte. Nutzer tragen hier ein, wie ihnen der Besuch in einem Restaurant oder einer Konzerthalle gefallen hat. Das bedeutet, dass Yelp ein umfassendes Verzeichnis dieser Orte hat. Apple hat diese Datenbank in das Kartenmaterial integriert und zeigt so Restaurants, Einkaufsläden oder Parks an. Per Tipp auf ein Geschäft springt uns nach einem weiteren Tap auf das "i"-Zeichen ein Fenster entgegen, das nicht nur Kontaktdaten, sondern meist auch erste Infos zur Einschätzung des Geschäftes zeigt. Neben der Durchschnittswertung der Yelp-Nutzer gibt es hier "Beiträge" mit Erfahrungsberichten und "Fotos" mit Aufnahmen von Nutzern. Besonders kleinere Geschäfte haben jedoch oft nur sehr wenige Bewertungen. Sie können auch per Siri nach Geschäften in der Umgebung fragen, "Zeig mir chinesische Restaurants in der Nähe", und sehen anschließend ein Yelp-Vorschaufenster auf dem Home-Bildschirm.
Die Abfrage nach umliegenden Geschäften über Siri funktioniert in der Praxis relativ gut und ist somit sogar schneller als eine manuelle Textsuche. Wir fragen nach verschiedenen Arten von Restaurants, nach einem Fahrradgeschäft in der Nähe und nach diversen anderen Branchen. Oft hat Siri Erfolg, einige Fachgeschäfte versteht der Assistent jedoch nicht. Auch die Siri-Suche nach konkreten Geschäftenamen funktioniert nach unserer Erfahrung nicht. Dennoch ist es kein Problem, unterwegs beispielsweise nach der nächsten Tankstelle zu fragen und auch gleich die Route dorthin zu erfahren. Ebenfalls möglich: nach Geschäften oder Einrichtungen in anderen Städten zu suchen, sowohl über Siri als auch über das Suchfeld der Karten-App. Siri funktioniert hier sogar besser, da die Assistenzfunktion gezielt nach Einrichtungen sucht, während die Suche etwa auch die "Parkstraße" anzeigen könnte.
Einstellungen
In den Systemeinstellungen von iOS 6 finden Sie einige einfache Optionen, mit denen Sie die Karten-App anpassen können. Dabei gibt es eine Option für die Lautstärke der Navi-Ansagen (nur 4S und ab iPad 2) und beispielsweise die Wahl zwischen Meilen- oder Kilometerangaben bei Routen. Wer möchte, kann alle Beschriftungen der Karte auf Englisch umstellen. Tatsächlich nützlich ist dagegen die Wahl der "Etikettgröße". Hier kann man dafür sorgen, dass Beschriftungen auf der Karte nicht elegant, aber winzig, sondern gut lesbar dargestellt werden. Besonders auf dem iPad ist das (wegen des meist größeren Betrachtungsabstands) überaus nützlich.
Fazit: Europa wartet
Keine 3D-Gebäude, keine Verkehrsdaten und nicht alle Geschäfte und Sehenswürdigkeiten: Aktuell ist Apple damit beschäftigt, die Quellen zusammenzuführen und Daten zu ergänzen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind einige Städte und Landstriche in der Satellitenansicht nur sehr schwammig zu erkennen. Zudem fehlen die Verkehrsinformationen momentan in Europa noch, Apple scheint aber kräftig daran zu arbeiten und ergänzt fehlende Daten nach und nach. (Macwelt)