Das Sittengemälde, das die amerikanischen Marktforscher von MyType von den Käufern des iPad zeichnen, ähnelt verblüffend den apokalyptischen Darstellungen des niederländischen Malers Hieronymus Bosch. iPad-User sind demnach nicht nur überdurchschnittlich gebildet und wohlhabend.
iPad-User sind vor allem sehr viel eitler und selbstsüchtiger als der Rest der Welt und würden sich am ehesten zu Todsünden wie Völlerei, Wollust und Jähzorn hinreißen lassen.
Handelt es sich bei den potenziellen und tatsächlichen Käufern des Tablet-PCs also um einen gottlosen Haufen? Wohl nicht. Die frommsten unter den Umfrageteilnehmern wissen nämlich am besten über das iPad Bescheid. Ob das ein Wink Gottes ist oder einfach nur häufiges Thema in den Predigten, beantwortet die Umfrage von MyType leider nicht.
Wer diese Umfrage unter immerhin 20.000 Facebook-Besuchern ob der merkwürdigen Fragestellungen für Realsatire hält, mag Recht haben. Dennoch ermöglicht die Auswertung der Ergebnisse einige interessante Einblicke in die Psyche der iPad-Liebhaber - und seiner schärfsten Kritiker.
So hat MyType zum Beispiel herausgefunden, dass sich unter den Kaufwilligen mehr Leute befinden, die sich für Business und Finanzen interessieren, als für Filme, Musik und Literatur. Und das, obwohl Apple sein Marketing ganz auf den Gebrauch des Tablet-PCs in der Freizeit ausgerichtet hat.
iPad-Käufer sind ein elitärer Haufen
Offenbar handelt es sich bei diesen Angaben aber weniger um konkrete Einsatzszenarien als um allgemeine Charakterisierungen der Zielgruppe. iPad-User sind demzufolge ein elitärer Haufen: wohlhabend, gut gebildet und anspruchsvoll. Sie bewerten Macht, Einfluss und Leistung sehr viel höher als Leute, die das iPad nicht so toll finden. Zu allem Überfluss sind sie auch selbstsüchtiger als jene und legen wenig Wert auf Freundlichkeit und Gemeinsinn.
MyType hat festgestellt, dass Menschen mit solchen Charaktereigenschaften sechsmal häufiger über die Anschaffung eines iPads entscheiden, als vergleichbare Durchschnittsmenschen. Demnach besitzen rund 18 Prozent der "selbstsüchtigen Eliten" ein iPad, aber nur drei Prozent der Durchschnittsbürger.
Immerhin sind aber auch der Gegenentwurf zur Elite, die unabhängigen Computer-Freaks, leicht häufiger iPad-Kunde (vier Prozent). Naturgemäß ist hier aber auch die Ablehnung des Apple-Geräts am höchsten: Ein Drittel dieser Gruppe lehnt den Tablet-PC rundweg ab, während das in der Gruppe der "eingebildeten Schnösel" nur vier Prozent tun.
Auch über die Geeks weiß MyType einiges zu berichten: Die Non-Konformisten haben großes Interesse an Computer- und Videospielen, finden Linux gut, sind überdurchschnittlich jung, haben keine Kinder und überhaupt wenig Interesse an Familiengründung.
Über die Gründe dafür, warum die selbstsüchtige Elite zum iPad neigt, während sich die Geeks darüber lustig machen, hat MyType eigenem Bekunden zufolge keine Daten. Das hält die Marktforscher mit dem seltsamen Untersuchungsgegenstand aber nicht davon ab, die Frage dennoch zu beantworten.
Normalerweise seien Geeks ja die ersten, die sich mit tollen neuen Geräte schmückten, meint MyType. Insofern sei es durchaus auffällig, wenn sich der Großteil dieser Gruppe negativ über das iPad äußere.
Aber weil Geek nicht einfach Geek ist, sorgt eine differenzierte Sicht auf die Zielgruppe für Klarheit. Es gebe einerseits so etwas wie Poweruser in sozialen Netzwerken, deren Zweitwohnsitze auf die Namen "Facebook" oder "Twitter" hörten. Andererseits seien da die "Linux-Junkies", die an Hardware und Programmcode rumschrauben und alles unter Kontrolle haben wollen.
Kritiker halten das iPad für bemerkenswert limitiert
Kaum erstaunlich, dass die eigentlichen iPad-Kritiker vor allem in der letzten Gruppe, also sozusagen bei den "Original-Geeks", zu finden sind. Aus deren Perspektive betrachtet ist das iPad kalter Kaffee: Tablet-PCs gibt es seit Jahren, und auch die Touchscreen-Technik ist nicht neu. Zudem bietet das iPad viel zu wenig, um seine schärfsten Kritiker zu überzeugen: eine schwachbrüstige CPU, die nicht mal Multitasking beherrscht, keine Kamera für Video-Chats, keine Möglichkeit, Flash-Videos zu schauen, und USB-Anschlüsse bietet Apple nur gegen Aufpreis. So ist aus der Sicht der richtigen Freaks das iPad bemerkenswert limitiert.
Natürlich bietet auch Apple selbst genug Anlass für Kritik: Die Closed Shop-Politik bei Apps und Inhalten stößt bei den nonkonformistischen Geeks naturgemäß auf die schärfste Kritik. Damit werde das "iPad-Bashing" gleichermaßen zum identifikationsstiftenden Merkmal unabhängiger Technikfreaks.
Umgekehrt: Was finden eigentlich die selbstsüchtigen Eliten am iPad, was andere nicht sehen? "Vielleicht nichts", lautet die wenig erhellende Antwort von MyType.
Auch hier gibt es Aufschluss erst beim genauen Blick auf die elitäre Zielgruppe. Elite ist bei MyType nicht einfach nur ein Synonym für Reichtum, sondern beschreibt bestimmte Eigenschaften einer führenden Klasse aus Intellektuellen, politischen Führern und Business-Verantwortlichen.
iPad ist der Traum für Workaholics
Die Hochleistungs-Profis eint, dass sie, so MyType, "bildschirmgebundene Workaholics" seien. Und genau deshalb sei es kein Wunder, dass diese Gruppe in Scharen zu einem Gerät strebt, das Bildschirmarbeit so unfassbar bequem macht. Das gelte auch für traditionell eher bildschirm-lose Umgebungen wie Bett und Badezimmer. Der Grund Nummer Eins für den Erwerb eines iPads, meint Sybase in anderem Zusammenhang: "Working on the go".
Und was ist mit der Eitelkeit? Selbstsüchtige Menschen seien eher bereit, die Arbeit tiefer in ihr Leben eindringen zu lassen, als solche, für die Familie und Offline-Beschäftigungen einen größeren Stellenwert einnehmen. Letztere sind ganz einfach weniger ehrgeizig und zielstrebig. Womit sicher alles gesagt ist.