CIO: Herr Popp, trotz Green IT Award sind energie- und ressourcensparende IT-Techniken noch längst nicht Mainstream. Woran liegt das?
Hans-Joachim Popp: Das hat viel mit dem Druck auf die IT und damit auch auf die IT-Manager zu tun: Informationstechnik ist heute zum unverzichtbaren Gut geworden und darf mittlerweile vielerorts buchstäblich keine Sekunde ausfallen. Wenn das doch passiert, fällt die Verantwortung dafür auf den CIO. Deshalb setzt er natürlich zunächst auf etablierte Techniken mit bekannter hoher Verfügbarkeit. Die Manager verhalten sich also aus verständlichen Gründen eher konservativ und gehen kein Risiko ein.
Aber sind denn Green-IT-Technologien wirklich so riskant?
Nein, absolut nicht. Aber sie sind weniger etabliert, es gibt weniger positive Beispiele. Dazu kommen geradezu irrationale Ängste oder Vorbehalte bei den Planern. Beispielsweise vor Wasser im Rechenzentrum. Die muss man mühsam überwinden. Es fehlt oft auch an den physikalischen Fachkenntnissen.
Welche Green-IT-Technologien sind heute am weitesten verbreitet?
Durchgesetzt hat sich die Kaltgang- beziehungsweise Warmgangeinhausung, das kann man fast als Mainstream bezeichnen. Dann kommen langsam höhere Temperaturen, freie Kühlung und die Trennung der verschiedenen Gerätegruppen: Eine CPU darf heißer werden als Festplattenlaufwerke, ein Bandlaufwerk braucht Feuchteregelung, was wiederum Energie kostet. Das heißt, man fasst gleichartige Komponenten räumlich zusammen und versieht sie mit einem passenden Kühlsystem. Die Kühlung rückt immer näher ans Bauteil - viele moderne Schränke werden direkt mit Wasser gekühlt, während man vor Wasser unmittelbar auf dem Chip immer noch Angst hat.
Aber jetzt wird im Leibniz-Rechenzentrum in München ein neuer Rechner aufgebaut, der komplett auf Basis von Chipkühlung arbeitet. Auch bei der Notversorgung wird man ein wenig risikobereiter: Man legt die Kühlsysteme nicht mehr auf den einen heißen Tag im Jahrzehnt aus, sondern greift für solche Fälle dann eher auf Leitungs- oder Brunnenwasser zurück, das ja dann nur eine kurze Zeit überbrücken muss.
Oft wird kolportiert, das Geld spiele die wichtigste Rolle dabei, wenn Green IT nicht umgesetzt wird.
Das sehe ich anders. Die einzigen Showstopper sind derzeit die geringen Stückzahlen, die natürlich die Preise oben halten. Es ist ja in der IT nicht wie beim Bau ökologischer Häuser, wo sich Investitionen erst nach 20, 30 Jahren rechnen. Bei den Rechnern gibt es echten technischen Fortschritt und eine stetige Verbesserung der Effizienz. Der Energieverbrauch pro Transaktion sinkt. Die größte Bremse ist der fehlende Mut.
Von der IT-Industrie wird häufig betont, wie wichtig, verglichen mit Green IT, "Green durch IT" sei, also die effizientere Prozessgestaltung durch intelligenten IT-Einsatz.
Tatsächlich ist das der größere Hebel, aber die politischen und gesellschaftlichen Hürden sind da natürlich viel höher.
Bisher wurden derartige Effizienzgewinne immer durch schlichten Mehrverbrauch an gleicher oder anderer Stelle komplett aufgewogen.
Das ist richtig, aber das zu steuern ist nicht Aufgabe der Technologie. Die Prozesse effizienter zu machen ist auf jeden Fall nötig. Wie man dann dafür sorgt, dass der effizientere Prozess dann auch noch weniger genutzt wird, die Leute also etwa tatsächlich weniger Auto fahren, ist eine politische Frage, keine technische.
Effizienzpotenziale schlummern eigentlich woanders
Sehr schön sieht man den oben beschriebenen Effekt, Effizienzgewinne sofort wieder aufzuzehren, auch in der IT selbst: Der Energieverbrauch pro Transaktion sinkt, aber weil die Zahl der Transaktionen steigt, erhöht sich der Energieverbrauch trotzdem wieder.
Das liegt natürlich auch an der weiter fortschreitenden Durchdringung der Prozesse. Die Wertschöpfung der Firmen steigt ja dadurch enorm an. Es gibt aber auch bei den CPUs vielversprechende Ansätze, zum Beispiel den Einsatz von ARM-Prozessoren, die um Größenordnungen sparsamer sind. Sobald einer der Großen eine solche Plattform durchdrückt, geht es voran. Für Neulinge wird es wegen der Marktstruktur schwierig. Aber die größten Effizienzpotenziale schlummern eigentlich woanders.
Und wo?
In der Software selbst! Im vergangenen Jahr haben wir einem Unternehmen einen Sonderpreis verliehen, weil es eine energiesparsame Datenbank geschrieben hat, die sich eng an die Prozessorarchitektur ankoppelt und deswegen um den Faktor zehn weniger Strom verbraucht als konventionelle Produkte. Aber hier gilt wie für den Prozessormarkt: Wenige Platzhirsche beherrschen den an sich gesättigten Markt, und deshalb ist es schwierig, neue Standards zu etablieren.
Vergleich zwischen Äpfel und Birnen
Das klingt nach dem idealen Umfeld für echte Regulierung.
Bei der Regulierung hat man immer das Problem, dass über das Ziel hinausgeschossen wird, oder man wird durch die Bürokratie behindert. Außerdem ist es im Bereich von IT-Infrastruktur sehr schwierig, geeignete Kriterien für eine solche Regulierung zu finden. Man vergleicht da leicht Äpfel mit Birnen.
Was halten Sie zur Umsetzung von Green IT von Initiativen wie dem Code of Conduct for Datacenters?
Initiativen wie der Code of Conduct hätten viel mehr Unterstützung verdient, doch für den CIO reicht im Alltag die Zeit oft nicht aus, um sich solchen Aufgaben mit der nötigen Aufmerksamkeit zu widmen. Und nur wenige haben wie Daimler einen eigenen Green-IT-Beauftragten. Hilfreich sind Initiativen wie IT to Green, wo Impulsgeber wie beispielsweise Rittal die Chance bekommen, neu entwickelte Dinge in einem Pilotumfeld umzusetzen und zu zeigen, dass es tatsächlich funktioniert.
Was den Veränderungsdruck auf die Anbieter angeht, so halte ich persönlich einen kombinierten Ansatz aus Energie- und Qualitäts-Labels und Lobbying durch Anwenderverbände für optimal. Am Ende müssen die Anwender dann aber auch den Sprung zu den neuen Technologien wagen, ohne vom ersten Tag an auf riesige Einsparungen zu schauen. Wir müssen auch mit in Vorleistung gehen.
Label und Anwenderverbände gibt es doch schon seit vielen Jahren. Ist deren Einfluss nicht angesichts des Drucks, Dinge schnell zu verändern, viel zu gering?
Für viele Geräte gibt es noch keine aussagekräftigen Energie-Label, beispielsweise für Server. Das kommt jetzt erst langsam, und sobald diese Ansätze realisiert sind, werden sie auch den Ausschreibungen zugrunde gelegt werden. Schon heute enthalten die meisten Ausschreibungen für Rechenzentrumsrenovierungen und erst recht Neubauten klare Energieobergrenzen.
In immer höherem Maße beauftragen wir Services, die sich aus Hardware, Software, Manpower und Ressourcenverbrauch zusammensetzen. Da lohnt sich das Energiesparen auch für den Dienstleister. Zudem sollten die IT-Anwender den Herstellern klar sagen, welche Produktmerkmale sie benötigen. Der gerade gegründete Bundesverband der IT-Anwender VOICE wird gezielt auf der Lobby-Ebene aktiv werden, als Gegenpol zum Herstellerverband Bitkom.
Da gibt es viel zu besprechen. Ich glaube, wir müssen uns hier langsam, Schritt für Schritt, vorarbeiten. Dann haben die Anwender gemeinsam gute Chancen, bei Green IT, aber auch bei allen anderen Themen wirklich etwas zu verändern - das hilft letztlich auch den Anbietern.
Alles auf Grün: Der Wettbwerb für 2012 ist eröffnet
Der GreenIT Best Practice Award zeichnet herausragende Konzepte und Lösungen zur Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz in der IKT aus. Bewerben können sich Unternehmen und Institutionen jeder Größe und aller Branchen sowie Berater und Systemhäuser. Einsendeschluss ist der 13. Juli 2012. Die Auszeichnung findet in drei Kategorien statt: Energieeffiziente IT (Green in der IT), Einsatz von IT zur Optimierung von Prozessen (Green durch IT) und visionäre Gesamtkonzepte. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Betrieb von Rechenzentren und IKT-Infrastrukturen, da hier ein besonders großes Potenzial für Einsparungen besteht. Aus den eingereichten Beiträgen wählt eine Experten-Jury unter Vorsitz von Hans-Joachim Popp, CIO des DLR, die überzeugendsten Beispiele aus. Weitere Infos sowie die Teilnehmerunterlagen finden Sie unter www.greenit-bb.de |
Das Interview führte Ariane Rüdiger.