Wie gelang der erste Karriereschritt?
Susann Herrmann: Hohe Eigenmotivation, Disziplin, Leistungs- und Qualitätsorientierung sowie Offenheit für Herausforderungen waren der Schlüssel zum Erfolg. In meiner Zeit als Volleyball-Bundesligaspielerin wurden diese Fähigkeiten gefördert, die ich auf den Job übertrug. Von Anfang an war mir wichtig, mein Wissen zu erweitern und Zertifizierungen abzuschließen. Mein Auslandsaufenthalt hat meine Sprachkenntnisse erweitert und meinen interkulturellen Blick geschärft.
Ihr Tipp für junge Frauen?
Susann Herrmann: Sie sollten sich überlegen, was ihre Neigungen sind, was sie erreichen möchten, und dann springen und sich ausprobieren. Ist das Wasser zu kalt, krabbelt man einfach wieder heraus. Die nächste Chance kommt auf jeden Fall.
Welche Eigenschaften braucht man in der IT-Branche, um Karriere zu machen?
Susann Herrmann: Entscheidend ist das Abstraktionsvermögen, die Technologien als nutzbare Anwendungen in die Geschäftswelt zu transferieren. Da wir Frauen anders ticken, sind wir gut geeignet, um die Sprache der Softwareingenieure in den Business-Content zu übersetzen. Zugleich muss man fit sein in den Basic-Anwendungen und Methoden, um komplexe Sachverhalte zu lösen. Strukturiertes Denken und der Mut, als Fachfremde Fragen zu stellen, können zum Erfolg führen. Mein Geheimtipp: das Zehn-Finger-Schreibsystem - genauso schnell schreiben zu können, wie man spricht und denkt!
Wie gehen Sie damit um, dass Sie es oft nur mit Männern zu tun haben?
Susann Herrmann: Seit vielen Jahren tausche ich mich mit meinem Mentor aus, um männliche Verhaltensweisen verstehen und besser einordnen zu können. Dadurch konnte ich erfolgreicher agieren. Wichtig ist auch, immer seinen Dienstgrad zu nennen und sich so zu positionieren. Ich halte aber nichts davon, sich optisch oder vom Charakter her den Männern anzupassen. Besser ist es, auf weibliche Stärken zu setzen, etwa auf die Fähigkeit, zu vermitteln und alles zusammenzuhalten.
Gibt es geheime Spielregeln der Macht?
Susann Herrmann: Hier empfehle ich Peter Modlers "Das Arroganzprinzip", in dem er aufzeigt, wie Frauen im Beruf erfolgreich sein können. Männer scheuen sich nicht vor klaren Worten in Konfliktsituationen, sie verstehen sich artbedingt und wissen, wie das Gegenüber tickt. Frauen nehmen vieles persönlich, das ist aber falsch, selbst wenn es eine Beleidigung ist, sollte man darüber hinweggehen oder mit gleicher Münze kontern. Das männliche Gegenüber wird nicht beleidigt sein. Frauen sollten sich auch genau überlegen, wer ist ein Unterstützer und wer nicht. Vorsicht vor zu viel Loyalität.
Braucht es Marketing in eigener Sache?
Susann Herrmann: Zu viel Selbst-Marketing für Frauen gibt es nicht. Sie sollten in Ich-Form sprechen und zur richtigen Zeit am richtigen Ort der richtigen Person von ihrer Leistung erzählen.
Das Interview mit Susann Herrmann führten wir 2019 im Umfeld der Kongressmesse "women&work", zu der am 9. Mai 2020 in Frankfurt am Main wieder 10.000 Frauen erwartet werden.
Susann Herrmann
Ihre Karriere begann Susann Herrmann als Bankkauffrau bei der Volksbank Böblingen. Danach wechselte sie in den IBM-Finanzbereich. Parallel zum Job studierte sie Marketing und zertifizierte sich beim Project Management Institute (PMI) als internationaler Projektleiter.
Diverse berufliche Stationen folgten in der 20-jährigen IBM-Laufbahn, darunter Change-Managerin, Leitung internationale IT-Projekte mit internationalem Berichtsweg und Abteilungsleitung Sales Transformation. Sie nahm die Herausforderung an, für einen Automobilzulieferer den Bereich Messdaten-Management/Big Data/IoT aufzubauen. 2016 wechselte sie zu Bosch.
Frauen, die im Beruf erfolgreich sein wollen, empfiehlt Herrmann "Das Arroganzprinzip" von Peter Modler.