Radikal, tief greifend oder grundlegend - Vokabeln wie diese sind anzutreffen, wenn es um die digitale Transformation in Unternehmen geht. Erst jüngst legte McKinsey ein Analysepapier vor, in dem es erfolgreiche digitale Unternehmen auf ihre Verhaltensweisen untersuchte. Das Ergebnis: Alle betrachteten Firmen gehen mit einer gewissen Radikalität bei der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse vor. Das reicht von der Zielsetzung ("Unvernünftige Ziele lassen die Organisation erkennen, dass 'digital' ein wertschöpfendes Geschäft ist und nicht nur ein Kanal, der bestimmte Aktivitäten verlangt") bis hin zur Mitarbeiterrekrutierung ("Samen für eine neue digitale Kultur säen").
Im Gespräch mit CIO.de bestätigen CIOs von Großunternehmen das von McKinsey gezeichnete Bild. So fordert Daniel Keller, CIO beim Medienriesen Axel Springer, vor allem von der eigenen IT nicht weniger als einen Wandel, der an den Wurzeln rührt: "Wir müssen uns radikal verändern", postuliert der Manager gegenüber CIO.de. Da die Wertschöpfung immer mehr durch Software domininiert werde, so Keller, sei es notwendig, intern eine Softwareentwicklungskompetenz aufzubauen, die es ermögliche, digitale Produkte sehr schnell auf den Markt zu bringen und dann iterativ weiterzuentwickeln.
Beim Automobilhersteller Daimlerführte das Transformationsprogramm "Digital Life" zu einem entscheidenden Umdenken. Im Rahmen des Programms beschäftigen sich Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen mit der Frage, wie sich das Unternehmen verändern muss, damit die Digitalisierung erfolgreich auf Geschäftsprozesse, Produkte und Services angewendet werden kann. Für den Entwicklungsprozess am Automobil bedeutet das konkret: Statt Forschung und Entwicklung am Produkt Auto auszurichten, rückt nun der Fahrer in den Mittelpunkt. "Es sitzt ja nicht immer derselbe Fahrer im Auto, es stellt sich also die Frage der Personalisierung", erläutertDaimler-CIO Michael Gorriz den Veränderungsprozess in seinem Unternehmen. "Als wir auf diesen Punkt kamen, war klar, dass wir in der Ansprache des Kunden tief greifende Änderungen vornehmen müssen."
Und im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) revolutionierte der standardmäßige Einsatz einer neuen wissenschaftlichen Methode den Produktionsprozess: Ob Flugzeug, Raumfahrzeug oder Hochgeschwindigkeitszug - alle Entwicklungen in dem Forschungs- und Entwicklungsunternehmen werden zunächst simuliert. "Die Simulation ist erst durch die Technisierung sehr stark gewachsen", beschreibt DLR-CIO Hans-Joachim Poppdie Auswirkungen der digitalen Transformation auf seine Organisation. "Zwar wird es auch künftig noch Labors und echte Tests geben, aber der Anteil der IT-gestützten Forschung wächst unaufhörlich weiter."
Eine Mahnung zur Vorsicht kommt in diesem Zusammenhang einmal von der Anbieterseite. Hagen Rickmann, Geschäftsführer Sales bei T-Systems, meint, dassDigitalisierung sehr wohl radikal sein muss, aber der Einstieg mit dem richtigen Augenmaß und angepasst an die jeweilige Ausgangssituation des Unternehmens erfolgen müsse. Nur so sei sicherzustellen, dass Unternehmen, Mitarbeiter und Kunden diese Veränderungen auch akzeptierten und den Wert der Digitalisierung sähen. Deren eigentlicher Zweck besteht aus Sicht von Rickmann darin, "Effizienzen zu heben, Wohlstand zu fördern oder Convenience und Service zu verbessern" - auf keinen Fall, so der Manager, dürfe sich das Thema Digitalisierung zum Selbstzweck entwickeln.
Die Ausführungen der CIOs machen deutlich: DieDigitalisierungkann sich nie nur auf Einzelziele beziehen, sondern muss alle Geschäftsprozesse eines Unternehmens im Blick haben - mit aller erforderlichen Radikalität. Oder um es mit den Worten der Analysten von McKinsey zu sagen: "Damit Unternehmen im boomenden E-Commerce-Geschäft erfolgreich sein können, müssen sie aufhören, die digitale Transformation halbherzig zu betreiben. (… Sie sind stattdessen gefordert), ihre Strukturen, Prozesse, Systeme und die Belohnungssysteme ernsthaft auf die digitalen Anforderungen einzustellen.