Besonders in Medien-Unternehmen wird Web 2.0 als wesentlicher Treiber für zukünftiges Wachstum gesehen. Dies zeigt eine Studie des Verbands Deutscher Zeitungsverlage (VDZ) Ende 2007, die gemeinsam mit KPMG durchgeführt wurde. Gerade User Generated Content oder Communities werden hier hervorgehoben.
Web 2.0-Aktivitäten wurden in Medien-/ Verlagsunternehmen bisher meist in eigenständigen Bereichen oder rechtlich selbstständigen Unternehmen aufgebaut und betrieben. Studien gehen allerdings davon aus, dass bei über 80 Prozent dieser Unternehmen beide Bereiche zusammengelegt werden.
Aber auch in Nicht-Medien-Unternehmen gewinnt das Thema Web 2.0 zunehmend an Bedeutung. Häufig trifft man auf die Situation, dass erste Einsatzmöglichkeiten für Web 2.0-Anwendungen vom Fachbereich identifiziert, aufgebaut und betrieben werden, ohne Wissen und Einbindung des IT-Leiters oder IT-Bereichs. Häufig mit einem externen Dienstleister, ohne Berücksichtigung interner Standards, Richtlinien, Architekturvorgaben. Spätestens wenn Probleme aufkommen wird das Thema dann dem IT-Bereich übergeben.
Ob Medienunternehmen oder nicht, ein CIO wird sich zwangsläufig früher oder später mit diesem Thema beschäftigen müssen und ist dann aufgefordert einen Weg zu finden, beide IT-Bereiche organisatorisch zusammenzuführen.
Es gibt zahlreiche Gründe, warum in der Praxis Web 2.0-Organisationen am IT-Bereich vorbei gestartet und umgesetzt werden. Diese liegen häufig in den unterschiedlichen Denkwelten und potenziellen Konflikten zwischen einer traditionellen, strukturiert vorgehenden IT-Organisation und der offenen, iterativen, schwer zu kontrollierenden Umgebung des Web 2.0 begründet (siehe Bild unten).
Zahlreiche Gründe sprechen aber dafür, dass beide Welten in Zukunft zusammenwachsen somit auch IT-Organisationen vereint werden:
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Nutzen von Informationen als strategisches Asset und damit die Einbindung der Web 2.0-Kundeninformationen in die Kern-Anwendungslandschaft der „traditionellen IT“.
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Sicherstellen, dass rechtliche Anforderungen in der gesamten IT eingehalten werden.
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Trend der zunehmenden Verschmelzung von Produkt-IT und Backoffice-IT, wie sie im Telekommunikationsbereich und der Automobilindustrie beobachtbar ist.
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Vermeiden redundanter Aktivitäten und Kosteneinsparungen durch Synergien.
Das Zusammenwachsen von traditioneller IT und Web 2.0 wird organisatorische Implikationen für den IT-Bereich haben.
Zunehmende Zentralisierung der IT: Eine per Definition zentrale Internetplattform erfordert zentral vorgegebene Standards und Richtlinien. Ebenso erfolgen Entwicklung, Betrieb und Dienstleistersteuerung ebenfalls zentral. Im nächsten Schritt wird dadurch auch eine Standardisierung und Zentralisierung der verbundenen Systeme vorangetrieben.
Beschleunigung von Outsourcing und SaaS (Software as a Service): Web 2.0 Plattformen werden häufig über Outsourcing bezogen. Dies ermöglicht es, notwendige Flexibilität in der Skalierbarkeit zu erreichen ebenso wie neue Themen flexibel angehen und bei Bedarf auch wieder kurzfristig beenden zu können. Die Erfahrungen mit dem Betrieb von Web 2.0 Plattformen durch externe Dienstleister werden die Tür öffnen, auch andere IT-Services in dieser Weise zu beziehen.
IT als Innovator: Über Web 2.0 kann der IT-Bereich Innovationen in das Unternehmen einbringen, und marktorientierte Themen proaktiv vorantreiben. Das bedeutet auch eine weitere Möglichkeit, aus der internen Kostenverursacher-Rolle herauszukommen. Dies erfordert allerdings eine interne Umorientierung bezüglich Anbindung an Fachbereiche, Geisteshaltung und organisatorische Strukturierung.
Professionalisierung im Web 2.0: Die Industrialisierungsbewegung und -erfahrung in der traditionellen IT wird sich auf die „Perpetual-Beta“-Kultur des Web 2.0 übertragen (z.B. ITIL, SLAs), weil Qualitäts-, Sicherheits, und Verfügbarkeitsaspekte an Bedeutung gewinnen.
Um mögliche Web 2.0-Parallelaktivitäten außerhalb der IT vorzubeugen und für die zukünftigen Anforderungen an die IT Organisation gerüstet zu sein, sollte der CIO frühzeitig seine IT Strategie anpassen. Hier empfiehlt sich ein differenziertes Vorgehen pro Fachprozess, Produkt, Anwendungssystem und Plattform, um die beste Kombination aus Web 2.0-Philosophie und traditioneller IT zu ermitteln.
Derzeit werden verschiedenen IT-Organisationsmodelle in der Fachwelt diskutiert. Ein Modell eignet sich besonders, um die verschiedenen Anforderungen von traditioneller IT und Web 2.0, mit seinen Auswirkungen auf Kultur, Qualität, Geschwindigkeit und Sicherheit / Offenheit zu vereinen. Dieses IT-Organisationsmodell kann wie folgt charakterisiert werden (siehe Abbildung):
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Zentraler Bereich: Er bearbeitet übergreifende Themen der traditionellen IT und Web 2.0, und definiert und koordiniert übergreifende Richtlinien und Standards für z.B. Architektur, Prozesse und Governance. Er überwacht und steuert die Koordination der Demand- und Supply-Seite.
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Demand-Seite: Sie orientiert sich in ihrer Struktur und Inhalten sowie „Kultur“ eng am Fachbereich. Ihre Aufgabe ist es, die Anforderungen des Fachbereichs in geeignete IT-Lösungen zu überführen – ob in traditionellen Welten oder Web 2.0. Die Demand-Seite stellt sich unabhängig von technologischen Plattformen auf.
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Supply-Seite: Sie sorgt für die Umsetzung der Anforderungen - intern wie extern - und spezialisiert sich dabei auf Technologien innerhalb der traditionellen IT-Welt bzw. Web 2.0-Welt.
Mit diesem Organisationsmodell lassen sich die Vorteile beider Welten kombinieren und verschiedene IT-Kulturen konfliktfrei zusammen bringen. Nicht zuletzt wird so vermieden, dass Fachbereiche parallel, eigene Web 2.0-Welten aufbauen, da sie mit ihren Anforderungen an traditionellen IT-Bereichen scheitern.
Dr. Heinz Linss ist Partner bei KPMG und Leiter des Bereichs IT-Strategie und Performance