Wie eint man einen Konzern mit weltweit 384.000 Mitarbeitern? Sue Unger, CIO im Daimler-Chrysler-Konzern hat dazu klare Vorstellungen: "Wir gehören zu den ersten, die globale Ideen entwickelt haben", sagt Unger, die zu den wenigen Amerikanern gehört, die sich nach der Fusion von Daimler und Chrysler in der Führungsriege des Konzerns halten konnte. Die IT habe als eine der ersten Abteilungen nach der Fusion damit begonnen, Systeme über den Teich hinweg zu standardisieren. Unger begrüßt die Pläne des CEO Dieter Zetsche, Doppelkapazitäten abzubauen und Systeme zu konsolidieren. Sie sieht ihre IT diesbezüglich in einer Vorreiterrolle. Zum Motor von Standardisierung und Globalisierung sei man in drei Schritten geworden:
1. Start mit Infrastruktur
"Fangen Sie mit Infrastruktur an, das ist nicht so emotional“, rät Sue Unger. Während User beim Austausch von Anwendungsprogrammen zu Gefühlsausbrüchen neigen, wehren sie sich kaum gegen neue Hardware. Neben den Netzwerken und der Konsolidierung der Datencenter zählen die Desktops mit dem Projekt "PC Global“ zählt deshalb zu den Dingen, die Unger standardisiert hat. In Europa und Asien sind die IT-ler damit nahezu fertig. Amerika werden sie im ersten Quartal 2006 abschließen. 25 Prozent der Total Cost of Ownership (TCO) habe man bei den Rechnern eingespart. Noch entscheidender sei jedoch, die Komplexität reduziert zu haben, sagt Unger: "Ich kann jetzt globale Applikationen versenden – und sie funktionieren."
Nicht so gut funktioniert hat im Projekt "Global Desktop" die Single-Vendor-Strategie. "Es ist nicht so klug, alles mit einem Hersteller zu realisieren", resümiert Unger selbstkritisch: "Unsere Spezifikationen waren so speziell, dass nicht mal ein globaler Hersteller sie liefern konnte." Daraufhin habe man seine Wünsche dem weltweiten Markt angepasst. "Außerdem haben wir festgestellt, dass wir mit Online-Auktionen bessere Preise erzielen als mit einem großen Vertrag", sagt Unger.
2. Erfolge im Einkauf
Je geringer die Fertigungstiefe, desto größer die Einsparpotentiale im Einkauf. Folgerichtig strengt sich die IT bei Daimler-Chrysler besonders an, den Einkaufsprozess zu verbessern. Erste Anstrengungen in Richtung E-Commerce gab es bereits 2001, als Daimler zusammen mit GM, Renault-Nissan und Peugeot-Citroen die Einkaufsplattform Covisint angestoßen hat. Dessen hoch gesteckte Ziele sind zwar unerreicht geblieben. Aber Covisint werde von Daimler noch immer als Börse genutzt, betont Unger.
Wichtiger ist ihr allerdings Daimler-Chryslers globales Beschaffungssystem "Globus". 4.000 Zulieferer hat die IT mittlerweile in diese End-to-End-Lösung eingebunden. Bisher werden über Globus rund 65 Prozent des Gesamtvolumens abgewickelt. Geplant ist, diesen Anteil bis 2008 auf 95 Prozent zu erhöhen. Globus regelt dabei nicht nur den Preisvergleich am Anfang des Einkaufsprozesses, sondern auch die Bestellabwicklung.
3. Applikationen und Prozesse standardisieren
Dieser dritte Ansatz ist der schwierigste, den sich eine IT vornehmen kann. Sue Unger verfolgt ihn an drei Stellen: Erstens werden gerade die Ingenieurswerkzeuge standardisiert. Besonders der japanische Lkw-Hersteller Fuso mit seiner zweidimensionalen Lösung wird auf den Catia-3d-Standard umgestellt. Zweitens sollen die Buchhalter weltweit auf einer einheitlichen SAP-Version arbeiten. Und drittens will die IT-Chefin die Produktdokumentation für den Bereich Nutzfahrzeuge weltweit neu aufstellen und dadurch 150 Millionen Euro jährlich einsparen: "Das ist weltweit das größte IT-Projekt", behauptet Unger.
IPDC (Integration of Product Documentation), so der Name des Projekts, läuft bereits seit 2004 und wird die IT-ler voraussichtlich noch bis 2009 beschäftigt halten. Ungefähr 100 Mitarbeiter aus IT- und Fachabteilungen von Daimler-Chrysler arbeiten zusammen mit 80 Mitarbeitern des Offshore-Dienstleisters Tata Consulting an der Umsetzung. In der klassischen Lehre des Managements sei dies ein viel zu großes Projekt meint Unger: "Aber ich habe keine Wahl." 2008 soll bei Fuso ein neuer Truck vom Band rollen. "Und wir bauen keine Lkw mehr ohne IPDC", rezitiert Unger einen Vorstandsbeschluss.
Daimler-Chrysler-CEO Dieter Zetsche lässt keine umständlichen oder doppelten Arbeiten mehr zu. In den nächsten drei Jahren will er 6.000 Stellen in der Administration streichen. Diese Zahl entspricht 20 Prozent der Verwaltungsstellen weltweit und 30 Prozent der Manager-Posten. Betroffen sind vor allem Management und Verwaltung in Deutschland. Sue Unger, seit acht Jahren CIO im Unternehmen, sieht den Veränderungen jedoch gelassen entgegen. In Konzentrationsprozessen sei die IT umso wichtiger, erklärte sie gegenüber CIO: "Die Arbeitsbelastung wird ziemlich dramatisch steigen", sagt Unger. Konkrete Stellenkürzungen seien in ihrem Ressort derzeit jedoch nicht vorgesehen.
Zetsches Reformkurs trifft Unger persönlich bis jetzt nur in ihrer Berichtspflicht. Bisher hatte sie direkt an den Vorstandsvorsitzenden berichtet, also die meiste Zeit an Jürgen Schrempp, zu dem sie nach eigenen Angaben einen sehr guten und engen Kontakt hatte. Jetzt heißt ihr Vorgesetzter Rüdiger Grube, welcher im Vorstand die Konzernentwicklung sowie die IT verantwortet und gleichzeitig für die Beteiligung EADS zuständig ist.