In Sachen IT haben die Manager und CIOs der Handelsunternehmen hohe Ansprüche und Erwartungen, die sich laut Ergebnis der MBmedien Retail IT-Studie im wesentlichen um folgende Hauptkriterien gruppieren: Innovative IT-Systeme sollen
· integrierte Sichten auf die im Unternehmen anfallenden Daten ermöglichen und dabei helfen, diese zur Informationsgewinnung einzusetzen,
· die Gestaltung effizienter, nahtlos integrierter Arbeits- und Geschäftsprozesse unterstützen und ein straffes Business Process Management erlauben,
· einen starken Beitrag zur Kostensenkung sowie zur damit verbundenen Effizienz- und Produktivitätssteigerung leisten,
· Verbesserungen in den Bereichen Kundenservice / Kundenbindung begleiten und auf diese Weise Wettbewerbsvorteile schaffen.
Welche Maßnahmen und Marschrouten die Unternehmen ins Auge fassen und betreiben, um diese Postulate aus der strategischen Theorie in die wirtschaftliche Praxis zu überführen, welche Informationstechnologien, IT-Systeme und -Lösungen dabei im Vordergrund stehen, wer in den Unternehmen Investitionsentscheidungen trifft oder mitgestaltet und welche Investitionsmittel in welchem Zeitraum zur Verfügung stehen: Das sind die wichtigen Fragen, denen sich die MBmedien Retail-Studie intensiv widmet.
Der Fokus der Studie ist die Analyse der Strukturen, des IT-Bedarfs und der IT-Budgets im deutschen Retail-Markt. Dazu wurden insbesondere Groß- und Einzelhandelsunternehmen aus den Bereichen Lebensmittel und Textil als Zielgruppen-Kern gewählt. Unter Einsatz eines Email-gestützten Fragenkonzepts kontaktierten Mitarbeiter des MBmedien Telemarketing-Teams 1.570 Geschäftsführer, Manager sowie Marketing- und IT-Führungskräfte in deutschen Retail-Unternehmen für Erhebungen zu folgenden Themenkomplexen:
· vorhandene IT-Infrastrukturen, eingesetzte IT-Lösungen und -Systeme,
· Zufriedenheit mit eingesetzten IT-Lösungen und -Systemen,
· Entscheidungskriterien und Entscheidungsträger für IT-Investitionen,
· kurz- und mittelfristige IT-Investitionsvorhaben,
· Entscheidungskriterien für die Lösungs- und Anbieterwahl,
· vorhandene Budgets, Budget-Entwicklungen.
Die im einzelnen nachgefragten Technologien und Lösungsszenarien im Überblick:
· IT-Infrastruktur und Netzwerke, Telecom & Internet
· Standard-Software und Branchen-Software für E-Business & ERP
· Kassen- bzw. EPoS-Systeme, Abrechnungssysteme
· Kiosk-Systeme, Sales Push-/PoS-Systeme
Von den 1.570 kontaktierten Personen haben letztlich 376 an der Online Befragungsaktion teilgenommen. 58 Prozent der Teilnehmer sind dem FMCG-Bereich (Fast Moving Consumer Goods) zuzurechnen, 42 Prozent zählen zum Bereich SMCG (Slow Moving Consumer Goods). Nachfolgend Ergebnisse und Aussagen der MBmedien Retail IT-Studie in Auszügen. Die Studie ist seit April 2006 verfügbar.
Größenordnungen und Kennzahlen
Deutlich mehr als die Hälfte der 376 Befragungsteilnehmer repräsentieren Unternehmen mit weniger als 50 Niederlassungen bzw. Filialen. Während der Bereich „500 bis 1.000 Niederlassungen“ mit knapp zwei Prozent sehr gering vertreten ist, verfügen immerhin sieben Prozent über mehr als 1.000 Niederlassungen. In gut 80 Prozent der Fälle werden übrigens die Niederlassungen zentral über den Hauptsitz gesteuert. Dabei liegt der Wert für SMCG-Unternehmen mit 84 Prozent über dem Wert der FMCG-Companies (79 Prozent).
Was das Rechenzentrum, das IT-Herz eines jeden Unternehmens, anbetrifft: 52,5 Prozent der Befragten beherbergen ihr RZ zentral am Hauptsitz, 43 Prozent verfolgen eine dezentralisierte RZ-Strategie, und 4,5 Prozent haben ihr RZ in externe Dienstleisterhände gegeben (RZ Outsourcing).
Von den befragten Unternehmen sind die meisten (über 50 Prozent) der Umsatzklasse „weniger als 50 Mio Euro“ zuzuordnen – was ja die Verhältnismäßigkeit des deutschen Handelsmarktes widerspiegelt. So sind die Unternehmen mit über fünf Milliarden Euro Jahresumsatz prozentual entsprechend gering vertreten (siehe Grafik 1).
Bereiche, Zielvorgaben und Entscheidungskriterien für IT-Investitionen
Bei den Handelsunternehmen ist Software für Prozess-Optimierung besonders gefragt: Ob Standard-Software für ERP-Belange oder Branchen-spezifische Software für Einkauf, Vertrieb und Warenwirtschaft – letztlich müssen diese Lösungen tiefgreifend „miteinander können“ und erreichen bei der Frage nach den Bereichen anstehender IT-Investitionen zusammengefasst den höchsten Wert. Und selbstverständlich ist ein modernes Kassen-/EPoS-System für solche Solutions einer der wichtigsten Integrationspartner und darf daher nicht singulär betrachtet werden (Grafik 2).
Was die Entscheidungskriterien für die Wahl von IT-Lösungen bzw. -Anbietern anbetrifft, sind die letzten Plätze schnell ausgemacht: Klingende Namen und technologische Raffinesse allein sind zu wenig für vordere Positionen. Diffiziler ist das Bild bei den weiteren Platzierungen. Fasst man die Votierungen „sehr wichtig“ und „wichtig“ zusammen, so nimmt das Kriterium „Stabilität & Produktpflege“ den Spitzenplatz ein. Recht nah beieinander folgen „Service / Support“, „Betriebskosten“ und „Anschaffungskosten“. „Effektivität & Bedienbarkeit“ weist schon einen gewissen Abstand auf. Bleibt festzuhalten, dass reine Kostenaspekte einer Lösung keineswegs dominieren.
Kassen- bzw. EPoS-Systeme
Knapp 30 Prozent der befragten 376 Unternehmen haben insgesamt (das heißt über alle Filialen hinweg) zwischen 50 und 100 Kassen bzw. EPoS-Terminals im Einsatz, 18,5 Prozent verfügen über weniger als 25 Kassen, knapp 40 Prozent liegen im Bereich 100 bis 1.000 Kassenplätze, knapp 15 Prozent haben zwischen 1.000 und 5.000 Systeme im Einsatz.
Bei der durchschnittlich eingesetzten Kassenzahl pro Filiale zeigt sich dieses Bild: Knapp 47 Prozent setzen pro Filiale 1 bis 2 Kassen ein, zirka ein Drittel liegt bei einem Wert zwischen 3 und 10, knapp 5 Prozent sind zwischen 10 und 20 einzuordnen, und etwas mehr als 15 Prozent setzen pro Filiale mehr als 20 Kassen ein. Der Status „Kassen- bzw. EPoS-Systeme vernetzt / nicht vernetzt“ hält sich ungefähr die Waage (48 Prozent / 52 Prozent).
Bei den eingesetzten User-Interfaces überwiegt deutlich das Tastatur-Verfahren (FMCG: 80 Prozent, SMCG: 90 Prozent) gegenüber dem Touch Screen. Der Einsatz eines anderen bzw. weiteren Interfaces wird durchaus geplant (FMCG: 16 Prozent, SMCG: 25 Prozent) – heißt: in diesen Fällen soll der Tastatur eine Touch Screen-Methode zur Seite gestellt werden.
In Sachen Betriebssystem sind die Kassen- bzw. EPoS-Systeme (noch) fest in MS WIN Händen. 21 Prozent vertrauen auf WIN 2000, rund 26 Prozent auf die übrigen WIN Versionen (13,5 Prozent: WIN XP / XP embedded). Die DOS Welt ist mit 17 Prozent und die Unix Welt mit 13 Prozent vertreten, und auf Linux setzen 15 Prozent.
Grafik 3 gibt einen Überblick über den Anwendungsnutzen und das Zusammenspiel moderner Kassen- und Warenwirtschafts-Systeme. Grafik 4 zeigt das Votum der Interviewten zu den wichtigsten warenwirtschaftlichen Prozessen, und Grafik 5 liefert die hauptsächlichen Einsatzbereiche für Retail Branchen-Software.
Kiosk-Systeme
Als aktuellen Status Quo hinsichtlich Einsatz von Kiosk-Systemen im deutschen Handelsmarkt kommt die MBmedien Retail-Studie zu folgendem Ergebnis:
· 8,5 Prozent der 376 befragten Handelsunternehmen bieten ihren Kunden bereits Kiosk-Lösungen,
· 16 Prozent planen derzeit solche Aktivitäten,
· für 75,5 Prozent sind Kiosk-Systeme heute kein Thema.
Personal Shopping Assistants PSAs
Was das hier und heute in Sachen Einsatz von PSAs (Personal Shopping Assistant) anbelangt, ist das Ergebnis der MBmedien Marktbefragung eindeutig: Von einer respektablen PSA-Nutzung in Praxis sind die Handelsunternehmen weit entfernt. Nur 0,5 Prozent der 376 Befragten setzen bereits auf Personal Shopping Assistants, ein Prozent befindet sich in einschlägigen Planungen. Heißt: 98,5 Prozent – und naturgemäß im Prinzip der gesamte SMCG-Bereich – stehen diesem Thema derzeit teilnahmslos gegenüber.
Erheblich freundlicher ist das Bild betreffend Einsatz von mobilen Endgeräten in Form von „Mobile Store Assistants“. Gut 33 Prozent der befragten Unternehmen nutzen diese agilen Helfer für Inventur- und ähnliche Anforderungen – davon knapp 28 Prozent mittels so genannter Docking-Station. Mit rund fünf Prozent Zuspruch ist die WLAN-Architektur als technologische Alternative in diesem Einsatzbereich noch unterentwickelt.
Self Checkout
Dass die Nutzung von Self Checkout-Systemen Stand heute nur für wenige Big Player im FMCG-Bereich in Frage kommt, zeigt auch die MBmedien Retail-Studie: 0,5 Prozent der Befragten haben Self Checkout-Kassen im Einsatz, und sieben Prozent haben derzeit entsprechende Planungen. Ein fast identisches Bild zeigt sich im übrigen hinsichtlich Einsatz von intelligenten Waagen (0,6 Prozent „Ja“, 7,1 Prozent „in Planung“).
IT-Infrastruktur
Gemäß MBmedien Retail-Studie verfügen 47 Prozent der befragten Unternehmen über ein Switched & Routed Network, 42 Prozent setzen ein Switched Network ein, und elf Prozent nutzen immer noch ein Shared Network. Dabei wird nahezu ausschließlich auf100/1.000 Mbit/s Ethernet-Technologie gesetzt. In Sachen Speicher-Vernetzung zeigen die Handelsunternehmen wenig Ambitionen. 72,5 Prozent verzichten komplett auf sie, 22 Prozent betreiben ein NAS (Network Attached Storage), und 5,5 Prozent verfügen über ein SAN (Storage Area Network).
75 Prozent der befragten Unternehmen betreiben ein Virtual Private Network (VPN), und 28 Prozent haben ein Extranet im Einsatz. Was den Einsatz von Online Applikationen anbetrifft, gibt es noch Nachholbedarf: erst knapp über die Hälfte der Unternehmen (55,5 Prozent) gehen diesen Weg. Ergebnis zum Thema Wireless Networking: 56 Prozent der Befragten sehen in ihrem Unternehmen einen deutlich wachsenden Bedarf an Wireless Local Area Networking.
Fazit
Moderne IT kann Handelsunternehmen heute helfen, Prozesse zu optimieren, zu ergänzen oder abzulösen. Diese Prozess-Optimierung und das Redesign können und müssen aber übergreifend geschehen, intern sowie extern. Der Begriff der Supply Chain ist auch im Handel kein Fremdwort mehr, ja sogar die konservativsten Handelsunternehmen haben erkannst, dass ein großes Potenzial in der Logistik (Waren und Informationen) und im Supply Chain Management liegt. Die Basis für ein funktionierendes Supply Chain Management ist die übergreifende und lückenlose Erhebung, Vorhaltung und Verarbeitung von digitalen Daten und die Abbildung aller Prozesse.
Hierfür müssen die Unternehmen zunächst intern in den eigenen Filialen eine Verzahnung der einzelnen Prozesse und Abteilungen und einen übergreifenden Informationsaustausch sowie deren Vorhaltung erreichen, damit dann zentralisiert in den Konzernen Daten erhoben, ausgetauscht, weiterverarbeitet und zur Optimierung herangezogen werden können. Moderne IT ermöglicht es aber auch, Partner und Lieferanten in diese Prozesse mit einzubeziehen bzw. Schnittstellen zwischen den eigenen Prozessen und denen der Partner und Lieferanten herzustellen. Auch der Kunde kann mittlerweile einbezogen werden, so dass ein modernes Supply Chain Management durchgreifend vom Produzenten über die Lieferanten und Logistik, über die interne Warenwirtschaft und die eigenen Kassensysteme und weitere branchenspezifische Lösungen bis hin zum Verbraucher funktioniert.
Um dies zu erreichen, werden Systeme und Applikationen benötigt, die Standards und anerkannte Normen erfüllen. Proprietäre Systeme und Eigenentwicklungen, wie sie im Handel in der Vergangenheit gerne gemacht wurden, insbesondere im Bereich der Kassensysteme oder der Warenwirtschaft, müssen abgelöst werden. Im Bereich der Warenwirtschaft und insbesondere bei Kassensystemen machen Eigenentwicklungen kaum noch Sinn, zumal sie wesentlich kosten- und personalintensiver sind. Hersteller moderner Kassensysteme liefern Lösungen, die flexibel ergänzt oder erweitert und an die Bedürfnisse des Kunden angepasst werden können. Viele Systeme enthalten bereits alle notwendigen Funktionen und Features und müssen nur freigeschaltet werden.
Reinhold Hölbling, Geschäftsführer der MBmedien GmbH, Krefeld