Neue Trends als Treiber

IT-Berater geraten unter Druck

14.06.2013 von Ingrid Weidner
Hohe Ansprüche auf Kundenseite, Preisdruck sowie neue Konkurrenten wirbeln die erfolgsverwöhnte IT-Beratungsszene durcheinander.
Christoph Wamser, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg: "Weniger Wachstum und der intensivere Wettbewerb setzen dem IT-Beratungsmarkt zu."
Foto: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

Der IT-Beratermarkt ist umkämpfter." Christoph Wamser, Professor für Strategie und Organisation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, verfolgt die Branche seit vielen Jahren und macht verschiedene Faktoren für die Situation verantwortlich: "Weniger Wachstum und intensiverer Wettbewerb setzen den klassischen IT-Beratungsunternehmen zu."

Große Wirtschaftsprüfer wie PricewaterhouseCoopers, KPMG, Deloitte oder Ernst & Young drängten zuletzt auf der Suche nach neuen Jagdgründen in das klassische Revier der Management-, aber auch der IT-Beratung. Große IT-Beratungshäuser versuchen ihrerseits, Management-Themen in ihr Angebotsspektrum zu integrieren und sich so neue, oft lukrativere Geschäftsfelder zu erschließen. "In der Management-Beratung beginnen viele Tagessätze bei 2000 Euro, auch 3000 Euro sind nicht ungewöhnlich. Dagegen verrechnen viele IT-Beratungen nur 800 Euro pro Tag. Das ist für standardisierte Themen schon die Obergrenze", rechnet Wamser vor.

Beratergehälter 2013
Was Berater verdienen...
...hat der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) in seiner aktuellen Studie eruiert, für die er Gehaltsdaten aus 193 Unternehmensberatungen ausgewertet hat.
In großen Unternehmensberatungen,...
...die jährlich über 25 Millionen Euro Umsatz machen, verdienen vor allem die oberen Hierarchiestufen überdurchschnittlich gut.
Analysten dagegen....
steigen bei großen Unternehmensberatungen mit 43.800 Euro im Jahr ein, was einer durchschnittlichen Vergütung für die unterste Karrierestufe entspricht.
Consultants in großen Unternehmensberatungen...
.....machen schon einen deutlichen Gehaltssprung und kommen auf 62.700 Euro im Jahr. Hier ist auch bereits der variable Anteil höher.
Senior Consultants in Unternehmensberatungen der Umsatzklasse über 25 Millionen Euro...
...kommen auf ein Jahresgehalt von 81.400 Euro. Wie die Consultants werden sie am Unternehmensergebnis, ihrer Akquisitationsleistung, dem Honorarumsatz und Sonderaufgaben gemessen.
Mit dem Karrieresprung zum Manager....
...erhöht sich das Einkommen in großen Beratungen um knapp 25.000 Euro auf durchschnittlich 106.700 Euro im Jahr.
Senior Manager ....
...sind die zweite Führungsebene in großen Unternehmensberatungen. Ihr Jahreseinkommen beträgt im Schnitt 146.400 Euro.
Partner in großen Unternehmensberatungen...
.... verdienen 369.000 Euro im Jahr und damit neun Mal so viel wie ein Analyst. 42 Prozent der Vergütung sind variabel, die sich vor allem am Unternehmensergebnis bemisst.
Gute Verdienstchancen...
...eröffnen sich auch in Unternehmensberatungen, die zwischen fünf und 25 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaften.
Analysten erhalten....
...mit 46.100 Euro im Jahr sogar 3000 Euro mehr als ihre Kollegen in Beratungen der Umsatzklasse über 25 Millionen Euro.
Consultants ....
...in Beratungen in der Umsatzklasse zwischen 5 und 25 Millionen Euro verdienen jährlich 57.100 Euro und damit rund 5000 Euro weniger als ihre Kollegen in großen Beratungshäusern.
Der Karriereschritt zum Senior Consultant...
.....rechnet sich in Beratungen in der Umsatzklasse zwischen 5 und 25 Millionen Euro. Ein Senior Consultant bekommt 83.700 Euro oder 25.000 Euro mehr als ein Consultant.
Das Gehalt der Manager....
...in Beratungen in der Umsatzklasse zwischen 5 und 25 Millionen Euro pendelt sich bei rund 100.000 Euro ein.
Ein Senior Manager....
...kommt in Beratungen in der Umsatzklasse zwischen 5 und 25 Millionen Euro bereits auf 137.200 Euro im Jahr.
Partner....
... verdienen in Beratungen in der Umsatzklasse zwischen 5 und 25 Millionen Euro 215.600 Euro im Jahr und damit fünf Mal soviel wie Analysten.
Auch Unternehmensberatungen...
...in der Umsatzklasse zwischen 2,5 und 5 Millionen Euro vergüten ihre Mitarbeiter und Manager ansprechend. Im Vergleich zur Umsatzklasse von 5 bis 25 Millionen Euro sind hier kaum Abstriche festzustellen.
Analysten verdienen...
in Beratungen der Umsatzklasse zwischen 2,5 und 5 Millionen Euro 43.200 Euro im Jahr.
Der erste Karriereschritt zum Consultant...
schlägt in Beratungen der Umsatzklasse zwischen 2,5 und 5 Millionen Euro mit einem Plus von knapp 18.000 Euro zu Buche. Das Jahresgehalt beträgt 61.300 Euro.
Der nächste Schritt zum Senior Consultant...
...bringt in Beratungen der Umsatzklasse zwischen 2,5 und 5 Millionen Euro nochmal 23.000 Euro im Jahr. Ein Senior Berater kommt auf 84.600 Euro.
Manager erhalten....
....in Beratungen der Umsatzklasse zwischen 2,5 und 5 Millionen Euro eine Gesamtvergütung von 104.200 Euro.
Senior Manager kommen...
...in Beratungen der Umsatzklasse zwischen 2,5 und 5 Millionen Euro auf ein Jahresgehalt von 134.300 Euro.
Partner,.....
deren Gehalt zum großen Teil vom Unternehmenserfolg abhängt, können mit 213.200 Euro rechnen.
In kleineren Beratungshäusern....
....in der Umsatzklasse zwischen 1 und 2,5 Millionen Euro vergüten nur die unteren Hierarchieebenen ähnlich hoch wie die größeren Unternehmen. Mit zunehmender Hierarchiestufe werden aber die Abstände deutlicher.
Ein Analyst kommt..
...in einer Beratung in der Umsatzklasse zwischen 1 und 2,5 Millionen Euro auf 41.300 Euro im Jahr. Sein Kollege in großen Beratungen verdient nur 2000 Euro mehr.
Ein Consultant kann...
...in einer Beratung in der Umsatzklasse zwischen 1 und 2,5 Millionen Euro mit einem Jahressalär von 51.100 Euro rechnen. Das sind 10.000 Euro weniger als Kollegen in großen Beratungen.
Ein Senior Consultant verdient...
...in einer Beratung mit einem Umsatz zwischen 1 und 2,5 Millionen Euro 73.500 jährlich 73.500 Euro und damit 10.000 Euro weniger als in großen Unternehmen.
Manager in kleineren Beratungen,,...
...kommen nur auf eine Gesamtvergütung von 78.300 Euro. Ihre Kollegen in großen Häusern erhalten 25.000 Euro mehr im Jahr.
Senior Manager in kleineren Beratungen....
...können eine Vergütung von 104.500 Euro im Jahr erwarten. Kollegen in großen Häusern erhalten bis zu 40.000 Euro mehr.
Partner in kleineren Beratungen...
...finden sich bei einem Jahresgehalt von 204.100 Euro wieder. Hier driftet die Schere zwischen den Vergütungen besonders auseinander. Der Partner in großen Beratungen kommt auf 369.000 Euro.
In kleinen Beratungen...
..mit einem Jahresumsatz zwischen 500.000 und 1 Million Euro werden auch kleinere Gehälter gezahlt.
Analysten...
...steigen mit 34.800 Euro ein.
Consultants...
erreichen 49.300 Euro im Jahr.
Senior Consultants...
verdienen 70.500 Euro im Jahr.
Manager in kleinen Beratungen...
...werden mit 86.700 Euro vergütet.
Der Schritt zum Senior Manager...
..bringt ein Plus von gut 6000 Euro oder eine Gesamtvergütung 93.500 Euro im Jahr.
Das Salär der Partner in kleinen Beratungen...
..bewegt sich mit 151.300 Euro auf dem Niveau der Senior Manager in großen Häusern.
In Beratungen der Umsatzklasse unter 500.000 Euro...
...sind Hierarchiestufen wie Gehaltsperpektiven begrenzt.
Analysten...
...beginnen mit 34.100 Euro im jahr.
Senior Consultants...
...kommen auf 67.600 Euro im Jahr.
Partner....
...erreichen eine Gesamtvergütung von 119.600 Euro im Jahr.

Die gewünschte Expansion in die lukrative Welt des Management-Consultings lässt sich für IT-Beratungen jedoch nicht so leicht bewerkstelligen. "Accenture traut man diesen Schritt zu", analysiert Wamser. Auch für IBM oder Capgemini könne diese Strategie aufgehen, doch dem Gros der meist mittelständischen IT-Beratungsfirmen bleibe dieser Weg wohl versperrt.

Auch viele internationale Management-Beratungen integrieren IT-Themen in ihr Portfolio. Passé sind die Zeiten, in denen die McKinseys dieser Welt zweistellige Wachstumsraten verbuchen konnten. Doch ohne diese Umsätze kommt auch deren klassisches Aufstiegs- und Karrieremodell ins Wanken, besonders dann, wenn alle Partnerpositionen vergeben sind. "Mir fällt immer wieder auf, dass viele Partner in Management-Beratungen erst Ende 30 sind. An Ruhestand denken diese Berater noch lange nicht", beobachtet der 44-Jährige Wamser.

So wählen Kunden Berater aus

Mit neuen Trends wie Mobile, Cloud, Big Data oder Social Media eröffnet sich den klassischen IT-Beratungen zwar ein weites Feld. Das können sie allerdings nur bestellen und die Früchte ihrer Arbeit ernten, wenn sie schnell verstehen, was diese Hype-Themen für ihre Kunden bedeuten und wie sie sich in tragfähige Geschäftsmodelle ummünzen lassen. Auch kleineren IT-Beratungen gelingt es immer wieder, ein Nischenthema zu besetzen und sich auf diese Weise als Spezialisten zu etablieren.

Doch CIOs und IT-Verantwortliche plagen oft alltäglichere Sorgen. "Wir kaufen in erster Linie externe Beratungsleistung ein, wenn wir Ressourcenengpässe haben oder für ein neues Thema spezifisches Know-how benötigen", erläutert Jutta Rößner, bei Datev in Nürnberg verantwortlich für die Technologieleitlinie, Architekturen und User Experience. Auch wenn innerhalb des Unternehmens eine Idee in ein neues Konzept einfließt, engagiert Rößner manchmal externe Berater, die mit ihrer neutralen Fachmeinung den Datev-Experten Feedback geben und so für eine Art Qualitätscheck sorgen.

Jutta Rößner, Datev: "Zu allen für uns wichtigen IT-Themen bauen wir selbst Know-how auf."
Foto: Datev

Je nach Aufgabe kommen große oder auch mittelständische IT-Beratungsunternehmen sowie IT-Selbständige bei Datev zum Zug. "Wir arbeiten nicht nur mit regionalen Firmen aus Nürnberg zusammen", betont Rößner.

Während die engagierten Experten manchmal bis zu zwei Jahre im Unternehmen bleiben, arbeiten IT-Berater, die neue Themen etablieren, meist höchstens bis zu sechs Monate bei Datev. Entwickelt sich ein Trend zum neuen Geschäftsfeld, etabliert das Dienstleistungsunternehmen ein eigenes Expertenteam. "Zu allen für uns wichtigen IT-Themen bauen wir selbst Know-how auf. Externe Berater ermöglichen es uns jedoch, flexibel zu bleiben und schnell auf Wissen zuzugreifen", so die Nürnberger Managerin.

Jürgen Renfer, Abteilungsleiter Informationstechnologie der Bayerischen Landesunfallkasse in München, gleicht personelle Engpässe in der eigenen Mannschaft ebenfalls über externe Berater aus. Doch für strategische Fragen holt er sich niemanden ins Haus. "Das Denken geben wir nicht so gerne aus der Hand, das ist schließlich unsere Aufgabe, dafür werden wir bezahlt", sagt Renfer selbstbewusst und ergänzt: "Wir legen deshalb großen Wert auf die fundierte Aus- und Fortbildung unserer Stammmannschaft und machen uns ungern abhängig."

Projektnachweise zählen

Neben den formalen Anforderungen des Vergaberechts, an die Renfer behördenseitig gebunden ist, legt der IT-Chef besonderen Wert auf die fachlichen Qualifikationen und Soft Skills der externen Berater. "Ich frage keine formalen Studienabschlüsse ab, sondern möchte Belege dafür, wie das IT-Beratungsunternehmen in ähnlichen Projekten vorgegangen ist und wo es Probleme gegeben hat."

Jürgen Renfer, Bayerische Landesunfallkasse: "Wir machen uns ungern abhängig von Beratern."
Foto: Christoph Vohler, München

Diese Referenzprojekte zeigen dem IT-Manager, ob die Berater die von ihm geforderten IT-Expertenschaft mitbringen, und geben ein aussagekräftiges Bild, ob und welche Stolpersteine sich gebildet haben. "Natürlich rufe ich die von den Dienstleistern genannten Kunden an und frage nach", fügt Renfer hinzu. "IT-Verantwortliche reden untereinander, sind gut vernetzt und tauschen sich aus." Schwarze Schafe in der IT-Beraterszene haben es also schwer, unrealistische Preise zu verlangen oder schlecht qualifizierte Mitarbeiter zu schicken.Auch Datev-Managerin Rößner prüft genau das Qualifikationsprofil der IT-Berater und lädt sie zum Vorstellungsgespräch ein, bevor sie sich entscheidet.

Soft Skills und Teamfähigkeit sind inzwischen nahezu genauso wichtig wie das technische Know-how. "Bevor wir uns entscheiden, setzen wir die externen Berater und unsere Mitarbeiter nach Möglichkeit gemeinsam an einen Tisch, um zu klären, ob die Zusammenarbeit auch innerhalb des Teams funktioniert", sagt Renfer. So versucht der IT-Manager, spätere Probleme möglichst auszuschließen.

Auf die Kosten von Beratungsleistungen achtet Renfer besonders: "Das war für uns im öffentlichen Dienst schon immer ein wichtiges Thema." Auch Datev kalkuliert genau, wie IT-Managerin Rößner betont: "Wir arbeiten mit seriösen Firmen zusammen, die vernünftige Honorare berechnen. Wir sind zwar kostenbewusst, doch wir versuchen nicht, Dumping-Preise durchzusetzen."

Hochschullehrer Wamser weiß um weitere Entscheidungskriterien, an denen Unternehmen sich orientieren: "Gerade wenn Firmen IT-Beratungsleistungen einkaufen, achten sie besonders auf die Technologie- und Umsetzungskompetenz sowie die Nachhaltigkeit in der Beratung." In vielen Projekten benötigen IT-Berater außer ihren Fachkenntnissen auch betriebswirtschaftliches sowie Change-Management-Wissen oder Branchenkompetenz: "Sozialkompetenz zählt ganz selbstverständlich zum Profil eines Beraters."

Um das Anforderungsprofil eines Beraters realistisch einschätzen zu können, setzen Kundenunternehmen oft auf Mitarbeiter, die selbst als Berater gearbeitet haben, sagt Wamser: "Viele Ex-Berater arbeiten heute für den Kunden und wissen ganz genau, wie sie die engagierten Berater am effektivsten einsetzen können." Auch das trägt dazu bei, dass die Kostenschraube enger angezogen wird. Der permanente Innovationsdruck mache den IT-Beratungsjob zwar äußert spannend. Allerdings könne es auch anstrengend sein, immer wieder neue Trends in Geschäftsmodelle umsetzen zu müssen.

Beratung der Zukunft

Die Beratungsbranche durchlief in den vergangenen Jahren zahlreiche Veränderungen. War vor einigen Jahren noch ein Full-Service-Dienstleister gefragt, punkteten später Spezialisten für einzelne Fachthemen und Branchen, bis sie von den Umsetzungsspezialisten abgelöst wurden. Das Schweizer Beratungsunternehmen Cardea identifiziert vier neue Beratungstrends für die Zukunft.

1. Kunden wollen flexiblere Beratungen

Kunden überlegen genauer, welche Aufgaben sie an Berater abgeben und welche sie selbst übernehmen. "Der Trend zum Smarter Shopping im Beratungsmarkt zwingt große, mittlere wie kleine Beratungsanbieter, ihre Geschäftsmodelle zu diversifizieren und neue, flexiblere Rollen- und Liefermodelle sowie Services anzubieten", meint Cardea.

2. Wachstum durch neue Rollen- und Liefermodelle

Das Jobprofil des Beraters verändert sich. Bildeten viele Dienstleister bisher vor allem Hochschulabsolventen zu Beratern aus und weiter, verlangt der Markt heute von ihnen, dass sie auch berufserfahrene Manager mit Lebens- und Berufserfahrung sowie Quereinsteiger an sich binden.

3. Kunden verlangen von Beratern die Fähigkeit zur Kooperation

Viele ehemalige Berater wechselten selbst auf die Kundenseite. Sie bringen ein anderes Selbstverständnis mit. Je nach Projekt fordern sie individuelle Rollen- und Liefermodelle vom Dienstleister.

4. Neue Rollen- und Liefermodelle differenzieren künftig Beratungen

Künftig arbeiten verschiedene Beratungshäuser gemeinsam mit Einzelberatern zusammen an einem Projekt. Bisher mühsam aufgebauschte Differenzierungsmerkmale lösen sich auf, neue Allianzen bilden sich auf Projektbasis heraus. (CW)