Der IT-Beratermarkt ist umkämpfter." Christoph Wamser, Professor für Strategie und Organisation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, verfolgt die Branche seit vielen Jahren und macht verschiedene Faktoren für die Situation verantwortlich: "Weniger Wachstum und intensiverer Wettbewerb setzen den klassischen IT-Beratungsunternehmen zu."
Große Wirtschaftsprüfer wie PricewaterhouseCoopers, KPMG, Deloitte oder Ernst & Young drängten zuletzt auf der Suche nach neuen Jagdgründen in das klassische Revier der Management-, aber auch der IT-Beratung. Große IT-Beratungshäuser versuchen ihrerseits, Management-Themen in ihr Angebotsspektrum zu integrieren und sich so neue, oft lukrativere Geschäftsfelder zu erschließen. "In der Management-Beratung beginnen viele Tagessätze bei 2000 Euro, auch 3000 Euro sind nicht ungewöhnlich. Dagegen verrechnen viele IT-Beratungen nur 800 Euro pro Tag. Das ist für standardisierte Themen schon die Obergrenze", rechnet Wamser vor.
Die gewünschte Expansion in die lukrative Welt des Management-Consultings lässt sich für IT-Beratungen jedoch nicht so leicht bewerkstelligen. "Accenture traut man diesen Schritt zu", analysiert Wamser. Auch für IBM oder Capgemini könne diese Strategie aufgehen, doch dem Gros der meist mittelständischen IT-Beratungsfirmen bleibe dieser Weg wohl versperrt.
Auch viele internationale Management-Beratungen integrieren IT-Themen in ihr Portfolio. Passé sind die Zeiten, in denen die McKinseys dieser Welt zweistellige Wachstumsraten verbuchen konnten. Doch ohne diese Umsätze kommt auch deren klassisches Aufstiegs- und Karrieremodell ins Wanken, besonders dann, wenn alle Partnerpositionen vergeben sind. "Mir fällt immer wieder auf, dass viele Partner in Management-Beratungen erst Ende 30 sind. An Ruhestand denken diese Berater noch lange nicht", beobachtet der 44-Jährige Wamser.
So wählen Kunden Berater aus
Mit neuen Trends wie Mobile, Cloud, Big Data oder Social Media eröffnet sich den klassischen IT-Beratungen zwar ein weites Feld. Das können sie allerdings nur bestellen und die Früchte ihrer Arbeit ernten, wenn sie schnell verstehen, was diese Hype-Themen für ihre Kunden bedeuten und wie sie sich in tragfähige Geschäftsmodelle ummünzen lassen. Auch kleineren IT-Beratungen gelingt es immer wieder, ein Nischenthema zu besetzen und sich auf diese Weise als Spezialisten zu etablieren.
Doch CIOs und IT-Verantwortliche plagen oft alltäglichere Sorgen. "Wir kaufen in erster Linie externe Beratungsleistung ein, wenn wir Ressourcenengpässe haben oder für ein neues Thema spezifisches Know-how benötigen", erläutert Jutta Rößner, bei Datev in Nürnberg verantwortlich für die Technologieleitlinie, Architekturen und User Experience. Auch wenn innerhalb des Unternehmens eine Idee in ein neues Konzept einfließt, engagiert Rößner manchmal externe Berater, die mit ihrer neutralen Fachmeinung den Datev-Experten Feedback geben und so für eine Art Qualitätscheck sorgen.
Je nach Aufgabe kommen große oder auch mittelständische IT-Beratungsunternehmen sowie IT-Selbständige bei Datev zum Zug. "Wir arbeiten nicht nur mit regionalen Firmen aus Nürnberg zusammen", betont Rößner.
Während die engagierten Experten manchmal bis zu zwei Jahre im Unternehmen bleiben, arbeiten IT-Berater, die neue Themen etablieren, meist höchstens bis zu sechs Monate bei Datev. Entwickelt sich ein Trend zum neuen Geschäftsfeld, etabliert das Dienstleistungsunternehmen ein eigenes Expertenteam. "Zu allen für uns wichtigen IT-Themen bauen wir selbst Know-how auf. Externe Berater ermöglichen es uns jedoch, flexibel zu bleiben und schnell auf Wissen zuzugreifen", so die Nürnberger Managerin.
Jürgen Renfer, Abteilungsleiter Informationstechnologie der Bayerischen Landesunfallkasse in München, gleicht personelle Engpässe in der eigenen Mannschaft ebenfalls über externe Berater aus. Doch für strategische Fragen holt er sich niemanden ins Haus. "Das Denken geben wir nicht so gerne aus der Hand, das ist schließlich unsere Aufgabe, dafür werden wir bezahlt", sagt Renfer selbstbewusst und ergänzt: "Wir legen deshalb großen Wert auf die fundierte Aus- und Fortbildung unserer Stammmannschaft und machen uns ungern abhängig."
Projektnachweise zählen
Neben den formalen Anforderungen des Vergaberechts, an die Renfer behördenseitig gebunden ist, legt der IT-Chef besonderen Wert auf die fachlichen Qualifikationen und Soft Skills der externen Berater. "Ich frage keine formalen Studienabschlüsse ab, sondern möchte Belege dafür, wie das IT-Beratungsunternehmen in ähnlichen Projekten vorgegangen ist und wo es Probleme gegeben hat."
Diese Referenzprojekte zeigen dem IT-Manager, ob die Berater die von ihm geforderten IT-Expertenschaft mitbringen, und geben ein aussagekräftiges Bild, ob und welche Stolpersteine sich gebildet haben. "Natürlich rufe ich die von den Dienstleistern genannten Kunden an und frage nach", fügt Renfer hinzu. "IT-Verantwortliche reden untereinander, sind gut vernetzt und tauschen sich aus." Schwarze Schafe in der IT-Beraterszene haben es also schwer, unrealistische Preise zu verlangen oder schlecht qualifizierte Mitarbeiter zu schicken.Auch Datev-Managerin Rößner prüft genau das Qualifikationsprofil der IT-Berater und lädt sie zum Vorstellungsgespräch ein, bevor sie sich entscheidet.
Soft Skills und Teamfähigkeit sind inzwischen nahezu genauso wichtig wie das technische Know-how. "Bevor wir uns entscheiden, setzen wir die externen Berater und unsere Mitarbeiter nach Möglichkeit gemeinsam an einen Tisch, um zu klären, ob die Zusammenarbeit auch innerhalb des Teams funktioniert", sagt Renfer. So versucht der IT-Manager, spätere Probleme möglichst auszuschließen.
Auf die Kosten von Beratungsleistungen achtet Renfer besonders: "Das war für uns im öffentlichen Dienst schon immer ein wichtiges Thema." Auch Datev kalkuliert genau, wie IT-Managerin Rößner betont: "Wir arbeiten mit seriösen Firmen zusammen, die vernünftige Honorare berechnen. Wir sind zwar kostenbewusst, doch wir versuchen nicht, Dumping-Preise durchzusetzen."
Hochschullehrer Wamser weiß um weitere Entscheidungskriterien, an denen Unternehmen sich orientieren: "Gerade wenn Firmen IT-Beratungsleistungen einkaufen, achten sie besonders auf die Technologie- und Umsetzungskompetenz sowie die Nachhaltigkeit in der Beratung." In vielen Projekten benötigen IT-Berater außer ihren Fachkenntnissen auch betriebswirtschaftliches sowie Change-Management-Wissen oder Branchenkompetenz: "Sozialkompetenz zählt ganz selbstverständlich zum Profil eines Beraters."
Um das Anforderungsprofil eines Beraters realistisch einschätzen zu können, setzen Kundenunternehmen oft auf Mitarbeiter, die selbst als Berater gearbeitet haben, sagt Wamser: "Viele Ex-Berater arbeiten heute für den Kunden und wissen ganz genau, wie sie die engagierten Berater am effektivsten einsetzen können." Auch das trägt dazu bei, dass die Kostenschraube enger angezogen wird. Der permanente Innovationsdruck mache den IT-Beratungsjob zwar äußert spannend. Allerdings könne es auch anstrengend sein, immer wieder neue Trends in Geschäftsmodelle umsetzen zu müssen.
Beratung der Zukunft
Die Beratungsbranche durchlief in den vergangenen Jahren zahlreiche Veränderungen. War vor einigen Jahren noch ein Full-Service-Dienstleister gefragt, punkteten später Spezialisten für einzelne Fachthemen und Branchen, bis sie von den Umsetzungsspezialisten abgelöst wurden. Das Schweizer Beratungsunternehmen Cardea identifiziert vier neue Beratungstrends für die Zukunft.
1. Kunden wollen flexiblere Beratungen
Kunden überlegen genauer, welche Aufgaben sie an Berater abgeben und welche sie selbst übernehmen. "Der Trend zum Smarter Shopping im Beratungsmarkt zwingt große, mittlere wie kleine Beratungsanbieter, ihre Geschäftsmodelle zu diversifizieren und neue, flexiblere Rollen- und Liefermodelle sowie Services anzubieten", meint Cardea.
2. Wachstum durch neue Rollen- und Liefermodelle
Das Jobprofil des Beraters verändert sich. Bildeten viele Dienstleister bisher vor allem Hochschulabsolventen zu Beratern aus und weiter, verlangt der Markt heute von ihnen, dass sie auch berufserfahrene Manager mit Lebens- und Berufserfahrung sowie Quereinsteiger an sich binden.
3. Kunden verlangen von Beratern die Fähigkeit zur Kooperation
Viele ehemalige Berater wechselten selbst auf die Kundenseite. Sie bringen ein anderes Selbstverständnis mit. Je nach Projekt fordern sie individuelle Rollen- und Liefermodelle vom Dienstleister.
4. Neue Rollen- und Liefermodelle differenzieren künftig Beratungen
Künftig arbeiten verschiedene Beratungshäuser gemeinsam mit Einzelberatern zusammen an einem Projekt. Bisher mühsam aufgebauschte Differenzierungsmerkmale lösen sich auf, neue Allianzen bilden sich auf Projektbasis heraus. (CW)