Analysten-Kolumne

IT-Beratungs- und Service-Unternehmen im harten Wettbewerb

08.03.2006 von Thomas Lünendonk
Deutschland ist keine Insel im Meer der Globalisierung. Um die Aufträge bei deutschen und internationalen Unternehmen mit Sitz in Deutschland kämpfen inzwischen Anbieter aus aller Welt.

In der Vergangenheit sorgte jedoch die oft sehr lokalspezifische Anforderung dafür, dass schlussendlich einem deutschen Anbieter der Vorzug gegeben wurde. Mit zunehmender Europäisierung von wirtschaftlichen, technischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen gerät dieser frühere Wettbewerbsvorteil inzwischen heftig unter Druck. Britische und französische Unternehmen sowie Dependancen amerikanischer Player haben, wenn es um den Akquisitionserfolg beim Kunden geht, immer häufiger die Nase vorn.

Das Ergebnis spiegelt sich auch in den "Lünendonk-Listen" wider. Wer sind die Unternehmen, die trotz schwieriger wirtschaftlicher Situation in den westeuropäischen Märkten in den vergangenen vier bis fünf Jahren reüssieren konnten? Die Lünendonk GmbH stellte für die Beantwortung dieser Frage erstmals einen "3-Country-Report" zusammen. Darin wurde untersucht, welche Unternehmen nicht nur auf ihren jeweiligen Heimatmärkten, sondern auch im europäischen Ausland eine führende Stellung einnehmen. Als Basis wurden die Umsätze im jeweiligen Heimatmarkt - beispielsweise Deutschland - genommen, kombiniert mit den Umsätzen in zwei Wettbewerbsmärkten, wie zum Beispiel Frankreich und Großbritannien.

Dabei zeigt sich, dass es neben den starken Playern in den jeweiligen europäischen Heimatmärkten eine Reihe von Unternehmen gibt, die durchaus in zwei Europa-Märkten erfolgreich sind ("bilateral TOP 25"). Wenn es aber darum geht, in mehr als zwei europäischen Märkten eine erfolgreiche Präsenz zu zeigen, dann kommt die Stunde der "großen Globalen". Hier stehen IBM, EDS, Hewlett-Packard, CSC, Accenture und Unisys an der Spitze, erfreulicherweise mit Capgemini und LogicaCMG aber auch bereits zwei europäische Player.

Alle europäischen und globalen Anbieter kämpfen in Deutschland um einen höchst attraktiven Markt: Laut Prognosen des European Information Technology Observatory (EITO) wurden im Jahr 2005 in Europa 614 Milliarden Euro mit IT-Technologie und -Services umgesetzt. Die drei größten Ländermärkte waren dabei Deutschland (21,5 Prozent Marktanteil), Großbritannien (19,1 Prozent) und Frankreich (15,2 Prozent). Allein diese drei Länder repräsentieren somit ein Marktvolumen von mehr als 342 Milliarden Euro. Im Vergleich dieser drei wichtigen Kernmärkte zeigt Großbritannien die höchste Konzentration an der Spitze. Die Top-25-Unternehmen in UK erwirtschafteten 2004 rund 28 Milliarden Euro. In Deutschland kamen die Top 25 auf 20,3 und in Frankreich 11,4 Milliarden Euro.

Franzosen expandieren

Die Franzosen zeigen eine starke Dynamik, wenn es um die Expansion in die europäischen Nachbarländer geht. So übernahm beispielsweise Atos Origin 2004 die Karstadt-Tochter Itellium, zur gleichen Zeit kaufte Unilog das deutsche Beratungshaus Avinci, um dann selbst ein Jahr später von der britisch-niederländischen LogicaCMG-Gruppe übernommen zu werden. Auch das IT-Beratungsunternehmen Mummert wurde 2005 von der französischen Steria gekauft. Und der Reigen wird weiter getanzt. So gilt Atos Origin zurzeit häufig als Geheimtipp, wenn es um die Übernahme von oder die Fusion mit weiteren deutschen Unternehmen geht. Doch in diesem Markt ist derzeit alles möglich, also auch ein schneller Wechsel der Rolle vom Käufer zum Gekauften.

Die deutschen IT-Beratungs- und Service-Unternehmen stellen derzeit im europäischen Wettbewerb begehrte Übernahmeziele dar, als Käufer zeichnen sie sich dagegen bisher nicht so erfolgreich aus. Das sollte sich baldmöglichst ändern, denn der europäische IT-Beratungs- und Servicemarkt ist ein reifer Verdrängungsmarkt, in dem sich signifikante Vorteile nur noch zu Lasten der Wettbewerber erzielen lassen. Die Hoffnung, sich hier allein über organisches Wachstum positionieren zu können, wird sich als nicht erfolgsträchtig erweisen.

Hinzu kommt, dass sich zu den traditionell präsenten Global Playern zunehmend auch die indischen Anbieter gesellen, die wohl noch die eine oder andere Trumpfkarte - Übernahme in 2006? - für Deutschland in der Tasche haben. Die Frage lautet hier: "Wie schnell organisieren sich deutsche Unternehmen eigene, internationale Offshore-Kapazitäten?" Der Wettbewerb ist noch nicht entschieden, aber die Zeit läuft!

Thomas Lünendonk ist Eigentümer des Dienstleistungs- und Marktforschungsunternehmens Lünendonk.