Analysten-Kolumne

IT-Beratungsmarkt - auch 2006 keine positive Entwicklung

21.12.2005 von Pascal Matzke
Nachdem sich die IT-Beratungssätze über Jahre nach unten bewegten, haben sie sich in den vergangenen zwölf Monaten zwar wieder stabilisiert, befinden sich allerdings weiter unter enormen Druck. Gründe dafür gibt es viele: Konkurrenzkampf und Überkapazitäten im Consulting-Bereich, größeres internes Know-how und damit verbunden neue Sourcing-Strategien bei den Anwendern sowie vermehrte Near- und Offshoringangebote. All dies führt dazu, dass eine Rückkehr der Beratungssätze auf früheres Niveau auch in 2006 nicht zu erwarten ist.

In den vergangenen sechs Monaten hat Forrester Research die Beratungsbranche unter die Lupe genommen. Neben der schwierigen Lage, in der sich die Dienstleister nach wie vor befinden, konstatierten wir erhebliche Unterschiede bei den Beratungssätzen in Westeuropa. So liegen die Honorare auf der britischen Insel bis zu 25 Prozent höher als auf dem Kontinent. In den nordischen Ländern sind die Sätze zehn Prozent höher als der europäische Durchschnitt – hingegen in Spanien und Portugal zwischen 20 und 40 Prozent niedriger.

Neben den regionalen Unterschieden wirken sich auch das Leistungsportfolio, die Marktposition sowie die Größe des Serviceanbieters auf die Honorare aus. So sind die Sätze für kleinere, regionale Anbieter zwischen 15 und 20 Prozent niedriger als der Durchschnitt. Dagegen liegen die Raten der Professional-Service-Abteilungen großer Software-Hersteller etwa 20 Prozent über dem Mittelwert. Für spezielle Bereiche wie Enterprise Application Integration oder Mainframes - für die besonderes Know-how erforderlich sind – können zudem Premiumpreise verlangt werden. Und nicht zuletzt wirkt sich auch der Umfang eines Projekts auf die Beraterhonorare aus. Die Tagessätze für Kurzzeitprojekte (zwischen 50 und 250 Manntage) liegen bis zu 20 Prozent über dem Listenpreis.

Anbieter gestalten ihre Honorare zunehmend flexibel

Noch vor einigen Jahren lehnten Consultants flexible oder gar leistungsbezogene Abrechnungsmodelle ab. Projekte wurden einzig und allein auf Zeit- und Materialbasis abgerechnet. Aber die Berater mussten ihren Widerstand aufgeben und sich den veränderten Gegebenheiten anpassen. So konnten wir in unseren Untersuchungen feststellen, dass der Trend eindeutig zur flexiblen Vertragsgestaltung - inklusive wert- oder erfolgsbezogene Abrechnungskomponenten - geht. In der Entwicklung spiegelt sich auch wider, dass Kunden Projekte inzwischen besser einschätzen können. Sie wissen, was die Aufwendungen für Beratung und Services in die Höhe treibt. Zudem greifen auch in diesem Bereich die marktwirtschaftlichen Werkzeuge von Angebot und Nachfrage.

Kundeninterne Faktoren müssen für Vertragsgestaltung entscheidend sein

Viele Entscheider orientieren sich bei der Beauftragung eines Dienstleisters und bei der Ausgestaltung des Vertrages nur am Angebot. Die wichtigsten Faktoren, die sie aber in die Entscheidung einbeziehen müssen, sind die eigenen Geschäftsziele und internen Prozesse. Je nach Projekt und Expertise sollten sich Unternehmen für folgende Vertragsausgestaltungen entscheiden:

Berater reagieren auf Preisdruck mit Near- und Offshoring

Beratungshäuser in Europa, Nordamerika und dem asiatisch-pazifischen Raum antworten auf den Preisdruck, indem sie zunehmend auf Projektunterstützung aus Offshore- sowie Nearshore-Regionen zurückgreifen. Forrester Research geht davon aus, dass zukünftig - teilweise ist dies bereits der Fall - 30 bis 40 Prozent der Projektarbeit in kostengünstigere Near- und Offshore-Gebiete verlagert werden.

Zwei Faktoren fördern diese Entwicklung: Zum einen wünschen zwar nicht alle Klienten Offshoring, aber alle möchten Offshoring-Preise. Die Verfügbarkeit der Angebote hat erhebliche Auswirkungen auf die Sourcing-Strategien von Unternehmen.

Bei der Ausschreibung von Projekten werden zunehmend auch Offshoring-Anbieter um Angebote gebeten, nur um die Preise zu drücken. Diese können hiesige Unternehmen aber nur bieten, wenn sie ebenfalls Teilbereiche der Projekte auslagern. Zum anderen erhöhen indische Anbieter ihre lokale Präsenz in den Industrieländern. Sie richten vermehrt lokale Service- und Support-Center mit dem Ziel ein, Near- sowie Offshoring zu fördern. Mit diesem Schritt reagieren sie auf die nach wie vor vorhandene Skepsis gegenüber ausländischen Dienstleistern.

Über die Lokationen in den Zielregionen versuchen sie ihr Angebot den landesspezifischen Marktsituationen und kulturellen Besonderheiten anzupassen. Bei Projektumsetzung bilden die regionalen Büros dann den Brückenkopf zwischen den Offshore-Lokationen und den Klienten.

Auf lange Sicht keine Rückkehr zu altem Preisniveau

Auch wenn die IT-Dienstleister versuchen, höhere Beratungssätze am Markt durchzusetzen, so werden sie mit diesen Anstrengungen scheitern. Der wirtschaftliche Druck hält europaweit an, und es ist in diesem Zusammenhang nicht von einer nachhaltigen Nachfragebelebung im IT-Beratungsgeschäft auszugehen.

Vielmehr wird sich der enorme Druck auf die Beratungshonorare der IT-Serviceanbieter in den traditionell konservativeren Ländern wie Deutschland wegen der immer größeren Verfügbarkeit, Akzeptanz und Nutzung von Offshore- sowie Nearshore-Ressourcen deutlich verstärken. Zudem haben viele Anwenderunternehmen ihre Sourcing-Strategien und Prozesse vor dem Hintergrund der für sie sehr günstigen Marktbedingungen nunmehr besser positioniert und organisiert. Daher werden sie auch künftig, niedrige Beratungshonorare mit den Serviceanbietern aushandeln können. An eine Rückkehr zu früherem Niveau ist auf lange Sicht - geschweige denn in 2006 – nicht zu denken.

Pascal Matzke ist Principal Analyst bei Forrester Research.