Nachdem es mehr als 200 000 Anwender in der Beta-Phase ausprobiert hatten, ist Office 365 seit Ende Juni offiziell am Start. Microsoft attackiert in erster Linie Googles starke Verankerung mit "Apps for Business" bei kleinen und mittleren Unternehmen. Dort ist man aufgeschlossen für cloud-basierte E-Mail- und Collaboration-Services, weil sie einen Rückbau der eigenen Infrastruktur und damit auch eine Reduzierung des IT-Personals gestatten. Große Unternehmen fallen laut Gartner-Analysten schon deshalb nicht ins Kalkül von Microsoft, weil sie komplexere Ansprüche stellen.
Felix Fürnhammer, Manager IT beim Halbleiterhersteller X-Fab, wird in den kommenden Jahren bis 2013 erst einmal die bereits beschlossene Umstellung auf Office 2010 durchführen. Bis 2015 werden dann vermutlich keine weiteren Aktivitäten in diesem Bereich stattfinden, berichtet der IT-Leiter. Die 2500 Mitarbeiter des Erfurter Unternehmens mit weiteren drei Standorten in Deutschland, den USA und Malaysia erwirtschafteten 2010 einen Umsatz von 222 Millionen Euro.
Auch gibt es eine grundsätzliche Zurückhaltung. "Wir sind bei der Cloud-Thematik eindeutig bodenständiger und arbeiten zum gegenwärtigen Zeitpunkt lieber mit lokal ausgerichteten Lizenzen", sagt Fürnhammer. Allerdings kann sich Fürnhammer einen Umstieg auf eine cloud-basierte Lösung für die nächste Office-Generation nach 2015 als eine ernsthafte Option vorstellen.
Diese Einstellung ist charakteristisch für viele IT-Verantwortliche. Thomas Hemmerling-Böhmer, Vorsitzender des Deutschen Microsoft Business User Forums, sieht dennoch Gründe für einen Umstieg in die Cloud: "Tendenziell macht ein Online-Office die Arbeit der IT viel einfacher. Es entledigt sie der permanenten Installationsarbeiten und der Versionshetze. Von daher ist das Konzept gut." Zu klären bleibt für ihn "die Interaktion zwischen cloud- und nicht-cloud-basierten Systemen in einem Haus".
Angst um Daten sehr groß
Das Business User Forum sieht eine verbreitete Skepsis gegenüber den Cloud-Anbietern: "Die Angst um die eigenen Daten ist schon sehr groß." Man müsse jedoch langfristig denken. Cloud Computing sei "die Zukunft und wird die IT-Shops dramatisch verändern. Wenn die rechtlichen Fragestellungen glaubwürdig beantwortet sind und zudem die Interface-Frage final geklärt ist, wird es kein Entkommen geben." Der Weg dahin gehe über eine straffe Data Governance und eine klare Schutzbedarfsanalyse. Darüber könne dann definiert werden, "was in der internen Cloud bleiben muss und was rausgegeben werden kann". Das Cloud-Modell an sich werde aber kommen.
Für die Analysten von Gartner und Forrester Research ist es schon da. Als Beweis dienen ihnen die Angebote von Google Apps for Business, LotusLive von IBM, die massive Kampagne von Microsoft für Office 365 sowie die erfolgreichen Konzepte von Salesforce.com oder Amazon EC2. Alle arbeiten kontinuierlich daran, weitere Kunden zu gewinnen, und auch Service-Provider und Telco-Gesellschaften tüfteln an Cloud-Services oder sind schon am Markt damit.
Forrester empfiehlt, jetzt die Zeit zum Ausprobieren für Hybridmodelle aus On-Premise-Lösungen, Private und Public Cloud zu nutzen. Nur so könne man die nötigen Erfahrungen sammeln. Anwender könnten zum Beispiel ihre Exchange-User in zwei Gruppen aufspalten: einmal für das klassische Lizenzmodell für Angestellte in der Firmenzentrale und einmal für die Online-Abrechnung nach Gebrauch für externe oder temporäre Mitarbeiter.
Microsoft hat in eigene Rechenzentren investiert, um sich selbst als Hosting Company für Office 365 mit entsprechenden Service Level Agreements zu etablieren. Mit dieser Strategie zielt man auf die großen Kunden, vor allem auf jene, die sich schon für BPOS entschieden hatten (Business Productivity Online Suite, der Vorläufer von Office 365; siehe auch Kasten). Microsoft hat jetzt die Mindestgrenze für dedizierte Host-End-User von Office 365 von 5000 bei BPOS auf 30 000 angehoben, was die Zahl möglicher Kunden einschränkt. Für kleine und mittlere Unternehmen arbeitet man mit Hosting- und Telco-Partnern zusammen.
Image- und Zuverlässigkeitsprobleme des Lizenz-Riesen Microsoft könnten der angepeilten Expansion in Cloud-Gefilde in die Quere kommen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die Anwender in Sachen Security, Ausfallsicherheit oder Verzicht auf die hausinterne Anpassung und Kontrolle der IT überzeugen lassen.
Für Oliver Maisch, Head of IT International bei der VBH Holding, einem Großhandelsunternehmen für Baubeschläge nahe Stuttgart, sprechen derzeit für einen Wechsel eigentlich nur "externe Dinge, wie das Öffnen von Dokumenten, die man von außen bekommt". Auch die Ansprüche der Mitarbeiter an eine zeitgemäße IT, so wie sie sie privat kennen, könnte ein Faktor für eine positive Entscheidung werden. Doch noch spreche vor allem der Sicherheitsaspekt gegen einen Wechsel. Maisch insistiert: "Wir setzen nur auf eine Private-Cloud- und nicht auf eine Public-Cloud-Lösung."
Nur eines ist sicher: Der Beratungsbedarf ist enorm. Und das allein hat der IT-Industrie schon oft lukrative Geschäfte eingebracht.
Office 365 - Package-Wirrwarr
Der Vorläufer von Office 365 war die Business Productivity Online Suite (BPOS), die auf den Serverversionen von Exchange, SharePoint, Office Live Meeting und Communicator beruhte. Sie war für mindestens 5000 User konzipiert.
Office 365 umfasst die 2010er-Server-Versionen von:
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Je nach Cloud-Strategie werden diese vier Bestandteile gegenwärtig in vier Paketen für Enterprise User und zwei für Kiosk User angeboten. Sie unterscheiden sich hauptsächlich in puncto Funktionsumfang und Serviceoptionen. Besondere Aufmerksamkeit sollte die Tatsache hervorrufen, dass alle vier Portfolioelemente nicht über die exakt gleichen Features verfügen wie die On-Premise-Versionen. Microsoft hat zudem angekündigt, hier noch Veränderungen vorzunehmen, was die Auswahl zusätzlich erschwert. So fehlt bisher eine Unterstützung für Blackberry-Geräte. Andere Lücken betreffen Compliance-Fragen, wenn ein Unternehmen Office 365 intern installieren will – zum Beispiel die Konformität mit EU-Regelungen. Microsoft hat eigens eine Web-Seite für ein "Trust Center" eingerichtet, auf der man sich über Fortschritte auf diesem Gebiet informieren kann. Forrester Research verweist in einem Überblick ("An Early Look At Microsoft Office 365 Features") darauf, dass sich die Preise der Online-Versionen trotz "per-user subscription" auf dem Niveau der In-House-Installationen einpendeln könnten. Der Online-Wert besteht dann mehr in der vereinfachten Kostenberechnung für künftige Upgrades und dem leichteren Hinzufügen weiterer Benutzer. |
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