In der Wahrnehmung vieler IT-Beratungs- und IT-Services-Anbieter drückt der Einkauf bei Unternehmen des gehobenen Mittelstandes und in großen Unternehmen den Preis. Nicht mehr und nicht weniger. "Old School" wird diese tradierte Einkaufsfunktion unter strategischen Einkäufern zuweilen auch gerne genannt. Doch dieses Modell beginnt, sich zu verändern.
Die Rollen im sogenannten Buying Center, das bei größeren Projekten aus Vertretern des Fachbereiches, der IT und dem Einkauf besteht, verschieben sich. Die Gründe sind vielfältig und führen zu neuen Spielregeln, auf die sich IT-Berater und IT-Services-Anbieter einstellen müssen.
Aufgaben der IT gestiegen - Budgets wandern in Fachabteilungen
Immer häufiger liegen die Budgets für IT-relevante Projekte in den Fachbereichen. Das Budget der IT ist für den Betrieb der Systeme vorgesehen. Gleichzeitig ist der Umfang der Aufgaben für die interne IT deutlich gestiegen, und zwar stärker als es zusätzliche Mitarbeiter - wenn denn überhaupt zusätzliche IT-Mitarbeiter eingestellt wurden - oder mehr Automatisierung hätten auffangen können.
Dementsprechend ist der Umfang der Aufgaben, die von externen IT-Beratungs- und IT-Services-Unternehmen erbracht werden, ebenfalls überproportional gewachsen. Dies lässt sich recht einfach daran ablesen, dass beispielsweise die Umsätze der Top 25 der IT-Beratungs- und IT-Services-Unternehmen in Deutschland bis auf Krisenjahren meist zweistellig stiegen und das Marktwachstum um den Faktor zwei und mehr oberhalb des Wirtschaftswachstums lag.
Strategisches Provider Management heißt der Ansatz, mit dem die Unternehmen die Steuerung des IT-Partner-Ökosystems insgesamt verbessern wollen. Hintergrund sind häufig Probleme, die sich ergeben, wenn wenige interne Mitarbeiter die Beschaffung über hunderte von IT-Dienstleistern hinweg samt Vertragsabwicklung bewältigen müssen. In solchen Massenprozessen bleibt zu wenig Raum für transparente Erfolgsmessung und die Entwicklung von gemeinsamen Qualitäts- und Kooperationszielen.
Lieferanten nach Leistungen kategorisieren
Mehr Zeit für die Entwicklung von strategischen Partnern lässt sich vor allem durch Fokussierung freisetzen. In einem ersten Schritt werden typischerweise die Lieferanten nach Leistungsfeldern und Kompetenzen kategorisiert. Diese Kategorien werden aufgrund der Historie in der Materialbeschaffung oft Warengruppen genannt, auch wenn es gerade bei Projektleistungen um das Staffing von IT-Experten geht.
Wenn dann mit den wichtigen und großen Lieferanten Rahmenverträge verhandelt sind, kann der Vergabeprozess enorm beschleunigt werden, was zu höheren Besetzungsquoten sowie früheren Projektstarts führt.
Vorbild sind die Lieferketten in der Automobilindustrie. Hier sind die Systemlieferanten in die Entwicklungsstrategie sowie das Qualitätsmanagement des Herstellers eingebunden, tragen in hohem Maße unternehmerisches Risiko und bringen eigene Innovationen in die Produktentwicklung ein.
Ziele für Steuerung der IT-Partner
Die Ziele für die Steuerung des IT-Partner-Ökosystems leiten sich ab: Es geht darum, die Qualität der extern eingekauften Leistungen zu steigern, Leistungen vergleichbar zu machen, mehr Flexibilität zu erlangen, Prozess- und Technologie-Innovationen zu heben und - natürlich - auch um die Kosten.
Eine Crux beim strategischen Provider Management liegt in der Balance zwischen Dienstleistung, Partnerschaft und Abhängigkeit. Oft wird dabei das Thema Abhängigkeit rein aus der Perspektive des Anwenderunternehmens betrachtet, das sich mit einem Geschäftsprozess oder beispielsweise der IT-Infrastruktur in die Abhängigkeit eines Lieferanten begibt. Doch in gleicher Weise kann es eine Abhängigkeit des Dienstleisters von einem oder wenigen Kunden geben.
Dieses sogenannte Klumpenrisiko kann dazu führen, dass der Verlust eines großen Auftrages den Anbieter in wirtschaftliche Existenznöte bringt. Auch diese Konstellation kann objektiv gute und richtige Entscheidungen erschweren.
Wirtschaftliche Kennzahlen der Dienstleister abfragen
Hier kann der Einkauf eine tragende Rolle übernehmen, indem er etwa regelmäßige Projektbewertungen einholt und zusätzlich wirtschaftliche Kennzahlen bei den Dienstleistern abfragt, die dann als Aspekt des Risikomanagements Bestandteil der Lieferantengespräche wird. Durch die Projekt- und Bereichsübergreifende Querschnittsfunktion ist der Einkauf sehr gut positioniert, um für Transparenz zu sorgen und Governance-Aufgaben zu übernehmen.
So ist es aus der vom operativen Projekt unabhängigen Rolle auch leichter möglich, Probleme anzusprechen. Und nur, wenn Probleme diskutiert und gemeinsam nach Lösungen gesucht wird, ist eine Entwicklung möglich. Was in der Theorie sinnvoll und einleuchtend klingt, ist in der Praxis nur durch Hartnäckigkeit zu erreichen.
Damit der Einkauf für strategisches Provider Management gesehen und geschätzt wird, ist ein Wandel der Wahrnehmung erforderlich. Der erforderliche Wahrnehmungswandel betrifft meist sowohl die Rolle des Einkaufs als auch den Wert der externen Beratung und Services. Hier überwiegt häufig noch die Ad-hoc-Mentalität und die Wahrnehmung von oben nach unten, während echte Partner auf Augenhöhe agieren.
Um die Mehrwerte von strategischem Provider Management sichtbar zu machen, sollte der Einkauf aktiv Transparenz schaffen, etwa durch Analysen der Mengengerüste, die in bestimmten Kompetenzfeldern extern eingekauft werden und andere Kennzahlen. Auf diese Weise entstehen wichtige Basisinformationen, die Impulse für die Entwicklung der IT-Strategie sowie die Strategien der anderen Fachbereiche liefern können. Das wäre dann "New School".
6 wichtige Faktoren für erfolgreiches Provider Management
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Hartmut Lüerßen ist Partner bei Lünendonk.